Fiona West

Die Ex-Prinzessin


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nicht sprechen konnte, nicht anzusprechen.

      »Oh, nun, es war eine ziemliche Erfahrung, lass dir sagen–«

      »Ich würde gerne davon hören … später.«

      »Oh. Nicht jetzt?«

      Abbie versuchte ein Grinsen zu verstecken. »Nein, nicht jetzt, Star. Genau genommen, lass uns weitergehen und deine Fähigkeit zu sprechen für den Moment verstecken.«

      »Oh, ich verstehe.«

      Abbie blickte ihn über ihre Schulter an und er lächelte, zeigte dabei alle seiner großen gelben Zähne. Sie lachte, nicht in der Lage es nicht zu tun.

      »Wer ist da?«

      Abbie drehte sich bei der Kinderstimme um. Ein dünnes Mädchen, das ein zu kleines T-Shirt und abgeschnittene Jeansshorts trug, spähte hinter einer Gelb-Kiefer hervor. Zwei dünne rote Flechtzöpfe, die schlaff an den Seiten ihres Kopfes hingen, umrahmten ihr sommersprossiges Gesicht.

      »Ich bin Abbie. Ich suche nach ein paar—nach meinen Eltern.« Verdammt, sie hatte ihren wirklichen Namen genannt. Das war dumm, dachte sie, während sie das Kind anlächelte.

      Das Mädchen trat hinter dem Baum hervor. »Hab niemandes Eltern gesehen. Mit wem redest du?«

      »Nur mit mir. Redest du nie mit dir selbst?«

      Das Mädchen zeigte ein kleines Lächeln, aber schüttelte ihren Kopf. »Du kannst gerne kommen und auf die Veranda sitzen und dich ein wenig ausruhen. Du kannst meine Schwester kennenlernen.«

      »Sicher. Ich danke dir.« Es ist mitten in der Woche, dachte Abbie. Warum ist sie nicht in der Schule?

      Das Mädchen drehte sich um und huschte den rutschigen, mit Kiefernadeln bedeckten Berghang hinauf. Die Sonne begann sich seitwärts durch die Bäume zu neigen, erleuchtete den Staub, der sich hinter ihr erhob wie Dampf von einem See im Morgengrauen. Das Haus war aus Holz mit einem Wellblechdach; die Konstruktion war stark nach links geneigt, und sie konnte nicht anders, als sich zu fragen, wie um alles in der Welt sie die Vordertüre öffnen konnten, wenn sie nicht in einem rechten Winkel war. Als das zweite Mädchen aus dem ebenerdigen Fenster auf die Veranda kletterte, war ihre Frage beantwortet.

      »Hallo, ich bin Abbie«, sagte sie. Die zwei Mädchen setzten sich jeder auf ein Ende der Schaukel, lasen Steine aus den Bohnen und warfen heimliche Blicke auf sie, also setzte sie sich zwischen sie. »Gehört dieser Ort euren Eltern?«

      Die Mädchen schüttelten ihren Kopf. »Eltern vor einer Weile gestorben. Wir wohnen jetzt bei Tantchen Marie.«

      »Arbeiten für sie, meinst du«, murmelte das zweite Mädchen.

      »Ruhe, Fadline. Wegen dir werden wir noch hinausgeworfen.« Die Rothaarige drehte sich Abbie zu. »Tantchen ist gerade nicht da; sie wird bald zurück sein. Ich bin Theresas.« Abbie bot eine Hand und das Mädchen gab ihr einen festen, staubigen Handschlag. Als Abbie ihre Hand zurückzog, packte das Mädchen fester zu, starrte genauer in ihr Gesicht. »Du bist ein … Funkler?«

      »Was ist das?«, fragte Abbie, während sie behutsam versuchte ihre Hand aus Theresas’ unnachgiebigem Griff zurückzuziehen.

      »Sapperlot, du hast Recht, Schwester«, sagte Fadline, während sie näher zu Abbie kam. Es misslang ihr dem Finger, den Fadline in ihren Wangenknochen stieß, auszuweichen. »Schau, es ist sogar in ihren Haaren!« Beide Mädchen begannen ihre Finger durch Abbies Pferdeschwanz zu kämmen, die Bohnen vergessen.

      »Entschuldigt, aber könnt ihr mir sagen, worüber ihr redet? Bitte? Und mir ein bisschen persönlichen Freiraum geben?« Beide Mädchen hörten auf sie zu hätscheln, aber es war eindeutig, dass sie deswegen außer sich waren.

      »Wir haben gehört, dass Menschen in der Box die Sterne in ihrer Haut haben … Ich wusste, dass es wahr ist!«

      Abbie schüttelte ihren Kopf. »Meine Haut ist die Gleiche wie eure.«

      Theresas riss ihren Arm herüber, schob ihren langen Ärmel hoch und hielt ihn zum Vergleich neben ihren eigenen Arm und Abbie keuchte. Ihre Haut schillerte, leuchtete mit einem Schimmer, wie der, der sich über die Oberfläche des Schleiers bewegte. Sie rieb an ihrer Haut, aber der Schimmer leuchtete nur heller.

