Remo Kroll

Frauenmorde


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Blutzucker, Urinstatus und Luesseroreak­tionen, waren unauffällig beziehungsweise negativ. Eine durchgeführte Schädelröntgenaufnahme ergab keine pathologischen Befunde, und im Elektroenzephalogramm zeigte sich ein normales Hirnstrombild ohne Hinweise auf akutes krankhaftes Geschehen. Bei Switalla konnte also keine cerebrale Schädigung nachgewiesen werden. Es war aus der Vorgeschichte lediglich bekannt, dass sein Vater auffallend nervös war, sofort bei allen Missstimmungen losbrüllte und seine Ehefrau schlug.

      In seinem Gesamtverhalten zeigte Switalla keine Auffälligkeiten, jedoch war er in seinem Affektverhalten inadäquat. Das Ableben von Inge Schubert und Ursula Kaschube ließ ihn völlig kalt, während er zum Tod seiner Frau angab, dass es ihn noch immer mit Genug­tuung erfülle, sie ermordet zu haben.

      Switalla betrachtete seine Situation als sinn- und hoffnungslos. Er habe ohnehin die Absicht gehabt, sich zu töten, und dieses Vorhaben noch nicht aufgegeben. Ihn interessiere lediglich das Ergebnis des Gutachtens und der Hauptverhandlung.

      Bei ihm wurden auch keine Störungen der Bewusstseinslage festgestellt. Seine Aufmerksamkeit war intakt, die zeitliche, örtliche und personelle Orientierung stets uneingeschränkt gegeben, so die Gutachter. Für Wahn- und Denkstörungen fanden sich ebenso wie für Halluzinationen oder Illusionen keine Hinweise. Weiterhin konnten keine formalen oder inhaltlichen Denkstörungen festgestellt werden. Außerdem besaß Switalla eine gut ausgebildete Selbstkritik. Das Gedächtnis von ihm war vorzüglich, insbesondere was die Ereignisse vom 13. und 14. Februar 1969 betraf. Es fanden sich bei ihm keine Anzeichen für eine zeitweilig oder dauernd krankhafte Störung der Geistestätigkeit oder eine Bewusstseinsstörung. Er wurde noch einmal ausführlich zu seiner Motivation hinsichtlich seiner Taten befragt und äußerte kurz und knapp: »Und da ich ohnehin aus dem Leben scheiden wollte, war mir sowieso alles egal, alles gleichgültig, und ich bin deshalb zu den beiden Frauen gegangen, und es klingt zwar makaber, aber es sollte gewissermaßen eine Probe sein.«

      Zu Inge Schubert und Ursula Kaschube hatte Hilmar Switalla innerlich kein Verhältnis, sie waren für ihn bedeutungslos. Im Unterschied dazu habe er seine Frau Rosemarie geliebt. Er teilte den psychiatrischen Gutachtern mit:

      »… und wenn ich sie nicht so geliebt hätte, wäre es mir egal gewesen, und ich hätte sie nicht getötet, aber sie sollte keinem anderen gehören, und außerdem wollte ich ja gemeinsam mit ihr sterben (…) Die K. und die Sch. betrachtete ich eben mehr als eine Art Versuchsobjekte, denn ich hatte ja nur das eine Ziel, meine Frau zu töten und dann mich (…) Ich glaube nicht, dass ich dabei zielstrebig vorgegangen bin, d. h., töten wollte ich sie, die K. und die Sch., dessen war ich mir absolut bewusst und auch warum ich sie töten wollte (…) Endziel war die Tötung meiner Frau (…) Während der beiden Tatvorgänge bei den beiden anderen Frauen, wie soll man sagen, handelte ich rein mechanisch, ohne etwas zu empfinden, währenddessen ich bei der Tötung meiner Frau Glücksgefühle verspürte. Die Glücksgefühle verspürte ich deshalb, weil ich jetzt mit Sicherheit wusste, dass sie nunmehr keinem anderen Mann mehr gehören kann, das hat mich befriedigt.«

      Die Gutachter erläuterten in der Diskussion und rechtlichen Beurteilung, dass man bei oberflächlicher Betrachtung meinen könnte, dass es sich im Fall von Hilmar Switalla um Schizophrenie oder Psychopathie mit den Erscheinungsformen des Sadismus oder sexu­eller Perversionen handeln könnte. Der Fall zeige jedoch, dass die Tötung eines Menschen, auch unter solch grausamen Begleitumständen, nicht grundsätzlich einen geisteskranken Täter voraussetzt.

      Im Gutachten wurde noch einmal auf die Diagnosen des Städtischen Krankenhauses Wuhlgarten und des St. Joseph Krankenhauses eingegangen. Beide Male wurden bei Hilmar Switalla keine krankhaften Störungen der Geistestätigkeit oder Bewusstseinsstörungen festgestellt. Er wurde stets als Psychopath eingeschätzt. Dieser Diagnose schlossen sich die Gutachter an. Sie kamen zu dem Schluss, dass Psychopathie kein Krankheitsvorgang, sondern eine von der sogenannten Norm abweichende psychische Veranlagung sei. Dabei verwiesen die Gutachter ausdrücklich auf die psychiatrische Fachliteratur.

