war sie allein nicht in der Lage, die große Herrschaft zu bewirtschaften. Sie war, trotz ihrer Herrinwürde, doch nur ein zartes, dreiundzwanzigjähriges Mädchen, verstand eben nur das von der Landwirtschaft, was sie sich in den zwei Jahren, solange ihr Hohenweiden gehörte, angeeignet hatte.
Es mußte ein Mann auf das Gut, der dem Zauber der jungen Herrin widerstand. Ganz leicht mußte es ja nicht sein, das sah er schon ein.
Ein Glück nur, daß er von diesem Zauber unberührt blieb.
Mit dieser Feststellung war das Interesse für die Base fürs erste erschöpft.
Als er jedoch auf dem Schreibtisch seines Arbeitszimmers einen Brief von Jobst Oluf vorfand, kam ihm die Base wieder in Erinnerung.
Jobst Oluf Rave – daß er nicht sogleich darauf gekommen war! Der war ja für die Verwalterstelle in Hohenweiden wie geschaffen!
So aß er denn rasch etwas, kleidete sich um und fuhr nach Hohenweiden.
Er war nicht oft dagewesen, ganz einfach, weil er mit der Base nicht recht warm zu werden vermochte. Doch sooft er den Feudalsitz betrat, kam ein Staunen über ihn. Das Schloß war eine Sehenswürdigkeit, hatte früher einer fürstlichen Familie als jeweiliger Wohnsitz gedient und war mit aller Pracht und allem Komfort ausgestattet. Manuela hatte Hohenweiden samt Schloß und Einrichtung aus der Verlassenschaft des letzten Besitzers erworben.
Die stolze, vornehme Erscheinung der neuen Herrin paßte wundervoll in den sie umgebenden Rahmen, das mußte Hans Heinrich wieder einmal feststellen, als er der Base gegenüberstand. Aufs neue frappierte ihn die aparte Schönheit, die wohl deshalb so eigenartig wirkte, weil Manuela einer deutsch-spanischen Ehe entstammte. Aus der tiefschwarzen Haarfarbe der Mutter und dem lichten Blond des Vaters hatte die Natur ein ganz eigenartig schönes, metallisches Blond hervorgezaubert. Die feingliedrige Gestalt war ungemein rassig und grazil. Das blütenzarte Antlitz trug stolze Züge.
Das Wunderbarste waren jedoch die Augen. Von grünblauer Farbe, abgrundtief, rätselhaft. Man vergaß sie nicht sobald, hatte man einmal in diese traumhaft schönen Sterne geschaut.
Und dieser Blick hatte auch die schöne, seltsame Herrin von Hohenweiden bekannt gemacht.
An alles das dachte Hans Heinrich Brandler, als er der Base gegenüberstand.
»Das ist aber nett von dir, Hans-Heini, daß du meiner Einladung von vorhin so schnell gefolgt bist«, grüßte sie ihn mit einem leichten Lächeln. »Komm, nimm Platz und erzähle mir etwas Angenehmes.«
»Ob es angenehm ist, was ich dir zu erzählen habe, wollen wir abwarten«, lachte er vergnügt und ließ sich in den tiefen, bequemen Sessel sinken. »Ich bin nicht ganz sicher, ob du mich nicht am Schluß unserer Unterredung hinauswerfen wirst.«
»Nun – rebellische Reden wirst du wohl nicht gerade führen, dazu bist du viel zu sehr Gemütsmensch«, lächelte sie nun wieder.
»Danke.« Sich leicht verbeugend, entnahm er seinem Etui eine Zigarette.
»So, nun verrate mir, was du auf dem Herzen hast.«
»Das ist schnell gesagt, Manuela, ich will dir zu einem neuen Oberinspektor verhelfen.«
Ihre Überraschung war noch größer, als er erwartet hatte. »Da bin ich aber neugierig!«
»Es handelt sich um Herrn Rave, bei dessen Mutter Didi in Pflege ist.«
»Dann kennst du den Herrn also näher?«
»Eben nur das Vierteljahr, solange mein Kleinchen dort ist. Aber ich würde dir Herrn Rave nicht empfehlen, wenn ich es nicht verantworten könnte. Dem armen Kerle geht es nämlich ebenso wie dir – man will ihn immer und überall heiraten. Er gefällt den Frauen und Mädchen zu gut und muß ihretwegen immer wieder seine Stellung wechseln. Er hat seine Mutter zu unterhalten und ist schon ein Jahr lang stellenlos. Ich wollte ihn zu mir nehmen, und eigentlich ist die Sache schon perfekt. Doch du kennst ja den gutorganisierten Betrieb in Groß-Löschen. So fürchte ich nun, daß er sich bald überflüssig fühlen wird. Und dann ist der Posten, den ich zu vergeben hätte, doch lange nicht mit dem eines Oberinspektors in Hohenweiden zu vergleichen. Er könnte sogar seine Mutter mitbringen, was ihm außerordentlich zusagen würde. Was meinst du nun, Manuela, willst du es mit ihm versuchen?«
»Warum nicht«, entgegnete sie. »Ob der oder ein anderer.«
»Ich danke dir, Manuela. Wann darf Herr Rave zur Vorstellung erscheinen?«
»Laß ihn so kommen, daß er möglichst gleich hierbleiben kann.«
*
»Wie ich sehe, wird hier bereits fleißig gepackt«, sagte Hans Heinrich vergnügt, als er am nächsten Tage die Ravesche Wohnung betrat und Jobst Oluf Papiere sichten sah.
