Rebekah Lewis

Das Verschwinden


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      Das Verschwinden

DAS VERSCHWINDEN REBEKAH LEWIS Übersetzt von CAROLIN KERN

      Bei diesem Werk handelt es sich um Fiktion. Namen, Charaktere, Unternehmen, Orte, Ereignisse und Vorkommnisse sind entweder Produkte der Fantasie der Autorin oder werden fiktiv genutzt. Jede Ähnlichkeit zu tatsächlichen Personen, lebend oder tot, oder tatsächlichen Ereignissen ist rein zufällig.

      Copyright © 2015 by Rebekah Lewis

      Titel der englischen Originalausgabe: »The Vanishing«

      Erste Ausgabe 2014 von Brook Ridge Press. Früher herausgegeben in der Anthologie Wonderland Tales.

      Bearbeitung von Leona Bushman

      Cover Design von Victoria Miller

      Für die deutschsprachige Ausgabe:

      Copyright © 2020 by TekTime

      Übersetzt von Carolin Kern

      Die Autorin erkennt an, dass Lewis Carroll alle Rechte an jedem Charakter, Ort oder jeglichem Bezug aus Alice’s Adventures in Wonderland, Through the Looking Glass und The Hunting of the Snark hat.

      Alle Rechte vorbehalten.

      Dieses Buch oder irgendein Teil daraus darf ohne die ausdrückliche schriftliche Erlaubnis des Verlegers nicht vervielfältigt oder auf jegliche Art genutzt werden, außer für die Benutzung von kurzen Zitaten in einer Rezension.

      www.Rebekah-Lewis.com

An Justyn Perry und all die Autoren und Mitarbeiter von Breathless Press der vergangenen fünf Jahre. Ich danke euch, dass ihr an mich geglaubt und meinen Büchern eine Chance gegeben habt, wenn es niemand anders tat. Diese Kurzgeschichte wurde geschrieben, um den fünften Jahrestag von Breathless Press zu feiern. Es ist gut gelaufen und ich werde nie vergessen, wo ich angefangen habe.

      »Aber sollte ich jemals auf einen Boojum stoßen, an diesem Tag,

      Werde ich sogleich (da bin ich mir sicher),

      Ganz sacht und plötzlich verschwinden—

      Und die Vorstellung kann ich nicht ertragen!«

-Lewis Carroll,»The Hunting of the Snark«

      DAS VERSCHWINDEN

      Als ihre Freunde nach ein paar Runden Bier verkündeten, dass sie einen angeblich einheimischen Vogel namens Schnepfe suchen wollten, hätte Cadence skeptisch sein sollen. Stattdessen war sie leicht angeheitert gewesen und hatte zugestimmt, ohne auch nur zu hinterfragen, warum sie niemals zuvor von einem solchen Vogel gehört hatte, oder warum sie einen Fingerhut und ein Stück Seife brauchte, um ihn aus seinem Versteck herauszulocken. Während sie in einem Stückchen Wald stand, alleine, hinter einem Rattenloch von einer Bar, begann sie zu vermuten, dass etwas verkehrt war.

      Leichtgläubig. So, so leichtgläubig. Ihre ganze Gruppe hatte sich in verschiedene Richtungen verteilt, filmten sie wahrscheinlich gerade hier und jetzt, um es später auf YouTube zu posten. Bäh. Scheiß drauf. Sie ließ die Seife und den Fingerhut fallen und zog ihr Handy heraus, um ihren besoffenen Arsch zurück zur Bar zu GPSen. Sie würde in einem klimatisierten Raum sitzen, während sie auf ein Taxi wartete, das sie abholte und zurück zu ihrem Zimmer im Studentenwohnheim karrte. Hinter ihr rannte etwas durchs Unterholz und sie ließ ihr Handy mit einem Keuchen fallen. Cadence drehte sich im Kreis, aber entdeckte keine bedrohliche Gefahr, keinen einzigen ihrer Gruppe oder Anzeichen eines großen Vogels mit regenbogenfarbenen Federn.

      Ich besorge mir neue Freunde. Sowieso, wer zum Teufel trägt wahllos einen Fingerhut und Seife mit sich herum?

      Während sie sich hinkniete um ihr Handy aufzuheben, zog eine Bewegung in ihrem peripheren Sichtfeld ihre Beachtung auf sich. Zunächst dachte sie, dass es ein Rotluchs war und ihr Herz setzte einen Schlag aus, in Erwartung der ganz gewiss schmerzlichen Tracht Prügel, die sie bekommen würde, sollte er angreifen. Dann setzte sich die Katze hin, schlang ihren langen, flauschigen Schwanz um sich selbst. Es war eine große gestreifte Katze, wahrscheinlich eine von der Rasse Maine Coon, aber Cadence konnte sich nicht sicher sein. Allerdings war sie in der Hocke sitzend fast zwei Fuß groß und Hauskatzen wurden nicht so groß, oder? Sie konnte sich nicht an die Größe einer Maine Coon erinnern, da sie diese nur auf Bildern gesehen hat.

