Friederike von Buchner

Toni der Hüttenwirt 260 – Heimatroman


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fragte Toni.

      »Ich möchte am liebsten eine Flasche austrinken, damit ich alles vergesse. Ich wollte, ich hätte einen Filmriss seit heute Mittag und könnte mich an nichts erinnern. Aber das ist nicht möglich. Ich werde irgendwie darüber hinwegkommen müssen.«

      Toni trocknete sich die Hände ab. Er zapfte zwei Bier.

      »Los, wir setzen uns, und dann redest du!«

      Anna kam mit einem Becher Tee und setzte sich dazu.

      »Also, was ist geschehen?«

      »Ich habe Monika einen Heiratsantrag gemacht und einen Reinfall erlebt. Sie ist davongelaufen. Das war es schon. Ende! Aus! Vorbei!«

      Toni und Anna warfen sich fragende Blicke zu.

      »Also erst mal Prost«, sagte Toni und trank.

      »So und jetzt will ich wissen, was passiert ist und zwar ganz genau.«

      Alexander trank einen Schluck. Er wischte sich den Schaum von der Oberlippe. Er zögerte noch einen Augenblick, dann erzählte er in allen Einzelheiten von dem Gespräch mit Monika.

      »Sie ist einfach davongerannt«, schloss er, »ohne sich nur noch einmal umzudrehen. Ihr wisst doch, wie das ist mit dem Umdrehen. Also, sie hat kein Interesse an mir. So ist es. Es tut weh, gestehe ich euch.«

      Toni schüttelte den Kopf. Anna seufzte.

      »Alex«, ergriff Toni das Wort, »ich weiß, dass du es ernst gemeint hast. Anna und ich wissen auch, dass du ihr sehr gefällst. Du, des Madl mag dich wirklich. Die Moni hat sich in dich verliebt.«

      »Das glaube ich nicht, Toni. Dieses Mal liegst du falsch. Ich habe auch falsch gelegen. Ich dachte, ich lese in ihren Augen, dass sie in mich verliebt ist. Dass sie trotzdem Abstand hielt, damit konnte ich leben. Schließlich hatte sie sich gerade erst von diesem Jürgen getrennt. Sie brauchte Zeit, das zu verarbeiten. So übte ich mich in Geduld. Ich habe mich wohl geirrt. Es tut weh. Aber was nicht ist, ist nicht.«

      »Schmarrn! Dein Antrag war nicht gerade romantisch.«

      »Aber es war doch genau der richtige Augenblick. Sie gesteht mir, dass sie Kinder liebt, dass ihre biologische Uhr tickt, dass sie Angst hat wegen ihres Alters kinderlos zu bleiben und so weiter. Da brach bei mir der Damm. Versteht ihr?«

      »Mei, Alex, sicher verstehen wir. Aber du hast die falschen Worte gewählt.«

      »Es ist mir so herausgerutscht. Ich habe es aber ernst gemeint. Sie hatte mir erklärt, dass sie erst jemanden finden müsse, der ihr gefällt und mit dem sie sich versteht. Darüber würden Jahre vergehen. Da machte es einfach peng, und ich habe alles gewagt. Hinterher ist man immer schlauer. Dann fielen mir tausend Möglichkeiten ein, was ich hätte sagen können.«

      Toni grinste.

      »Zuerst hättest du ihr sagen müssen, dass du sie liebst. Und dann ihre Hand ergreifen oder ihre Wange streicheln und ihr tief in die Augen sehen.«

      »Ja, das weiß ich. Ich war ungeschickt und total bescheuert. Ich konnte nicht mehr denken. Und jetzt ist es aus.«

      Toni brach in schallendes Gelächter aus.

      »Was soll das? Frag mal Anna, wie das bei uns war! Sie hat mich richtig angegiftet.«

      Anna lachte und streichelte Toni die Wange.

      »Ja, so war es, Alex. Eine Ablehnung bedeutet nicht immer eine Ablehnung. Toni hat sich davon nicht einschüchtern lassen.«

      Alexander zuckte mit den Schultern. »Ihr meint, ich sollte es noch einmal versuchen?«

      »Natürlich sollst du das, Alex. Dass es kompliziert mit euch ist, das haben wir mitbekommen. Da war einerseits ein Glitzern in euren Augen, das nur Verliebte haben. Andererseits haben wir uns gewundert, dass ihr euch nie geküsst habt.«

      »Das haben wir auch nicht. Ich habe Signale ausgeschickt, aber Monika tat, als würde sie sie nicht erkennen. Wollte sie nicht? Hatte sie sie nicht deuten können? Will sie doch einen Zahnarzt? Ich hätte auf meinen Onkel hören und Zahnmedizin studieren sollen. Wenn ich hätte in die Zukunft schauen können, hätte ich es getan.«

      »Hör auf, so einen Schmarrn von dir zu geben! Das ist alles Unsinn. Erstens belügst du dich selbst. Wenn Monika nur einen Zahnarzt gewollt hätte, hätte sie sich mit ihrem Ex, dem Jürgen, zusammengetan. Das ist schon mal eine Tatsache. Monika geht es um Liebe, nur um Liebe.«

      Anna gab Alexander den Rat, mit Monika zu sprechen.

