Günter Dönges

Butler Parker 119 – Kriminalroman


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sich erstaunlich rüstig und kraftvoll die Böschung hinauf. Hinter einem mannshohen Wacholderstrauch, der vom Sturm gepeitscht wurde, ging sie in Deckung.

      »Gleich wird sich hier was tun«, flüsterte sie Kathy ins Ohr, mit einer Lautstärke, die recht beachtlich war. Lady Simpson schwenkte unternehmungslustig ihren perlenbestickten Pompadour, der ihren Glücksbringer enthielt, nämlich ein echtes Hufeisen, das nur recht oberflächlich mit dünnem Schaumstoff umwickelt war.

      Kathy konnte sich wirklich nicht vorstellen, was sich hier noch tun sollte, doch sie nahm die Gelegenheit wahr, sich vor dem Sturm zu schützen. Sie baute sich dicht neben Lady Simpson auf, die sich vom Unwetter überhaupt nicht beeindrucken ließ. Ihr schien dieses Intermezzo außerordentlich zu gefallen.

      Kathy Porter wunderte sich wieder einmal über den Sportsgeist und die Form der älteren Dame, die ihr Alter stets vage mit annähernd sechzig angab. Lady Agatha Simpson war eine immens vermögende Frau, die sich jede Extravaganz leisten konnte und dies auch genußvoll tat.

      Mit dem Blut- und Geldadel der Insel verschwistert und verschwägert, hätte sie sich ein luxuriöses und bequemes Leben leisten können. Aber nein, Lady Simpson gab sich voll und ganz ihrer Leidenschaft als Amateurdetektivin hin und jagte Gangster aller Kaliber. Seitdem Josuah Parker in ihren Diensten stand, war Lady Agatha ungemein erfolgreich geworden.

      Sie betrachtete all diese gelösten Fälle als Studien für einen großen Kriminalroman, den sie eines Tages schreiben wollte. Sie hatte es sich in den Kopf gesetzt, eine gewisse Agatha Christie in den Schatten zu stellen. Sie träumte von einem Bestseller und neuerdings auch noch von einem Bühnenstück.

      Natürlich hatte sie sich jetzt wieder etwas eingeredet. Kathy Porter glaubte nicht einen Moment lang daran, daß sich dort unten an Parkers hochbeinigem Monstrum etwas tat. Wer sollte das sein? Wer wußte denn überhaupt von dieser Ausfahrt nach Südwales? Eines war sicher, während der ganzen Fahrt waren sie nicht beschattet und verfolgt worden. Der Zwischenfall mit dem Lastwagen konnte nur ein unglücklicher Zufall gewesen sein.

      Kathy fuhr aus ihren Gedanken hoch, als Lady Simpsons Ellbogen ihr einen derben Knuff in die Seite versetzte. Sie deutete mit majestätischer Geste auf die Böschung.

      Nicht weit von ihnen erkannte Kathy Porter nun tatsächlich zwei dunkle Schatten, die sehr vorsichtig auf den Wagen zuhielten. Der Widerschein des brennenden Lastwagens lieferte ausreichend Licht, um deutlich zu erkennen, daß diese beiden Gestalten nicht gekommen waren, um den Insassen des Wagens ihre Hilfe anzubieten.

      Die beiden Gestalten rutschten die Böschung hinunter, durchschritten den Graben und näherten sich jetzt langsam dem Wagen. Ihre Gesichter waren leider nicht zu erkennen, weil sie geschwärzt waren.

      Jetzt wurde Lady Simpson aktiv.

      Sie hatte sich bereits gebückt und wog einen ansehnlichen Stein in ihrer rechten Hand. Dann holte sie weit aus und schleuderte das Wurfgeschoß auf die beiden Gestalten.

      »Treffer!« stellte sie zufrieden fest. Sie übertrieb dabei keineswegs. Kathy erkannte recht deutlich, daß eine der beiden Gestalten plötzlich stehenblieb und dann in die Knie sackte. Die zweite Gestalt drehte sich um, starrte in die Dunkelheit, bückte sich und langte nach dem Getroffenen.

      »Gibt’s denn hier nicht mehr Steine?« schimpfte Lady Agatha. Sie hatte sich gebückt und suchte nach einem weiteren Wurfgeschoß. Als sie ein geeignetes gefunden hatte, schleifte die Gestalt den Getroffenen gerade hinter Parkers Wagen.

      »Sie bleiben hier, Kindchen!« Lady Simpson schüttelte grimmig den Kopf, als Kathy Porter sich in Bewegung setzen wollte. Kathy, äußerlich zwar mit einem scheuen Reh zu verwechseln, war aber in Wirklichkeit eine erfahrene Einzelkämpferin, die sich in Judo und Karate sehr gut auskannte.

      »Ich könnte sie noch erwischen«, gab Kathy zurück.

