Patricia Vandenberg

Mami Jubiläum 9 – Familienroman


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      »Um ihr zu sagen, dass du bei mir bist? Soll sie dich hier abholen? Ich kann dich ja leider nicht heimbringen, weil mein Wagen auch in der Reparatur ist.«

      »Was mache ich nur?«, stöhnte er wieder.

      »Jetzt trinkst du erst noch einen Schluck Wein zur Beruhigung«, sagte sie. »Ich versuche indessen ein Taxi zu bekommen, und ich werde Angela erklären, wie das gekommen ist. Du sagst doch, dass sie nicht spießig ist, also wird sie auch Verständnis haben.«

      *

      Erst fünf Uhr, dachte Angela niedergeschlagen. Da kann ich doch Babsi noch nicht aus dem Bett holen. In ihr war trostlose Leere, als sie auf das unbenutzte Bett ihres Mannes blickte.

      Aber wenn sie noch lange grübelte, wurde sie noch müder und dann schlief sie womöglich doch noch ein.

      Sie ging in das Kinderzimmer und setzte sich an Babsis Bett. Tränen stiegen ihr in die Augen, als sie die kleine Hand ergriff. Sie würgte sie hinunter.

      »Babsilein, aufstehen, wir wollen fahren«, flüsterte sie.

      Das Kind rieb sich die Augen. »Ist ja noch dunkel, Mami«, sagte sie.

      »Es wird gleich hell sein, die Sonne geht schon auf«, sagte Angela. »Dann sind wir früh bei Opa.«

      »Und was sagt Papi?«, fragte Babsi.

      »Papi musste heute Nacht ganz

      plötzlich verreisen, Liebling«, sagte Angela.

      »Ohne mir zum Abschied einen Kuss zu geben?«, fragte die Kleine enttäuscht. »Das hat er doch noch nie gemacht.«

      Und wenn er jetzt zur Tür hereinkommt, werde ich ihm ins Gesicht sagen, dass ich seinetwegen das Kind belügen musste. Wenn er schon nicht mehr an mich denkt, dürfte er doch Babsi nicht vergessen. Was musste diese Frau für eine Macht über ihn gewonnen haben!

      So viel ging ihr durch den Sinn, während sie die schlaftrunkene Babsi ankleidete.

      »Rede doch ein bisschen, Mami, sonst schlafe ich gleich wieder ein«, sagte Babsi.

      Endlich standen sie dann mit den Koffern doch vor der Doppelgarage, in der nur Angelas Volkswagen stand.

      »Ist Papi denn mit dem Auto gefahren?«, fragte Babsi. »Das macht er doch sonst nicht.«

      »Es hat sich so ergeben«, erwiderte Angela. »Er nimmt jemanden mit.«

      »Onkel Kurt und Herr Buchmann?«, fragte Babsi.

      Mit denen spielte Wolfgang oft Trio, und da sie auch oft zu Hause probten, kannte Babsi die beiden ziemlich gut.

      Um das Kind zu beruhigen, sagte Angela ja.

      »Da werden sie wieder viel Blödsinn machen und schöne Geschichten erzählen«, sagte Babsi.

      Dein Vater macht einen ganz anderen Blödsinn, dachte Angela, und das ist gar keine schöne Geschichte, dachte Angela sarkastisch.

      *

      Als Wolfgang erwachte, wusste er nicht, wo er war. Das Zimmer war dunkel, er selbst war benommen. Seine Hand tastete sich zur linken Seite, wie sie es immer tat, wenn er erwachte, und es war immer ein herrliches Gefühl, wenn er Angelas kühle glatte Haut berührte.

      Auch jetzt berührte er Haut, dann seidigen Stoff.

      Das war etwas Fremdes. Er richtete sich langsam auf und rieb sich die Augen. Er gewöhnte sich langsam an das Dämmerlicht und den fremden Raum, aber noch immer kam ihm keine Erinnerung. Doch dann erkannte er plötzlich Elkes schlafendes Gesicht, und er sprang abrupt auf.

      »Zum Donnerwetter, was soll das bedeuten?«, schrie er.

      Selbst Elke, die gewohnt war, lange zu schlafen, wurde aufgeschreckt.

      »Schrei doch nicht so«, sagte sie. »Schlaf noch. Ich bin müde.«

      »Bin ich denn wahnsinnig?«, fragte er. »Wie komme ich hierher?«

      »Du hast mich heimgebracht, wir haben ein Gläschen Wein getrunken, und du bist hier geblieben, weil dein Wagen nicht mehr ansprang.«

      Er starrte sie an. Inzwischen hatte er den Lichtschalter gefunden, und helles Licht durchflutete den Raum.