»Das nicht gerade«, gab dieser ebenso vergnügt zurück.
»Hm«, machte Hans Heinrich und marterte fieberhaft sein Hirn, wie er Rave klarmachen sollte, daß er seine Stellung in Hohenweiden und nicht in Groß-Löschen anzutreten habe.
»Also, Herr Rave, nehmen Sie Platz, damit Sie mir nicht vor lauter Überraschung in die Arme sinken. Also – ich kann Ihnen wirklich eine Verwalterstelle besorgen wie die, von der ich sprach.«
Nun war ihm doch sehr beklommen zumute, als er sah, wie dunkle Röte dem anderen bis in die Stirn kroch. Obendrein trat auch noch Frau Hortense ein. Ihr Blick ging von einem zum anderen.
»Habe ich recht gehört, Herr Brandler – Sie mögen meinen Sohn nun doch nicht – wollten ihm einen anderen Posten besorgen?« fragte sie leise.
Hans Heinrich war tief erschrocken. »Um Gottes willen, nein, gnädige Frau!« bat er flehentlich. »Mit tausend Freuden würde ich Sie, Herr Rave, auf Groß-Löschen gern willkommen heißen. Was ich jedoch mit Recht fürchte, ist, daß Sie die Arbeit dort nicht zufriedenstellen wird. Bei meiner Base Manuela Brandler, der Herrin von Hohenweiden, ist der Posten eines Oberinspektors zu besetzen. Kein leichtes Amt, das gebe ich gern zu. Bisher haben die Herren es nicht länger als einige Wochen ausgehalten – oder noch richtiger gesagt – sie wurden dann schon entlassen.
Vielleicht wäre ihnen das nicht passiert, wenn sie die Verhältnisse in Hohenweiden besser gekannt hätten – vor allen Dingen die junge Herrin selbst. Sie gaben sich wohl auch kaum Mühe, sie kennenzulernen, sondern verliebten sich vielmehr gleich Hals über Kopf in meine Base, und das ist etwas, was diese durchaus nicht vertragen kann. Mit dem Moment, wo ihr diese Verliebtheit zur Gewißheit wurde, war der Mann für sie erledigt.
Diese Männerfeindschaft ist eine Folge schlimmer Erfahrungen. Mein Großvater wanderte in jungen Jahren nach Südamerika aus, wo er eine Erbschaft antreten mußte. Er war also über Nacht ein reicher Mann geworden. Doch er arbeitete weiter, wie er es gewohnt war, und vermehrte seinen Reichtum in das Ungemessene. Er hatte sich eine deutsche Frau mitgenommen, und dieser Ehe entsprossen zwei Söhne – mein Vater und Manuelas Vater. Während Heinrich – mein Vater – ein ehrwerter, tüchtiger Mann wurde, war und blieb Robert – Manuelas Vater – das Sorgenkind der Eltern.
Mein Vater lernte eine Deutsche kennen, die bei Nachbarn zu Besuch weilte, verliebte sich in sie und machte sie zu seiner Frau. Sie war die Tochter eines Industriellen, und mein Vater wurde der Nachfolger seines Schwiegervaters und siedelte infolgedessen nach Deutschland über.
Robert heiratete eine Spanierin. Sie trieben es beide so arg, daß der Vater seinen Sohn entmündigte. Dadurch löste dieser sich ganz von den Eltern los.
Dieser Ehe entsprossen vier Kinder, das jüngste davon ist Manuela. Sie zeichnete sich nicht nur durch ihr Aussehen von ihren Geschwistern aus, sondern auch durch ihren Charakter. Der Großvater liebte das Kind abgöttisch, während er seine anderen Enkelkinder kaum beachtete. Manuela war mehr bei den Großeltern als in ihrem Elternhaus.
Selbstverständlich wurde Manuela von Eltern und Geschwistern mit scheelen Augen angesehen.
Daher war es ein harter Schlag für Manuela, als die Großeltern kurz nacheinander starben. Nun stand sie allein. Und als gar noch