      Abbie versuchte die Panik aus ihrer Stimme zu halten. »Entschuldigt mich, Mädels, ich muss das abwaschen.«

      Die Mädchen lachten. »Es geht nicht weg, Dummerchen, es ist ein Teil von dir. Du kannst es in der Box nur nicht sehen.«

      Abbie blickte zu Stargazer, der am Rand des Hofs Gras mampfte. Er wippte mit dem Kopf in ihre Richtung, aber sie konnte nicht sagen, ob er damit irgendetwas meinte. Ihr Verstand drehte sich.

      »Es tut mir leid, Mädels. Ich sollte weiter nach meinen … meinen Eltern suchen.«

      »Tantchen Marie war unterwegs; vielleicht hat sie sie gesehen. Möchtest du, dass wir sie anrufen?«

      Abbie erinnerte sich plötzlich daran, ausnahmsweise einmal, dass sie auch ein Handy hatte. Sie beeilte sich zu ihrer Tasche zu kommen, zog es heraus und schaltete es an. Dreißig verpasste Anrufe. Junge, dieser Edward war allerdings hartnäckig—auf keinen Fall würde sie ihn miteinbeziehen, außer sie wäre verzweifelt. Rubald hatte sein Wort gehalten: er hatte ihre Nummer nicht. Die Integrität zahlte sich bis jetzt nicht aus.

      Ohne Warnung ging die Sonne aus.

      »Oh, sapperlot«, murmelte Theresas in die Schwärze.

      »Na ja, das war’s dann. Wir können heute Abend nichts mehr tun.« Abbie fühlte, wie sich die Schaukel nach hinten kippte, als sie sich hinüber lehnten, um ihre Körbe zum Bohnen sortieren mit genauso schweren Seufzern fallen ließen.

      Abbie schüttelte mit donnerndem Herzen ihren Kopf. »Was passiert hier?«

      »Oh, die Sonne ist ausgegangen. Wir sind fertig mit arbeiten«, sagte Fadline, als ob es völlig normal war das zu sagen.

      »Aber ich muss heute Abend meine Eltern finden!«

      Theresas und Fadline kicherten, ihre Gesichter plötzlich im Licht ihrer Handybildschirme erleuchtet. Abbie überkreuzte ihre Arme und versuchte nicht hörbar zu schnauben.

      »Wann kommt denn … die Sonne wieder?«

      Fadline lächelte und nickte. »Wie viele Sterne sind am Himmel?«

      Theresas stieß sie mit dem Ellbogen an und sagte: »Oh, ich hab’ einen—wann werden die Berge in das Meer sinken?«

      Fadline klatschte in die Hände. »Oh! Wir wär’s damit: Wie oft muss man lecken, um in die Mitte von einem—«

      »Was tut ihr?«, fragte Abbie, nicht in der Lage die Verbitterung aus ihrem Tonfall zu halten.

      Theresas blickte nicht von ihrem Handy auf. »Wir tun, was du tust. Das Unbeantwortbare-Fragen-Spiel spielen.«

      Abbies Gesicht wurde rot und sie war vorübergehend dankbar für die Dunkelheit. »Meine Frage war ernsthaft. Ich habe es ernst gemeint.«

      Theresas und Fadline kicherten wieder, wurden dann sachlich. Theresas räusperte sich. »Entschuldige, Schwester. Meine Mama hat immer gesagt, dass der König Bogenschützen hat, die ständig brennende Pfeile auf die Sonne feuern, in der Hoffnung sie sehr schnell wieder anzustecken.«

      »Das ist nicht wahr«, sagte Abbie. »Das ist unmöglich.«

      »Ich habe gehört«, schob Fadline ein, unbeeindruckt von Abbies fassungsloser Skepsis, »dass sie Sonne selbst uns vor Sternschnuppen beschützt, die uns sonst alle umbringen würden, und das ist, was die Sonne wieder anzündet. Ist es dann das?«

      »Natürlich nicht!«, schrie Abbie, verlor ihre Beherrschung, und die Mädchen zuckten zusammen, schauten auf den Boden und krümmten ihre Schultern in beinahe perfektem Einklang. Es gab etwas Beunruhigendes an diesen Schwestern, etwas … etwas Argwöhnisches, ungeachtet ihres Kicherns und ihren kindlichen Spitzen Abbies Unwissenheit gegenüber. »Es tut mir leid, Mädels, ich wollte euch keine Angst machen. Aber die Sonne ist nie so ausgegangen, als ich—«

      »In der Box gelebt hast?«, fragte Theresas sacht. »Ja,