Thomas Röper

SPIEGLEIN politisches Jahrbuch 2020


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BIP verschuldet. Die Schulden weltweit liegen aber im Schnitt bei wie gesagt 318 %. Griechenland stand im Vergleich noch richtig gut da, war aber in Wahrheit pleite.

      Natürlich bedeuten die weltweit 318 % im Durchschnitt, dass es einigen besser geht. Aber einigen geht es eben auch noch schlechter, wobei ich mir kaum vorstellen kann, wie das aussehen soll. Und dieser Schuldenberg wächst sogar dann, wenn niemand neue Schulden macht, und zwar dank der Zinsen und Zinseszinsen. Ein Ausweg ist quasi unmöglich. Das sieht man daran, dass die Gesamtschulden der Welt bei 244 Billionen liegen und seit 2016 sogar um 12 % gestiegen sind. Solange die Wirtschaft kräftig wächst, bleibt der Wert von 318 % einigermaßen stabil, aber sobald es eine kleine Krise gibt, wird das komplett aus dem Ruder laufen. Und Krisen gehören nun einmal zu Wirtschaft dazu, es gab sie immer und wird sie immer geben.

      Es gibt im bestehenden Wirtschafts- und Finanzsystem keinen Ausweg: Die Schulden werden weiterwachsen und es wird früher oder später zu einer Pleitewelle kommen müssen, denn irgendwann wird es schlicht unbezahlbar. Und eine solche Pleitewelle wird, wenn sie beginnt, wie ein Sturm über die Erde ziehen, denn die ersten Pleiten werden dazu führen, dass Menschen arbeitslos und damit ebenfalls pleite sind. Firmen verlieren Geschäftspartner, und Kunden, die kein Geld mehr haben, werden ebenfalls pleitegehen. In dem Augenblick, wo diese Welle beginnt, wird sie sich aus sich selbst heraus immer mehr verstärken.

      Staaten haben einen Ausweg: Sie können ihre Währung abwerten, aber eine daraus folgende Megainflation würde der Wirtschaft den Todesstoß versetzen und dazu führen, dass niemand mehr Geld haben will, sondern Ware. Man wird tauschen müssen, wenn der Bäcker kaum weiß, ob er von den heutigen Einnahmen morgen auch wieder die Zutaten kaufen kann, die er braucht, um morgen wieder Brot zu backen.

      Unsere Großeltern kennen das noch aus der Nachkriegszeit, als das deutsche Geld wertlos war, der Schwarzmarkt blühte und die wahre Währung in Deutschland Zigaretten waren – und nicht wertloses buntes Papier.

      Ein solches Szenario ist fast unabwendbar, wie jeder mit einem bisschen mathematischen Verstand schnell versteht. Mehr noch: Es hätte eigentlich schon bei der Finanzkrise von 2008 eintreten müssen, und es wurde nur verhindert, indem Zentralbanken und die Staaten mit gigantischen Summen eingegriffen haben. Und sie tun es noch heute. Monat für Monat pumpen die Zentralbanken Milliarden in die Märkte, um die Folgen der Krise von 2008 abzufedern. Sie ist also keineswegs vorbei, wie viele denken, sie wurde nur mit viel neu geschaffenem Geld verdeckt – und mit neuen Schulden.

      Aber wenn nun eine neue Krise kommt, ist dieses Mittel ausgeschöpft, denn die Zentralbanken können die Zinsen kaum weiter senken, und ob noch mehr frisches Geld die Krise abfedern kann, ist fraglich. Die Mittel der Staaten und Zentralbanken zum Kampf gegen eine solche Krise sind wohl weitgehend erschöpft, zumindest habe ich noch von keinem Experten gehört, welche es noch geben könnte.

      Diese Dramatik sehen aber nur Experten deutlich: Der normale Leser wird den kleinen Artikel im Spiegel, der diese explosive Information enthielt, wohl nicht einmal gelesen haben.

      So war es auch 2008: Zuerst sprachen die Experten über die Probleme, es gab entsprechende Artikel in den Medien, solche wie diesen im Spiegel. Nur hat es niemanden interessiert. Aber trotzdem nahm die Zahl der überschuldeten amerikanischen Hausbesitzer zu. Und als immer mehr Häuser über Zwangsversteigerungen auf den Markt kamen, brachen die Immobilienpreise ein. Das bedeutete, dass auch Kunden, denen es noch gut ging, plötzlich in Häusern wohnten, die weniger wert waren als die aufgenommene Hypothek. Und als die Banken neue Sicherheiten forderten, die die Leute nicht hatten, wurden ihnen die Kredite gekündigt, und auch sie waren plötzlich hoch verschuldet, aber ohne Haus. Und so nahm die Krise aus sich selbst an Kraft zu.