      »Das Licht blendet mich«, murrte Elke. »Sei doch rücksichtsvoller.«

      Er sank in einen Sessel und stützte den Kopf in die Hände. Sein Schädel brummte zum Gotterbarmen, und so sehr er ihn auch zermarterte, fand er keine Erinnerung.

      »Wolfi, sei doch lieb«, sagte Elke. »Ich bin so glücklich, dass du bei mir bist.«

      Er war kein Held, der Konzertmeister Wolfgang Rösch. Er war versponnen in seiner Musik und sehr zufrieden mit seinem Leben. Das war mit einem Schlage ins Wanken geraten.

      »Ich werde dir alles erklären, Wolfi«, sagte Elke schmeichelnd.

      »Nenne mich nicht Wolfi, das ist albern«, knurrte er. »Ich möchte wissen, was passiert ist.«

      »Ist das so schwer zu verstehen?«, fragte sie hintergründig. »Der Wein war vielleicht ein bisschen schwer. Ich spüre es auch, aber ist es denn so schlimm, dass wir beisammen sind?«

      »Du bist verrückt! – Ich bin verrückt, dass ich so viel trinken konnte«, stöhnte er. »Ich kann nichts vertragen. Angela weiß das.«

      »Führ dich nicht so auf. Du wärest doch nicht der erste Mann, der mal bei einer anderen Frau schläft«, sagte sie.

      »Hör auf, dazu habe ich keinen Grund und danach auch kein Verlangen, und solch Getue kann ich schon gar nicht leiden. Ich will nach Hause. Ich verstehe nicht – aber das ist jetzt egal. Ich will meine Frau nicht verlieren, hörst du?«

      »Du redest ja laut genug. Geh doch, ich halte dich nicht«, sagte sie.

      Allmächtiger, wie soll ich das nur Angela erklären, ging es ihm durch den Sinn. Dann griff er nach seinem Frack und zog ihn über. Lächerlich nahm sich dieser Aufzug im Morgengrauen aus. Schließlich war nicht Faschingszeit, sondern September.

      Er griff an den Hals. Die Frackschleife hatte er noch um, sie war nur aufgebunden. Er kniff die Augen zusammen und starrte auf Elke herunter, die ihm den Rücken zuwandte.

      »Das hast du fein eingefädelt«, sagte er zornig. »Jetzt durchschaue ich dich. Aber eins lass dir gesagt sein: Ich kenne mich. Wenn ich nur einen Schluck Alkohol zu viel getrunken habe, schlafe ich tief und fest, und dann würde mich die schönste Frau der Welt nicht munter bekommen, nicht mal meine Frau.«

      »Sag nur, dass sie schön ist«, zischte Elke wütend.

      »Für mich ist sie schön, und am Morgen sieht sie frisch und munter aus und nicht wie ein Clown. Ein Gutes hat es vielleicht. Ich weiß jetzt wieder, was ich an meiner Frau habe.«

      »Hoffentlich«, sagte Elke höhnisch.

      Wolfgang wankte zum Telefon. Irgendwie kam ihm jetzt doch eine Erinnerung. Sein Wagen war nicht angesprungen und Elke hatte ein Taxi rufen wollen. Hatte sie das wirklich getan? Es war kein Taxi gekommen, und dann musste er plötzlich eingeschlafen sein. Er trank selten Wein, aber bei besonderen Gelegenheiten kam er nicht umhin, und es war immer das Gleiche, während die andern fröhlicher wurden, schlief er ein. Angela hatte dann ihre liebe Not mit ihm.

      Er wollte darüber mit Elke nicht debattieren. Er hatte jetzt andere Sorgen.

      Endlich fand er im Telefonbuch die Nummer vom Taxistand. Seine Hand zitterte, als er sie wählte. Wenn sie heute Probe hätten, würde er schön versagen, ging es ihm flüchtig durch den Sinn, aber das, was ihm nun bevorstand, war weit schlimmer als ein Versagen auf der Probe. Er ahnte noch nicht, wie schlimm es für ihn sein würde.

      Er ging schwankend ins Freie, ohne noch ein Wort an Elke zu richten. Das Taxi kam. Der Chauffeur zwinkerte anzüglich.

      »War wohl mal wieder eine Party?«, fragte er unverblümt.

      »Kommen Sie öfter