dagegen tun können. Der Gang der Dinge ist nicht aufzuhalten.» Walter Kamm ist vielleicht irgendwie ein Fatalist. Der Mensch bekomme noch «eins grauenhaft auf den Näggel». Äusserungen, die er nach sechs Stunden Interview von sich gibt.
Langsam steigen wir die Treppen seines im vierten Stock liegenden Büros hinab. Und ohne es zu merken, spricht er weiter – über die Menschheit, über unsere Erdkugel, die er immer als Ganzes betrachtet; er tut eine faszinierende Weltanschauung kund. Und als wir unten, auf dem vor Auffahrt abends um halb acht wie leergefegten Rennweg, ankommen, spricht er noch immer. Er hätte noch gerne weiterdiskutiert.
Bereits 50 Meter von der Eingangstür und Verabschiedung entfernt, entgegnet er auf meine Bemerkung hin, wir würden ihn wieder besuchen, er würde uns dann noch das letzte Paradies auf Erden verraten. Er möchte uns noch eine Freude machen, denke ich, er ist beseelt davon, und er tut es mit dem «Weitergeben des Planeten Erde» … Eigentlich würde ich dieses letzte Paradies auf Erden schon gerne sehen. Ich muss ihn wieder besuchen, diesen Menschen. – Sein Erfolg? Ja und nein. Sein Ich, seine Art zwingt den Erfolg an seine Seite.
Wie ist Globetrotter entstanden?
Im Frühling 1974 führte ich eine Vortragsreihe für die Migros-Klubschulen über meine jahrelangen Abenteuerreisen durch. Schon in den darauffolgenden Monaten hatte ich die Idee, einen Club zu gründen, der bereits damals den Namen «Globetrotter» trug. Dank meiner Tätigkeit wuchs der Club sehr schnell auf mehrere Hundert Mitglieder an.
Im Sommer 1975 reiste ich wieder für einige Monate ins Ausland: nach Ladakh (Westtibet). Wieder zurück, führte ich die Vortragsreihe mit grossem Erfolg auf eigene Faust weiter. Im Frühling 1976 hörte ich aber auf damit und begann für kleine Gruppen Reisen zu organisieren, die ich jeweils selbst begleitete. Nebenbei beriet ich viele Reisefans, gab Tipps übers Reisen auf eigene Faust und begann, die ersten alternativen Reiseführer zu verkaufen. Vor allem betreute ich auch die Clubmitglieder. Die Gespräche waren aber überhaupt nicht verkaufsorientiert.
Heisst das, Sie hätten dabei nichts verdient?
Ja. Oftmals wollte man mir für die Beratung Geld geben, das ich aber nie angenommen habe. Im Übrigen spielte sich das anfangs in meiner Wohnung ab.
Zu welchem Zeitpunkt sind Sie professionell ins Reisegeschäft eingestiegen?
Die erste richtig professionelle Handlung war der Einstieg in den Flugticketverkauf. Über lange Zeit hin habe ich den Reisefans jeweils nur Adressen von Graumarkt-Ticketverkäufern im Ausland mitgeteilt. Im Sommer 1976 begann ich dann, die Tickets selbst zu verkaufen, was den ersten Schritt in Richtung des heutigen Globetrotter Travel Service darstellte.
Wann haben Sie die Firma Globetrotter, die ja eine Aktiengesellschaft und Ihr Eigentum ist, gegründet?
Das geschah in zwei Stufen. Zunächst liess ich die Einzelfirma Globetrotter-Service Walter Kamm eintragen. Mit dieser Gesellschaftsform habe ich bis zum 31. Dezember 1980 gearbeitet. Auf dieses Datum gründete ich dann die Globetrotter Travel Service AG …
Geld einschiessen, AG gründen und dergleichen – entspricht Ihnen gar nicht so recht …
Ich wurde quasi dazu gezwungen. Ab Frühling 1980 erlebte ich einen unglaublichen Boom. Die Kunden haben mich scharenweise «heimgesucht». Während dieser Zeit musste ich ständig neue Mitarbeiter suchen. Das Wachstum war unglaublich. Deshalb wurde das Risiko ohne neue Regelung der Gesellschaftsform viel zu gross. Zudem ist eine Aktiengesellschaft meines Erachtens die einzig zeitgemässe Form für ein Reiseunternehmen dieser Umsatzgrösse.
Wir hätten in Ihrem Falle eigentlich eher eine Genossenschaft erwartet.