      Sie betrachtete sie mit außerweltlichen Kobaltaugen, die beinahe zu leuchten schienen. Cadence starrte zurück, fragte sich, was sie tun würde. Dann lächelte die Katze. Warte … was?

      Mit einem Mund voller schmaler, scharfer Zähne grinste die Katze breiter und dann spaltete das Lächeln eine seitliche Mondsichel über ihr Katzengesicht. Die Welt drehte sich um sie herum und sie kippte aus ihrer hockenden Haltung auf ihren Hintern. Galle stieg in ihrer Kehle auf und sie schloss ihre Augen, um den Drang die beißende Flüssigkeit zu erbrechen zu bekämpfen. Möglicherweise hätte sie dieses letzte Bier nicht trinken sollen.

      Aus Angst ihren Magen mit irgendeiner plötzlichen Bewegung zu irritieren und seinen Inhalt zu verstreuen, drückte Cadence ihre Augen zu und atmete schwer durch ihre Nase. Das erzeugte ein sonderbares pfeifendes Geräusch, was sie damit aufhören lassen wollte, ungeachtet der Tatsache, dass es zu helfen schien.

      »Verzeihung, Miss … Geht es Ihnen gut?«

      Cadence öffnete ihre Augen und begegnete dem Schauspiel von abgetragenen braunen Lederstiefeln. Dies falzten wie die eines Piraten unter von Leder umhüllten Knien und Oberschenkeln um. Ihr Blick wanderte hoch und die Gestalt bewegte sich aus ihrem Sichtfeld. Stattdessen konzentrierte sie sich auf den knorrigen violetten Baumstamm, der sich weiter und weiter nach oben in eine Explosion aus purpurnen und saphirfarbenen Blättern wand, direkt hinter der Stelle, an welcher die Beine gewesen waren.

      Was. War in. Diesen. Bieren?

      Sie glotzte noch immer auf den Baum, als jemand sie an den Unterarmen packte und sie hochhob, aber ihre Beine weigerten sich zu kooperieren und knickten ein. Inzwischen erschien die grinsende Katze wieder aus dem Nichts auf einem der höheren Äste des Baums. Er neigte seinen Kopf, sein Lächeln wurde sogar noch breiter, als der Mann mit den Piratenstiefeln sie schwungvoll hochhob. Aus Angst fallen gelassen zu werden, hatte sie keine andere Wahl, als ihre Arme um seinen Hals zu legen. Das Erste, was sie bemerkte als sie ihn anblickte, war sein Haar. Lang, wellig und honigblond, die Strähnen unter ihren Fingern waren weich bei Berührung, aber sie schenkte dem nicht viel Aufmerksamkeit. Nicht, wenn sein Gesicht einem Engel gehörte.

      »Waaaaaaas?«, schaffte sie zu sagen, aber konnte keine Wörter über diese Frage hinaus bilden. Der Mann war umwerfend.

      Seine Lippen bewegten sich. Geräusche kamen heraus, aber wurden nicht registriert. Sie legte einen Finger auf seine Unterlippe, zog leicht den küssbaren Rand davon nach unten über die Oberseite seines Kinns mit leichtem Grübchen und beobachtete, wie sie zurück an Ort und Stelle sprang. Sie kicherte, erhaschte seinen Blick und sog dann einen Atemzug ein. Seine Iris waren ein silbernes Hellgrau. Und er schien nicht im Mindesten von ihren Mätzchen amüsiert zu sein.

      »Devrel«, rief der Mann aus. Seine Stirn legte sich in Falten und sie fragte sich, was einen solch gutaussehenden Mann bekümmerte.

      Die grinsende Katze erschien auf der Schulter des Mannes, ragte über ihm, während er sich herunterlehnte und antwortete, tatsächlich antwortete: »Sie ist ziemlich seltsam, oder?«

      Hierbei verlor Cadence die Fassung. Sie lachte, nur um in einen Anfall hysterischen Kicherns gezwungen zu werden, als beide, der Mann und die Katze, sich einander an- und zurück zu ihr blickten.

      »Vielleicht habe ich sie kaputt gemacht«, sagte Devrel, sein Lächeln stockte leicht, während er sich herunter streckte und eine riesige Pfote durch die Luft vor ihrem Gesicht zog.

      Der Mann seufzte und schüttelte seinen Kopf. Das Haar, das über seine Stirn fiel, hüpfte bei dieser Bewegung. »Warum hast du sie mitgebracht?«

      »Wen mitgebracht?«

      Er nagelte Devrel mit einem wütenden Blick fest.

      Die Katze kicherte hämisch. »Ich scherze. Das ist, was ich tue. Was das Mädchen betrifft …« »Lass mich ein paar