Plato

The Trial and Death of Socrates


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Boote Tiefe und den Seitenwänden Gestaltung gaben. Nachdem das Werk so weit vorgerückt war, legten sie Gewichte und Steine auf den Boden der Rippen, die früher im Wasser erweicht worden waren, und dann ließen sie das Ganze trocknen. Während der Arbeit, die eine Stunde gedauert haben mochte, war das tiefste Stillschweigen beobachtet worden. Es war kein Lachen, kein Schäkern zu hören, kein Umhertreiben zu sehen. Jede verrichtete die ihr angewiesene Arbeit, ohne einen Laut von sich zu geben, und die einzige, die etwas mehr Freiheit sich herauszunehmen schien, war Canondah. Das unruhige Mädchen schlüpfte unter den düstern Wesen mit der Miene eines verdorbenen Kindes umher, wisperte hier einem Lieblinge einen Scherz ins Ohr, zischelte dort einer andern zu und half einer dritten oder zwang einer vierten ein ruhiges Lächeln ab. Als die Weiber ihre Arbeit verrichtet hatten, trennten sie sich auf dieselbe stille düstre Weise.

      Canondah trippelte auf ihres Vaters Hütte zu. Sie fand Rosen noch immer schlafend. Ein liebliches Lächeln spielte um den Mund des reizenden Kindes, und ihre zarten Lippen bewegten sich. Die Indianerin bog sich herab auf das entzückende Wesen und konnte nicht widerstehen, einen Kuß auf ihren Mund zu drücken. Rosa öffnete die Augen. »Canondah,« sprach sie, dieselben reibend, »ich hatte einen bösen, bösen Traum. Wir beide standen in einem tiefen, tiefen Tale, der Fremdling auf dem Berge – er kehrte uns den Rücken. Hast du ihn gesehen? Und ist er nicht mehr krank? Und sieht er nicht mehr so bleich aus, und zittert er nicht mehr fieberisch? Und hat er von den Früchten gegessen und von dem Weine getrunken?«

      »Rosa«, versetzte die Indianerin mit einem schlauen Lächeln, »hat nicht so viel diese letzten zwanzig Sonnen gefragt. Der Fremde ist unter dem großen gefallenen Baume.«

      »Aber wie kam er dahin?«

      »Die Schultern Canondahs trugen ihn.«

      »Und die Spur, die wir zurückgelassen, und die große Schlange und das gebrochene Rohr«, sprach das liebreizende Kind, in mädchenhafter Verwirrung errötend über die unschuldige Verstellung, mit der sie ihre Freundin zu täuschen suchte.

      Die Indianerin, die ein Überschuß von sechs Jahren vor Rosa ohne Zweifel ein wenig mit den Künsten bekannt gemacht hatte, deren eines ihre Freundin soeben auf sie anzuwenden willig schien, brach in ein lautes Gelächter aus. »Seht einmal,« rief sie, »wie die weiße Rosa zu lügen gelernt hat in einer Nacht. Sie spricht zu ihrer Schwester von der Fährte und dem gebrochenen Rohre, um das sie sich gerade so viel kümmert wie der Miko um Glaskorallen, während ihr Herz bei dem Fremdlinge ist. Canondah wird die weiße Rosa dafür züchtigen.«

      »Und wundert sich Canondah,« fragte die letztere im sanften Tone, »daß ihrer Schwester Herz bei dem Anblick eines weißen Bruders höher schlägt? Würde Canondahs Herz nicht auch klopfen, wenn sie, unter den Weißen lebend, plötzlich einen Bruder ihres Stammes, ihrer Farbe sähe?«

      Die Indianerin starrte sie mit offenen Augen an. »Und sehnt sich meine Schwester zu den Weißen?« fragte sie gespannt.

      Des Mädchens Haupt war auf ihr Kissen gesunken, sie weinte. Die Indianerin sprang an sie heran und schloß sie in ihre Arme. »Canondah will ihrer Rosa viele, viele Freude machen; aber sie darf nicht betrübt sein, sie darf nicht zu den Weißen, Canondah könnte nicht ohne sie leben. Aber komm,« fuhr sie fort, indem sie ihr ein Kalikokleid hinhielt, »Rosa muß heute dieses nehmen und die Squaws betrügen helfen.«

      Das Mädchen schlüpfte seufzend in das Überröckchen, warf ein Tuch um ihren Busen, trippelte vor die Hütte, vor der ein klarer Quell sprudelte, und kehrte lieblich wie die Morgenröte in das Stübchen zurück, um mit der Freundin ihr Frühstück zu verzehren. Zwei Körbchen mit Trauben gefüllt, Kuchen von indianischem Korn und eine Schale Milch. Rosa schien mit Ungeduld in der Hütte zu verweilen; aber die Indianerin schwieg hartnäckig still, und kaum hatte sie ein paar Bissen gegessen, so schlüpfte sie allein zur Türe hinaus.

      Rosa setzte sich seufzend zu einem kleinen Tischchen, auf dem ihr Arbeitszeug lag: ein Stück Seidenzeug, dessen Hiersein wohl Befremden erregen konnte.

      Es war ein Stück ausgesuchten Gros de Naples, das bereits zu einem Kleide zugeschnitten war. Drei Stunden mochten verflossen sein, als die Indianerin zurückkehrte; ein zufriedenes Lächeln spielte um ihren Mund.