      So verlaufen Krisen, es ist immer das gleiche Muster. Die Frage ist also, wann die aktuellen 318 % Schulden der Wirtschaftsleistung beginnen, uns um die Ohren zu fliegen. Nach einem gemächlichen Beginn wird es – genau wie 2008 – an einem Morgen plötzlich ganz schnell gehen.

      Niemand weiß, wann es passiert, nur dass es passiert, ist mathematisch sicher, solange das System aus Zins und Zinseszins dafür sorgt, dass die Schulden auf jeden Fall weiter wachsen.

      Und noch eines ist sicher: Die Schulden des einen sind das Vermögen eines anderen. Wenn Sie ein Haus kaufen und den Kredit nicht bezahlen können, dann gehört das Haus der Bank. Man darf also erwarten, dass bei einer solchen Krise die einen das verlieren, was sie auf Kredit gekauft haben und die anderen es bekommen. Es steht eine unglaubliche Umverteilung von Eigentum bevor, was bedeutet, dass es Profiteure einer solchen Entwicklung geben wird. Und wo Profiteure sind, das zeigt die Geschichte, da gibt es Leute, die die entsprechende Situation herbeiführen wollen.

      Ganz gleich, ob unser Finanzsystem diese Krise überlebt oder ob danach ein neues Finanzsystem entsteht, das Eigentum wird neu verteilt sein.

      Niemand weiß, wann das eintritt. Man weiß auch nicht, ob die Staaten und Banken noch einmal, wie 2008, einen Weg finden, die ganz große Katastrophe zu verhindern, aber auf lange Sicht ist dieses System nicht zu retten.

      Russland hat übrigens auf diese Entwicklung anders reagiert als der Westen. Wie gesehen stellt Russland seine Reserven um und fördert auch, dass die privaten Verbraucher ihr Geld in Edelmetallen wie Gold anlegen können.

      Da der russische Rubel seit 1998 zweimal stark an Wert verloren hat – zuletzt ist er Ende 2014 stark gefallen ¬–, halten viele Russen größere Summen nicht in Rubel, sondern in Euro oder Dollar. Das ist in Russland kein Problem, denn man kann bei jeder Bank Konten und Sparpläne in Fremdwährungen einrichten. Die russische Regierung möchte auch hier die Abhängigkeit vom Dollar reduzieren und hat den Kauf von Gold von der Mehrwertsteuer befreit. Die Diskussionen darüber begannen im Februar 2019, und schon im Sommer ist das entsprechende Gesetz in Kraft getreten. Heute sieht man in jeder Bank nicht nur die Wechselkurse für Währungen, sondern auch, zu welchem Preis man heute Gold kaufen kann.

      Mit der Streichung der 20 % Mehrwertsteuer auf Goldkäufe wurde das Edelmetall plötzlich als Investition für Privatpersonen in Russland interessant.

      Die Tendenz, dass sich immer mehr Länder vom Dollar abwenden, ist für die USA ein großes Problem. Sollte das internationale Vertrauen in den Dollar weiter zurückgehen, werden die USA irgendwann ihr Staatsdefizit nicht mehr aufrechterhalten können. Dass die USA so massiv auf Pump leben, funktioniert nur, solange der internationale Handel in Dollar abläuft. Aber Russland verkauft sein Öl und Gas kaum noch gegen Dollar, und viele andere Länder folgen dem Beispiel und rechnen in ihrem Handel direkt in ihren eigenen Währungen miteinander ab, ohne den Umweg über den Dollar als Verrechnungseinheit. Und wie der Zufall es will, sind all jene Länder, die den Dollar ablehnen, auch die Länder, die die USA zum Feind erklärt haben und die in den deutschen Medien dämonisiert werden. Natürlich liest man in diesem Zusammenhang in den „Qualitätsmedien“ nie etwas über den Dollar, angeblich geht es immer um Menschenrechte und Demokratie.

      Das galt für Libyen unter Gaddafi und für den Irak unter Saddam. Und es gilt für Syrien, Venezuela und Russland, um nur die wichtigsten zu nennen.