      »Entschuldige dich für deinen missglückten Versuch, ihr zu sagen, dass du gern der Vater ihrer Kinder sein möchtest. Schiebe den heftigen Gefühlsausbruch auf die zurückgehaltenen Gefühle. Frage sie einfach, ob sie deine Liebe erwidert. Ich sage dir, sie liebt dich. Ihr müsst euch aussprechen, Alex! So kannst du das nicht stehen lassen. Wenn du nicht mit ihr sprichst, wird es dich dein ganzes Leben lang verfolgen. Es ist dann wie bei einem Buch, bei dem die letzten Seiten fehlen. Du hast den Roman gelesen und weißt nicht, wie er zu Ende geht. Also handle, Alex!«

      Alexander lehnte sich im Schaukelstuhl zurück und wippte einige Male nervös hin und her.

      »Ja, ihr habt recht. Ich werde mit ihr reden. Habt ihr etwas dagegen, wenn ich hier auf der Berghütte bleibe, bis sie kommt?«

      »Du kannst gern bleiben. Zwar sind alle Kammern belegt, aber du kannst auf dem Sofa im Wohnzimmer schlafen«, sagte Toni. »Das ist bequemer, als auf dem Hüttenboden.«

      Alexander bedankte sich.

      »Irgendetwas stimmt nicht mit Monika. Es ist nicht nur, dass sie fortgelaufen ist. Mir gelingt es auch nicht, sie zu uns einzuladen. Auch an dem Tag, als sie den Vortrag hielt, wand sie sich heraus. Anders kann ich es nicht beschreiben. Warum?«

      Toni und Anna sahen sich an. Sie wussten, dass die Verknüpfung zwischen der freien Praxis und der Liebe zu Alexander Monika Kopfschmerzen verursachte. Sie waren der Meinung, dass das völlig unnötig war. Ohne sich abgesprochen zu haben, sprachen Toni und Anna dieses Thema nicht an. Monika musste es ihm selbst sagen.

      Die nächste Stunde saßen sie am Kamin. Alexander schwärmte von Monika, gleichzeitig jammerte er unentwegt. Anna und Toni brachten viel Geduld auf.

      »So, und jetzt gibt es nix mehr zu sagen, Alex«, sagte Toni. »Erst musst du mit Monika sprechen. Wir gehen jetzt schlafen. Ich nehme an, Moni kommt erst Morgen. Sie wird bei ihren Verwandten übernachten.«

      Sie tranken aus und gingen schlafen.

      Alexander war sehr aufgewühlt. Eine Weile wälzte er sich unruhig hin und her. Dann stand er auf, zog sich an und ging hinaus auf die Terrasse.

      Es war eine wolkenlose Nacht und sehr mild. Es wehte ein leichter warmer Wind über die Berge. Er kam aus dem Süden. Alexander trat ans Geländer und schaute in den Nachthimmel. Die Sterne glitzerten wie geschliffene Diamanten. Es war fast Vollmond. Die Berge hoben sich schwarz und mächtig gegen den Himmel ab.

      Seine Augen blieben am hell schimmernden Gipfelkreuz des ›Engelssteigs‹ hängen. Er erinnerte sich an Nächte aus seiner Kindheit. Als er noch ein kleiner Bub war, hatte er sich nachts oft auf den Balkon geschlichen. Mit seinem Fernglas hoffte er einen Blick auf die Engel vom ›Engelssteig‹ zu erhaschen. Wie allen Kindern in Waldkogel war ihm von seinen Eltern und Großeltern vermittelt worden, dass die Engel vom ›Engelssteig‹ einen besonders gütigen Blick auf jeden im Tal hätten. Ihnen konnte man vertrauen. Mit ihnen konnte man sprechen wie mit einem guten Freund. Die ihnen anvertrauen Sorgen und Nöten würden sie hinauf in den Himmel bringen. Alexander erinnerte sich an die Bilder, die er gemalt hatte. Er hatte den Gipfel des Engelssteigs gemalt. Neben dem großen Gipfelkreuz zeichnete er eine Holzleiter, deren oberstes Ende in den Wolken verschwand. Auf dieser Leiter stiegen die Engel empor. Zwischen den Flügeln trugen sie schwere Rucksäcke, die ihnen ein Fliegen unmöglich machten. Die Säcke waren prall gefüllt mit den Sorgen und Nöten, dem Kummer und den Gebeten der Menschen. Sie schleppten sie hinauf zum Herrgott, der die große Versammlung im Himmel leitete. Daran nahmen sein Sohn Jesus,