      »Wir haben ein Kanu gebaut, während Rosa schlief,« sprach sie, »und sie muß mitgehen und unsre erste Fahrt sehen.«

      Beide Mädchen gingen sofort dem Flusse zu, wo sich die Squaws und Mädchen neuerdings versammelt hatten und bloß auf die Tochter des Häuptlings warteten, um ihre Arbeit zu vollenden. Sobald die beiden Mädchen am Ufer angekommen waren, rissen die Squaws die Pfähle, an welche das bereits fertige Kanu befestigt war, los, und alle Hände waren beschäftigt, die Öffnungen mit Gummi auszufüllen. In einer halben Stunde war dieses getan. Die Alte, die das Ganze geleitet hatte, übersah nun noch einmal die einzelnen Teile, und als sie ihr »Gut« ausgesprochen hatte, winkte Canondah vier Mädchen, die sogleich das leichte Fahrzeug ergriffen und es dem Wasser zutrugen. Sie selbst, mit drei Gespielinnen, hatten sich mit Rudern versehen, und sie sprangen, als der Kahn ins Wasser gesetzt wurde, in denselben.

      »Rosa«, rief die Indianerin, »ist ein wenig furchtsam, und muß deshalb zurückbleiben; aber das nächstemal, wenn das Kanu nicht bricht, wird sie mit uns kommen.«

      Das Fahrzeug hatte sich inzwischen, einer leichten Feder gleich, in schaukelnde Bewegung gesetzt. Ein einziger Ruderschlag war hinlänglich, es weit in den Strom hinauszutreiben. Die Indianerin ergriff nun mit ihren Gespielinnen die Ruder.

      Nichts konnte der Geschicklichkeit und Grazie gleichkommen, mit der die Mädchen ihre Ruder handhabten. Sie saßen im Hinterteile des Kahnes, und, das Ruder ins Wasser senkend und ihre Körper vorwärts biegend, brachten sie es schnell in eine parallele Linie mit ihrer Schulter, wandten die Schneide der Strömung zu und gewannen so die nötige Richtung. Die Art des Ruderns der Eingeborenen in diesen Gegenden unterscheidet sich von dem gemessenen Ruderschlage der Amerikaner und ist der Bewegung der Wasservögel nicht unähnlich. So wie die Ente ihren Fuß mit einem kurzen Stoß vorwärts wirft und dann zurückzwingt, mit ebenso vieler natürlichen Behendigkeit behandelten die Mädchen ihre Ruder. Zuerst fuhren sie eine kurze Strecke stromaufwärts, wandten sich dann und flogen mit Blitzesschnelle abwärts, wandten sich wieder und trieben so eine geraume Zeit ihr Spiel. Die andern Kähne hatten sich mittlerweile gleichfalls mit Mädchen gefüllt, und die sechs Schiffchen schienen nun ernstlich willens, sich in ein Wettrudern einlassen zu wollen. Zuerst stellten sie sich in eine Linie, und als mit lautem Rufe von dem Truppe der Squaws am Ufer das Zeichen gegeben wurde, setzten sie ihre Hände in Bewegung. Es war jedoch bald zu ersehen, daß das neue Kanu die Überhand gewann. Ehe die übrigen den ziemlich großen Bogen, den hier der Fluß bildet, verlassen hatten, war es bereits weit in der Strömung vorangeeilt, die unmittelbar darunter anfängt. Plötzlich wurde ein scharf durchdringender Schrei gehört. Noch einen Augenblick wurde das Kanu von den andern gesehen, und dann verschwand es zwischen dem Rohre. Von allen fünf stieg nun ein gleich durchdringender Schrei aus, der für die Mädchen und Weiber am Ufer das Signal zu einem um so schnellern Wettlaufe wurde, als Ängstlichkeit und Neugierde die spornende Veranlassung waren.

      Rosa war sinnend dagestanden. Sie hatte wohl einen Schrei gehört, aber sie wußte nicht, woher er kam. Nun hatte sie sich vom Strudel mit fortreißen lassen und war so viel als möglich geeilt, mit den vordersten gleichen Schritt zu halten. Auch war es ihr eine Zeitlang gelungen, so lange nämlich als die Richtung, die die laufenden Weiber nahmen, nicht ganz deutlich war. Als aber die vordersten die Lichtung bereits überschritten und den bekannten Pfad einschlugen, begann ihr Herz zu pochen. Immer langsamer wurden ihre Schritte, ihre Füße schienen ihr den Dienst zu versagen, und sie mußte einige Zeit innehalten. Daß es dem Fremdlinge galt, dessen war sie gewiß. Aber warum hatte Canondah die Squaws selbst auf die Spur gebracht? Sie keuchte zitternd dem Pfade entlang, wo sie endlich, am Kottonbaume angelangt, Weiber, Mädchen, Jünglinge und Knaben versammelt fand, die Jüngern voll Verwunderung, die Alten mit finstrer Miene den Fremdling anstarrend.

      Ein dumpfes Gemurmel, das sich erhob und stärker und stärker wurde, schien eben kein sehr günstiges Vorbedeutungszeichen der Gastfreundschaft der roten Weiber für den Jüngling, der, auf den Baumstamm gelehnt, seine Augen noch immer geschlossen hatte, allem Anschein nach sich dessen