      »Und Sie könnten getroffen werden, Kindchen!« Nein, Lady Simpson war dagegen, daß Kathy sich in Gefahr begab. Sie wußte zu genau, wie weit man in bestimmten Situationen gehen durfte.

      *

      »Endlich, meine Liebe. Ich bin ja so glücklich.«

      Lady Dorothy Wolverton war eine schmale, zerbrechlich wirkende Frau von etwa achtundfünfzig Jahren. Sie machte einen nervösen und gehetzten Eindruck, der sich in ihren großen, ausdrucksvollen Augen deutlich widerspiegelte.

      Sie empfing ihre Gäste in der großen Halle von Wolverton House, einem weiträumig angelegten, zweistöckigen Prachtbau, der mit Erkern und Spitztürmen förmlich übersät war.

      Wolverton House war eine altehrwürdige Schloßanlage, die man im Laufe der Zeit immer wieder erweitert hatte. Das riesige Gebäude lag inmitten eines großen Parks, wie man ihn sich nur erträumen konnte. Selbst bei Mondlicht war der Reiz dieser Anlage einfach überwältigend.

      Das schreckliche Unwetter hatte inzwischen merklich nachgelassen. Selbst der Mond traute sich jetzt hinter den Wolken etwas hervor. Es regnete nur noch sanft.

      »Du scheinst mit den Nerven ziemlich herunterzusein«, stellte Lady Simpson fest und musterte ihre Schwägerin ungeniert. Die beiden Damen hatten sich nur selten gesehen, weil sie sich nicht ausstehen konnten, daher konnte auch von besonderer Herzlichkeit keine Rede sein.

      »Du weißt ja nicht, Agatha, was ich hier mitmache«, seufzte Lady Dorothy auf. »Aber davon später mehr. Ihr habt euch verspätet, nicht wahr?«

      »Um ein Haar wären wir überhaupt nicht mehr angekommen.« Lady Simpson nickte grimmig.

      »Wieso, was ist denn passiert?«

      »Man wollte uns umbringen«, stellte Lady Agatha fest. »Nur durch meine Geistesgegenwart sind wir noch einmal davongekommen.«

      »Schrecklich, Agatha. Bist du dir auch völlig sicher?« Lady Dorothy war sichtlich irritiert.

      »Und ob ich sicher bin, meine Liebste. Diesen Subjekten werde ich schon noch den Marsch blasen. Wo sind meine Räume?«

      »Ich habe für dich im Ostflügel eine Suite herrichten lassen. Dein Personal wohnt im Küchenanbau.«

      Lady Dorothy musterte Butler Parker und Kathy Porter mit einem flüchtigen, neutralen Blick. Zu Angestellten schien die Dame des Hauses Distanz zu halten.

      »Du irrst dich, meine Liebe.« Lady Simpson schüttelte den Kopf. »Miß Porter wohnt bei mir. Und Mister Parker hätte ich ebenfalls gern in meiner Nähe.«

      »Für das Personal gibt es aber recht nette Zimmer, meine Liebe.« Lady Dorothy sah ihre Schwägerin sehr erstaunt an.

      »Vielen Dank, Mylady.« Parker deutete Lady Wolverton gegenüber eine Verbeugung an, um dann Lady Agatha mit einem kurzen Blick zu streifen. Sie verstand sofort. Parker wollte im Ostflügel einquartiert werden, um in der Nähe des Personals zu sein.

      »James wird Ihnen Ihre Zimmer zeigen.« Lady Dorothy nickte hoheitsvoll und wandte sich zu einem etwa dreißigjährigen Mann um, der einen drahtigen, energischen Eindruck machte. »Das ist übrigens James Cortlay, mein Verwalter.«

      »Schön, und wo ist das Gespenst?« erkundigte sich Lady Simpson burschikos. »Ich hoffe, du hast mich nicht wegen einer Lappalie in diese Wildnis gelockt.«

      »Bitte, Agatha, nicht so laut.« Lady Dorothy warf einen scheuen Blick in die Runde und schien sich zu ängstigen. »Nimm diese Sache nur nicht auf die leichte Schulter. Beim Tee werde ich dir alles weitere erzählen.«

      »Man wollte Sie umbringen, Mylady?« schaltete sich Verwalter James Cortlay ein.

      »Unsinn«, gab Lady Simpson grimmig zurück. »Man hat nur ein wenig mit uns gespielt und uns rösten wollen. Aber das soll man nicht überbewerten.«

      »Nun verstehe ich überhaupt nichts mehr, meine Liebe«, beschwerte sich Lady Dorothy unsicher. »Dein Humor ist immer noch so eigenartig wie früher. Wie soll man sich da nur zurückfinden.«

      Bevor Lady Agatha Simpson antworten konnte, war irgendwo im Obergeschoß ein greller Schrei zu vernehmen, der von Klirren und Scheppern