Plato

The Trial and Death of Socrates


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Häuptlinge auf die Herbstjagd ausgezogen.«

      Die Augen des Briten zuckten, seine Miene heiterte sich auf. »Können Sie mir sagen, teure Miß, wo wir sind?« fuhr er zutraulich fort, ihre Hand ergreifend. Es schien beinahe, als ob das Zartgefühl des Mädchens das Selbstische, das in seiner Frage lag, geahnt hätte. – Sie sah ihn mit ihren klaren Augen forschend an und sprach: »Wir sind weit von den Weißen. Weit vom großen Flusse gegen die untergehende Sonne. Wir hatten vierzig Tage diesen überschritten und noch immer waren wir nicht am Ziele.«

      Der junge Mann schüttelte sein Haupt. »Verzeihen Sie, das kann nicht sein. Ich war bloß acht Tage von dem Blockhause des Piraten weg, und die Golfströmung konnte mich unmöglich so weit vom Mississippi weggetrieben haben. – Wissen Sie nicht den Namen dieses Flusses?«

      Sie verneinte es. »Am jenseitigen Flusse oberhalb wohnen die Coshattaes und weiter oben die Sabineindianer.«

      »Sabine? dann sind wir am Sabine.«

      »Der andere Fluß mag so heißen. Hier«, fuhr sie fort, »sind wir ringsum eingeschlossen. Nur auf dem Strome oder von jenseits gelangt man zu uns. Auf dieser Seite würde auch der Wolf vergebens zu uns zu dringen versuchen. Mein Bruder muß nicht auf Flucht denken.«

      Der junge Mann war in tiefes Nachdenken versunken. »Sabine,« murmelte er, »das ist die Grenze der Vereinigten Staaten gegen Mexiko. Zu Lande höchstens vierhundert Meilen, nicht unmöglich –.«

      »Mein Bruder«, wiederholte sie, »muß nicht auf Flucht denken. Der Miko ist gut, wenn du«, fuhr sie zögernd fort, »ein Feind der Yankees bist. – Er wird dir mit Freuden die Hand reichen, wenn – «

      »Wenn?« fragte der Jüngling gespannt.

      »Wenn du nicht als Späher gekommen bist«; fuhr sie zögernd heraus.

      »Späher, Spion? Pfui! – Wie können Sie, Miß, so Arges von mir denken?«

      Das jungfräuliche Kind hatte ihn mit den klaren, ruhigen Augen kindlicher, aber tief dringender Unschuld angesehen.

      »Mein Bruder,« sprach sie mit naiver Einfalt und einer Miene, die um Aufklärung zu bitten schien, »mein Bruder sagt, daß sein Volk nicht im Kriege gegen den Häuptling der Salzsee begriffen, und es ihn doch an einen Baum hängen würde, im Fall es ihn in seine Hände bekäme.«

      Ein unwillkürlich ironisches Lächeln überflog den Mund des Briten bei Anhörung dieser sonderbaren Rede; aber ein Blick auf das Mädchen, das in edler Einfalt und natürlicher Würde vor ihm stand, machte ihn über seine Gemeinheit erröten. »Wir sind, und wir sind nicht im Kriege mit dem Seeräuber, liebe Miß«, sprach er. »Nicht im Kriege, weil der eigentliche Krieg bloß zwischen zwei Nationen, die legitime Regierungen haben, geführt werden kann; was Sie aber den Häuptling nennen, ist bloß ein Seeräuber, ein Seedieb, ein Elender, der mit dem Auswurfe des menschlichen Geschlechtes Schiffe plündert, Weiber, Kinder und Männer ermordet. Gegen solche Räuber ziehen wir nicht in den Krieg; wir senden aber Schiffe aus, sie aufzusuchen und einzufangen, und dann werden sie zum Lohne ihrer Verbrechen gehängt.«

      Der junge Mann hatte nicht bemerkt, wie das Mädchen während seiner Erklärung leichenblaß geworden war. »Der Häuptling der Salzsee ein Dieb?« fuhr sie erschrocken heraus.

      »Wissen Sie dies nicht?« erwiderte er. »Er ist schlechter als ein Dieb. Er ist ein Räuber, ein Mörder, mit einem Worte ein Seeräuber.«

      Erst jetzt bemerkte er mit Verwunderung den Eindruck, den seine Worte auf sie gemacht hatten. Sie war totenblaß geworben. Zitternd bedeckte sie mit beiden Händen das Gesicht, sie schwankte und eilte der Türe der Hütte zu. Ehe sie jedoch diese erreicht hatte, sank sie bewußtlos auf der Schwelle nieder. Er war herzugerannt, um die liebliche Gestalt vom Sinken zu bewahren, als ein Schrei des Entsetzens sich hören ließ und die Indianerin mit einem Sprunge an seiner Seite stand. Ohne ihn nur eines Blickes zu würdigen, umfaßte sie ihre Freundin mit beiden Armen, drückte einen zärtlichen Kuß auf ihre Lippen und trug sie in ihre Wohnung.

