Günter Dönges

Butler Parker 168 – Kriminalroman


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Rander beendete das ausgezeichnete Dinner, das sein Butler zubereitet hatte, und zog sich dann in sein Arbeitszimmer zurück. Er sah irritiert hoch, als wenig später sein Butler höflich anklopfte und eintrat.

      »Ist noch was?« fragte Rander und sah von einem Gesellschaftsvertrag hoch, den er gerade Punkt für Punkt ausarbeitete.

      »Ich möchte mich formgerecht und höflich für zwei Stunden entschuldigen, Sir!«

      »Sie gehen aus?«

      »Nur, wenn Sie meiner nicht mehr bedürfen, Sir.«

      »Nein, nein, Parker, ich brauche Sie nicht. Viel Vergnügen. Das heißt. Moment mal ... Sie halten sich doch an unsere Abmachung, nicht wahr?«

      »Selbstverständlich, Sir! Ich möchte mir nur ein wenig die Beine vertreten, wie man so sagt. Die frische Abendluft wird mir so hoffe ich sehr, guttun!« Josuah Parker verließ das Arbeitszimmer seines jungen Herrn und ließ einen nachdenklich-nervösen Mike Rander zurück ...

      *

      »Ja, wie finde ich denn das!?« Mel Harvey nestelte an seiner Brille mit den Halbgläsern und strahlte den eintretenden Butler an. Er wieselte um die kleine Ladentheke herum md war ehrlich erfreut, Josuah Parker zu sehen.

      »Ich wünsche Ihnen einen freundlichen Abend«, sagte Parker gemessen.

      »Ich darf wohl hoffen und unterstellen, Sie bei bester Gesundheit anzutreffen?«

      »Ob mir’s gut geht? Klar, Mister Parker. Immer rein in die gute Stube. Nee, nicht hier. Wir gehen ’rüber in mein Privatbüro!«

      Parker sah sich wieder einmal interessiert in der Pfandleihe von Mel Harvey um. Der große Kellerraum, der als Ladenlokal diente, war bis zur Decke vollgestopft mit Krimskram aller Art. Bei Harvey konnte man alten Schmuck kaufen, Musikinstrumente, Uhren, Radios, Kleider und Schuhe, Antiquitäten, Gemälde, anrüchige Fotos und Funkgeräte, Möbel, Bestecke, Schnaps und schließlich auch Gegenstände, die er noch gar nicht hätte, aber prompt besorgte. Mel Harvey wurde von der Polizei als Hehler bezeichnet, aber gegen diese Unterstellung wehrte er sich stets. Mit Erfolg übrigens, denn nur in seltenen Fällen hatte man ihm bisher etwas nachweisen können.

      »Kann ich irgendwas für Sie tun?« fragte Harvey, nachdem er für seinen Gast einen alten Stuhl freigeräumt hatte. »Ich wette, Sie sind nicht gerade zufällig hier bei mir vorbeigekommen.«

      »Sie würden diese Wette gewinnen, Mister Harvey«, antwortete der Butler würdevoll und legte seine schwarze Melone ab. »Ich möchte von Ihnen einige Nachrichten erstehen.«

      »Hatte ich mir schon fast gedacht.« Mel Harvey grinste und rückte sich seine Brille zurecht, »hinter wem sind Sie her?«

      »Ich interessiere mich für den ›Weihnachtsmann‹!«

      »Den ›Weihnachtsmann‹ ...?« Harvey hüstelte und hatte wieder mit seiner Brille zu tun, die ihm unentwegt über die Nase wegrutschen wollte.

      »Sie haben völlig richtig verstanden, Mister Harvey!«

      »Tut mir leid, den kenne ich nicht!« Harvey schüttelte ratlos den Kopf.

      »Sind Sie sicher? Haben Sie nicht irgendeinen bestimmten Verdacht?«

      »Nichts! Aber ich kann Ihnen im Vertrauen sagen, Mister Parker, daß Sie nicht der erste sind, der sich nach ihm erkundigt hat.«

      »Ich erwärme mich für dieses Thema.«

      »Hank Studdel war hier und wollte auch ein paar Nachrichten über den ›Weihnachtsmann‹ kaufen.«

      »Sehr aufschlußreich.«

      »Studdel war wütend, das kann ich Ihnen sagen. Es paßt ihm nicht, daß sich in seinem Bezirk dieser ›Weihnachtsmann‹ ’rumtreibt ... Aber der wird wohl darauf pfeifen.«

      »Ich darf mich darauf verlassen, Mister Harvey, daß Sie ‚mir nichts verschwiegen haben?«

      »Hören Sie, Mister Parker. Ich weiß genau, daß Sie mir damals aus ’ner verdammten Patsche ’rausgeholfen haben. Das werde ich Ihnen nie vergessen. Ich würde Sie nicht belügen. Sie nicht!«