      Bei Hilmar Switalla lag eine abnorme Entwicklung der Persönlichkeit vor, jedoch fanden sich keinerlei Gründe zur Anwendung des Paragraphen 15 StGB der DDR, der die Zurechnungsunfähigkeit regelte.

      Die Gutachter kamen insgesamt zu der Einschätzung, dass er ein erregbarer, unbeherrschter, explosi­bler und zu demonstrativen Verhaltensweisen neigender Mensch war. Seine vorhandenen Minderwertigkeitskomplexe oder Selbstunsicherheiten überspielte er, indem er kraftmeierisch und renommiersüchtig auftrat. Er war aggressiv, jähzornig, herrschsüchtig und verfolgte zutiefst egoistische Ziele. Er wiese antisoziale, zum Teil auch dissoziale Tendenzen auf. Der ihm zur Last gelegte Dreifachmord war deutlich mit Elementen des Sadismus, der sexuellen Perversion und absoluter Gefühlskälte behaftet. Eine Psychopathie stelle keine zeitweilig oder dauernd krankhafte Störung der Geistes­tätigkeit und auch keine Bewusstseinsstörung dar. Die Anwendung des Paragraphen 15 Absatz 1 StGB der DDR war deshalb ausgeschlossen, ebenso entfiel die Anwendung von Paragraph 16 StGB der DDR. Die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit war bei seinen strafbaren Handlungen vorhanden. Man kam zum Ergebnis: »Die Art und Weise der Durchführung seines Vorhabens entspricht so recht seinem abnormen Charakter, ist von sadistischen, brutalen, kaltblütigen, unglaublich egoistischen, antisozialen, demonstrativ-hysterischen Elementen getragen.«

      Bei den von Switalla in seinen Vernehmungen erwähnten eigenartigen oder sonderbaren Zuständen bei der Tatausführung handelte es sich nach Meinung der Gutachter um automatische Handlungen, die in klarer Ausbildung bei demonstrativ-hysterischen Psycho­pathen in nicht allzu häufiger Form auftreten. Eine psychologische Erklärung für die sektionsartige Schnittführung könne im Zusammenhang mit seiner früheren Tätigkeit als Sektionsgehilfe stehen – einem sogenannten Blutrausch, der jedoch keinen Einfluss auf die Frage seiner Zurechnungsfähigkeit habe.

      Zusammenfassend kamen die Gutachter zu folgendem Schluss: »Wir konnten aber trotz des Charakters der Delikte, aber sehr wohl aufgrund ihrer Planung und Motivierung, den besonderen Tatumständen, aufgrund der Durchführung und Absicherung, noch dazu bei der Berücksichtigung des Zeitfaktors, und des Rechtsverständnisses, wie bei der vorhandenen allseitigen Orien­tierung und Erinnerungsfähigkeit des Täters, keinen Krankheitswert zur Zeit der Tat feststellen, wie ein solcher auch früher nicht vorlag.«

      Eine verminderte Zurechnungsfähigkeit zum Zeitpunkt der Tat nach Paragraph 16 Absatz 1 StGB der DDR wurde ausgeschlossen. Hilmar Switalla war somit für seine Taten voll verantwortlich und stellte nach Auffassung der Gutachter eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar.

      Am 8. August 1969 wurde durch den Generalstaats­anwalt von Groß-Berlin die Anklageschrift an das Stadtgericht übersandt. Die Staatsanwaltschaft klagte Hilmar Switalla an, in Berlin am 14. Februar 1969

      – um circa 0.30 Uhr die 46 Jahre alte Frau Inge Schubert in ihrer Wohnung,

      – um circa 1.30 Uhr die 38 Jahre alte Frau Ursula Kaschube in ihrer Wohnung,

      – um circa 14 Uhr seine 28 Jahre alte Ehefrau Rosemarie Switalla, die vom Beschuldigten getrennt lebte, in ihrer Wohnung

      durch Würgen in Bewusstlosigkeit versetzt und mittels Messerstiche in das Herz und schwersten Schnittverletzungen am Körper vorsätzlich getötet zu haben.

      Der Rechtsanwalt von Hilmar Switalla beantragte am 21. November 1969 zur Beurteilung der Frage, ob bei seinem Mandanten die Voraussetzungen der Paragraphen 15 und 16 des StGB der DDR vorlagen, ein psychiatrisches Zweitgutachten einzuholen. Switalla war gemäß Anklagevorwurf voll geständig, und somit hing seine Verurteilung ganz wesentlich vom psychiatrischen Gutachten ab.

      Der Rechtsanwalt machte auf Mängel im vorliegenden Gutachten aufmerksam. Dies betraf die Auswahl der Sachverständigen, Einwände gegen die Arbeitsweise des Gutachters, Einwände gegen Tatsachen, die im Gutachten nicht bewertet wurden, und Einwände gegen tatsächliche Feststellungen oder Wertungen des Gutachtens.

      Die Staatsanwaltschaft stimmte dem Antrag der Verteidigung zu, worauf das Gericht die Einholung eines Zweitgutachtens anordnete. Dieses sollte unter kritischer Würdigung des Erstgutachtens und des vorliegenden Aktenmaterials die Frage beantworten, ob zum Zeitpunkt der Entscheidung und der Ausführung jeder Einzelhandlung Switalla die Fähigkeit besaß,