      Der junge Brite hatte den beiden Mädchen mit der Miene eines Mannes nachgesehen, der einer fürchterlichen Entdeckung auf die Spur gekommen. Sein Auge hing mit Scheu an der Türe, als ob sie ein schauderhaftes Geheimnis verschlösse. Unwillkürlich wandten sich seine Schritte zuerst langsam und dann schneller und schneller, als ob er der furchtbaren Entwicklung entfliehen wollte, die der befremdenden Szene folgen müsse. Verstört eilte er in seine Hütte und warf sich auf das Lager. Es lag etwas Gräßliches in dem namenlosen Schmerze, der in dem Busen des Mädchens bei seiner Erklärung rege geworden. Ein erschütterndes Geheimnis! Diese Teilnahme in einem solchen Wesen für einen solchen Menschen – war grauenhaft.

      Dem Selbstgespräch machte die eintretende Indianerin ein Ende. Ernst und prüfend schritt sie auf ihn zu. Ihr Blick war beinahe feierlich. Sie hob ihre Hand auf und winkte ihm, als sie bemerkte, daß die Speisen noch unberührt standen. Er war aufgestanden, um ihr entgegenzukommen.

      »Mein Bruder muß essen,« sprach sie; »wenn er es getan hat, dann will ihm seine Schwester etwas in das Ohr wispern.« Mit diesen Worten ließ sie sich am entgegengesetzten Ende des Ruhelagers nieder.

      »Ich habe keinen Hunger, meine Schwester,« erwiderte der junge Mann, »und bin bereit, dich anzuhören. Wie ist's der weißen Rosa?« fragte er in sichtbarer Verlegenheit.

      »Meine Schwester«, erwiderte die Indianerin, »ist krank; aber sie ist nicht krank wie mein Bruder, sie ist krank im Herzen. Mein Bruder kann die weiße Rosa gesund machen. Sie ist Canondah sehr lieb, mehr als ihr Leben.«

      Sie zitterte, sie suchte augenscheinlich nach Worten, allein sie konnte keines hervorbringen. Sie war sichtlich sehr angegriffen. Ihr Busen hob sich, ihr ganzes Wesen drückte die innigste Teilnahme für ihre Freundin aus. Der Jüngling sah sie mit Verwunderung an.

      »Will mein Bruder sie gesund machen?« fragte sie leise.

      »Und meine Schwester fragt?« erwiderte er. »Was in meinen Kräften steht, will ich gerne tun.«

      »Mein Bruder hat etwas in das Ohr der weißen Rosa geflüstert, das sie krank gemacht hat.«

      »Das tut mir leid; hätte ich auch nur entfernt ahnen können, daß dieses liebliche Wesen an dem Ungeheuer den leisesten Anteil nimmt, nie würde ein Wort über meine Zunge gekommen sein.«

      Die Indianerin sah ihn kopfschüttelnd an. Sie trat einige Schritte zurück und sprach forschend: »Würde mein Bruder es gerne sehen, wenn der Häuptling der Salzsee die weiße Rosa in sein Wigwam führte?«

      »Gott bewahre!« rief der junge Mann. »Dieses wüste Ungeheuer das engelreine Wesen.« Er sprach die Worte mit Heftigkeit, mit Abscheu.

      Das Mädchen fuhr freudig auf, seine Hand ergreifend. »Mein Bruder hat wohl gesprochen. Mein Bruder hat etwas in das Ohr der weißen Rosa geflüstert. Hat er keine Lüge gesagt?« »Lüge?« entgegnete er rasch. »Nein, liebes Mädchen, kein Gentleman sagt eine Lüge.«

      »Und der Häuptling der Salzsee ist ein Dieb, ein Räuber?« fragte sie. Sie blickte ihn an und nickte. »Er ist ein Panther der Salzsee, der rote Hund, die Mokassinschlange?« Ihre Augen blitzten vor Wut und Verachtung.

      »Er ist wirklich ein Dieb, mit allen den Seinigen, der Auswurf des Menschengeschlechtes, der raubt, stiehlt, mordet. Er ist vogelfrei, und wenn wir ihn heute erwischen, so hängt er morgen in Ketten«, sprach der junge Mann.

      »Und mein Bruder ist kein Yankee?« fragte sie.

      »Nein«, sprach er, sich stolz in die Brust werfend. »Gott sei Dank, ich habe die Ehre, ein Engländer zu sein; von der Nation, die den Ozean beherrscht und alle Könige und Kaiser in ihrem Felde hält und tausend Schiffe auf allen Meeren hat.«

      Der Ausdruck des jungen Mannes, der Indianerin gegenüber, hatte jene hier ziemlich alberne Prahlerei angenommen, der sich jedoch auch der sonst vernünftige Brite so gerne und nie mehr als dann überläßt, wenn es sein Vorteil zu erheischen scheint, Fremden eine recht große Idee von seinem Lande und so gelegentlich von sich selbst beizubringen.

      Diesmal schien die Indianerin