      »Ich möchte es sehr hoffen. Der Begriff ›Weihnachtsmann‹ ist Ihrer Meinung nach also erst von der Presse geboren und erfunden worden?«

      »Ganz sicher. Wirklich, vorher hatte ich noch nie von diesem ›Weihnachtsmann‹ gehört. Wenn Sie mich fragen, dann handelt es sich um einen Einzelgänger. Um einen ganz verflixten Einzelgänger, der sein Handwerk versteht. Vielleicht ist er aus ’ner anderen Stadt zu uns nach Chikago gekommen.«

      »Laut Zeitungsmeldungen muß er schon in Detroit und Flint gearbeitet haben. Bestehen Geschäftsbeziehungen Ihrerseits zu diesen beiden Städten?«

      »Na, ja, man hat so seine Verbindungen, Mister Parker. Ich müßte mal dort ’rumfragen, aber versprechen kann ich nichts.«

      »Ich hoffe. Ihnen in irgendeiner Form eines Tages danken zu können. Mister Harvey.« Josuah Parker griff nach seiner schwarzen Melone und verließ die Pfandleihe, ohne in diesem Moment zu ahnen, daß man ihm nicht umsonst nachsagte, er zöge Verbrecher und Verbrechen an wie ein Magnet Eisenfeilspäne ...

      *

      Josuah Parker schritt gemessen und würdevoll zurück zu seinem hochbeinigen Monstrum, das er auf einem nahen Parkplatz abgestellt hatte. Er dachte wirklich nicht an unangenehme Zwischenfälle, zumal er im Augenblick wirklich keinen anderen Fall verfolgte. Er hatte den besagten Parkplatz aber noch nicht ganz erreicht, als seine Aufmerksamkeit erregt wurde.

      Aus einem um diese Zeit noch geöffneten Juweliergeschäft kam eine nette, ältere Dame in leicht altmodischer Kleidung. Sie trug eine etwas altertümlich geschnittene Brille und hatte das auf dem Kopf, was man einen Kapotthut nannte.

      Umständlich zog sie die Tür des Geschäfts hinter sich zu, eine Tatsache, die den Butler bereits stutzig werden ließ. Kunden in Geschäften solcher Klasse wurden an die Tür geleitet. Und zudem öffnete man ihnen überhöflich die Tür, auch dann, wenn nichts gekauft wurde. Parker blieb also unwillkürlich stehen und sah der älteren, wirklich netten Dame nach, die auf ein Taxi zuschritt und umständlich darin Platz nahm.

      Die Tatsache, daß ein freies Taxi auf einen Kunden wartete, ließ den Butler nun zusätzlich stutzig werden. Ein freies Taxi um diese späte Zeit, das war so etwas wie ein Wunder.

      Als das Taxi sich in Bewegung setzte, stürzte eine hellblonde, etwas zu sehr aufgemachte Verkäuferin aus dem Geschäft und schrie mit leicht erstickter Stimme um Hilfe. Danach brach sie in sich zusammen und blieb auf der Türschwelle liegen.

      Parker war alarmiert.

      Die Hellblonde oder das Taxi! Er mußte sich entscheiden. Und Parker entschied sich, zumal die ersten Passanten bereits auf die junge Verkäuferin zuliefen, um ihr erste Hilfestellung zu leisten.

      Das Taxi hatte weiter Fahrt aufgenommen und hielt genau auf den Butler zu, der sich am Straßenrand aufgebaut hatte und den Wagen mit seinem Universal-Regenschirm mehr als energisch abwinkte.

      Der Taxifahrer scherte sich nicht daran. Für den Bruchteil einer Sekunde konnte der Butler in das Gesicht des Fahrers sehen. Ein glattes, volles, nichtssagendes Gesicht unter einer tief in die Stirn gezogene Mütze.

      Im Fond des Wagens saß jene nette, ältere Dame mit dem Kapotthütchen auf dem Kopf. Sie beschäftigte sich mit ihrer Handtasche und schien das energische Abwinken überhaupt nicht mitbekommen zu haben. Parker trat, um seinem Winken Nachdruck zu verleihen, etwas auf die Fahrbahn hinaus, mußte sich aber fluchtartig zurückziehen, um nicht angefahren zu werden. Das Taxi rauschte an ihm vorbei.

      Parker wurde unwillig, was ihm nicht oft passierte. Instinktiv ahnte er einen gewissen Zusammenhang zwischen der ohnmächtig gewordenen Verkäuferin und der alten Dame im Taxi. Um jene ältere Dame zu befragen, mußte er das Taxi stoppen. Schießen war unmöglich. Einmal, weil gewisse Beweise fehlten und er auf keinen Fall einen gefährden konnte. Zum anderen aber fehlte ihm seine Schußwaffe. Er hatte auf sie verzichtet,