Wieso auch nicht? Trotzdem finde ich die AG als die Gesellschaftsform, die am praktischsten ist. Was aber unsere Arbeitsweise und den internen Kommunikationsfluss anbelangt, arbeiten wir eher wie eine Genossenschaft. Die Mitarbeitenden haben in allen Fragen ein Mitspracherecht, das in der Praxis sogar als Mitbestimmungsrecht bezeichnet werden könnte. Viele Entscheide fälle ich aufgrund von Empfehlungen meiner Mitarbeiter. Ist die Mehrheit gegen etwas, respektiere ich das und verzichte darauf.
Sind Sie politisch aktiv, waren Sie zum Beispiel schon einmal an einer Demo?
Natürlich war ich schon an vielen wichtigen Demos anzutreffen, doch stehe ich als ausgeprägter Individualist keiner politischen Partei nahe. Wer mich unbedingt einordnen will, findet mich eher links von der Mitte, am ehesten in der Gegend der Grünen. Das kommt einfach daher, dass ich sehr bewusst lebe und mir Gesellschafts- und Umweltprobleme sehr nahe gehen.
Führt man sich einerseits Ihre Person, andererseits Ihr Unternehmen vor Augen, fragt man sich, ob Sie ein guter Seiltänzer seien: auf der einen Seite ein grosser Idealist, auf der anderen Seite ein knallharter Geschäftsmann und Kapitalist.
Das verstehe ich nicht recht. Ich mache doch einfach meine Arbeit. Ich wollte ja gar nie eine Firma und möchte eigentlich auch heute noch keine. Ich möchte nie ein zweiter Kuoni werden. Ich und wir alle in unserem Unternehmen wollen beraten. Sie sollten die Leute sehen, denen wir in zwei und noch mehr Stunden eine Reise aufzeigen, sie durch die Welt führen, wie diesen Leuten das Herz aufgeht. Wir sehen jeden Tag viele glückliche Kunden, deren Augen vor Freude und Erwartung leuchten. Das ist der Inhalt unserer Arbeit und nicht das Geldverdienen.
Sie haben heute drei Verkaufsbüros und eine eigene Zeitschrift, mit der Sie Ihre Produkte verbreiten können. Dem von Ihnen geführten Club gehören über 5000 Mitglieder an. Ein Markt, in den Sie einfach hineingerutscht sind?
Ich höre Worte wie «Markt» oder «Produkte» nicht sehr gerne. Die Nachfrage hat sich einfach derart gesteigert, dass wir heute zwangsläufig so gross geworden sind. Der Ticketverkauf ist ja nicht unsere Hauptaufgabe. Unsere Hauptdienstleistung ist die Beratung. Und da sind wir offenbar auf fruchtbaren Boden gestossen. Dass die Kunden mit jemandem, der eine grosse Erfahrung hat, ausgiebig ihre Reisepläne besprechen wollen, scheint ein grosses Bedürfnis zu sein.
Haben Sie nicht Angst, Sie könnten eines Tages die Beratung in der heutigen Form nicht mehr gewährleisten, da Ihr Geschäft zu gross geworden ist und Sie deshalb auf harte Zahlen angewiesen sein werden?
Nein. Fast alle Reisefans, die zu uns kommen, betrachten wir als Freunde oder zumindest Wesensverwandte. Wir kennen praktisch alle unsere Kunden, sie kennen uns. Wir rücken schon deshalb von unserer Grundidee, mit Hirn und Herz voll auf jeden Reisefan einzugehen, keinen Millimeter ab.
Dieser Idee sind doch Grenzen gesetzt. Zum Beispiel dann, wenn jemand aus ihrer Mannschaft am Beraten ist und dahinter vier Personen warten, die auch auf Reisen möchten.
Dann warten diese eben oder «müssen» später wieder zu uns kommen.
Sie haben letztes Jahr zwei Filialen eröffnet. Eine in Bern, eine in Basel. Ihre Argumente für die Beratung könnten aber eines Tages doch zu schwach werden. Nämlich dann, wenn, wie schon angesprochen, die Fixkosten wegen des Wachstums dauernd steigen.
Dann könnten wir wieder redimensionieren. Wir werden nie von unseren Grundprinzipien abrücken. Die beste Gewähr dafür ist, dass unsere Berater in keiner Weise kontrolliert werden. Niemand weiss, wer wie viel verkauft, es werden weder personalisierte Statistiken noch irgendwelche ominösen Listen geführt. Ich muss Ihnen aber insofern recht geben, als dass wir auch schon hörten, früher, als der Laden noch kleiner war, sei man besser bedient worden. Dem ist aber bestimmt nicht generell so. Wir können heute dank unserer Grösse umfassendere Beratung und wesentlich mehr Dienstleistungen anbieten als früher.
Grösse ist nicht schlecht?
Auf keinen Fall. Gross a priori mit schlecht gleichzusetzen, ist eine allzu simple Vereinfachung. Man muss den individuellen Fall genau ansehen. Ein grösseres Team hat insgesamt