Plato

The Trial and Death of Socrates


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riefen die drei erblassenden Damen.

      »Gewiß, ich höre jeden Schuß, viele Schüsse, fünfzehn, zwanzig auf einmal. Jeder gleicht dem entfernten Rollen des Donners.«

      »Es ist nicht möglich«, meinte die Oberstin. »Es sind nahe an hundertundachtzig Meilen. Zwar der Wind kommt vom Balize herauf – kein Gebirge – die Ufer liegen offen.«

      »Ich komme soeben vom Strome«, sprach der junge Copeland mit einer leichten Verbeugung. »Ein sonderbarer Vorfall: die beiden Indianer, die wir seit der Entweichung des Alten in Haft zu setzen genötigt waren, brachen plötzlich los; aber statt zu entfliehen, stehen sie nun am Ufer, die wunderlichsten Verzerrungen schneidend. Ich glaube, die Leute hören etwas.«

      »Es ist die Schlacht, liebe Mutter. Komm, liebe Mutter! Virginie und Gabriele! zu Ochtitlan, und mein Bruder wird dem armen Manne seine Freiheit verkünden.«

      »So sei es denn«, sprach die Oberstin, die sich von der natürlichen Beweglichkeit des Mädchens hingerissen fühlte. »Mister Copeland gehen Sie zu Squire Brown und sagen Sie ihm, daß wir Bürgschaft für Madiedo stehen.«

      Der junge Mann sah die Frau verwundert an.

      »Gehe, gehe, lieber Bruder!« trieb ihn Rosa vorwärts, »und komme dann.«

      »Sehr gerne, Schwesterchen«; sprach dieser, der rasch den Weg zum Städtchen einschlug, während die Damen dem Strome zueilten. Schon von weitem erblickten sie die Indianer, umgeben von einer Gruppe von Männern, Weibern und Kindern. Einer derselben lag in dem Winkel der Erdzunge, die hier durch das aus dem Mississippi tretende Bayou gebildet wird, auf dem Boden, während der andere die Neugierigen, die mehr und mehr herbeikamen, in einen Halbzirkel ordnete. Ein leises, kaum merkbares Säuseln kam vom Süden herauf, das aber bei weitem von dem Rauschen der Wogen übertäubt wurde. Allmählich hatte das sonderbare stumme Schauspiel eine bedeutende Anzahl von Menschen angezogen. Als die Indianer Rosen ersahen, sprangen sie mit der lebhaftesten Freude auf sie zu und sprachen einige Worte im Pawneedialekte, mit der Glut der höchsten Leidenschaft. Ihr ganzes Wesen hatte eine kriegerische Wut angenommen.

      »Es ist die Schlacht«, sprach diese. »Die Cumanchees hören sie deutlich. Sie sagen, es ist eine schreckliche Schlacht, die die Weißen schlagen. Viele tausend große und kleine Feuerschlünde speien ihre eisernen und bleiernen Kugeln aus.«

      Der Indianer warf sich auf den Boden und gab Zeichen.

      »Sie stehen noch immer auf demselben Orte«, sprach sie. »Nun brüllen die Feuerschlünde weniger.«

      »Nun brüllen sie stärker«; rief sie nach einer Weile.

      »Nun zittert die Erde. Zwanzig der großen Feuerschlünde brüllen auf einmal.«

      »Gott segne Sie, Madame!« rief plötzlich eine Stimme hinter ihnen. Es war der Spanier oder Mexikaner Madiedo, alias Benito, mit seinem Weibe.

      Die Oberstin winkte ihnen Stillschweigen zu und deutete auf Rosen. »Danken Sie es dieser«; sprach sie leise.

      Der Mann faßte sie einige Augenblicke ins Auge, und sein sprachloses Erstaunen schien ihm die Worte auf der Zunge zu fesseln. »Um Gottes willen, wer sind Sie, Miß? um Vergebung!«

      »Rosa«, sprach das Mädchen verwundert.

      »Rosa!« erwiderte der Mann. »Mein Gott, wie sie leibt und lebt. Unbegreiflich!« rief er.

      Die Indianer waren während dieses Zwiegespräches ungeduldig geworden. Der auf dem Boden Liegende hatte sich aufgerichtet und stand gleichgültig da, ohne ferner seine Beobachtungen fortzusetzen. Das Gespräch, obwohl leise geführt, hatte es ihnen unmöglich gemacht, etwas weiter zu hören.

      »Die Schlacht, Madame und meine schönen Misses,« rief ein junger Mann in der englischen Offiziersuniform, aber mit dem knarrenden irischen Dialekte, »bei St. Patrik! Wer das sagt, muß die Ohren eines Midas haben. Wissen Sie, meine schönen Damen, daß wir auf einem ihrer Dampfschiffe volle achtzehn Stunden brauchten, und sie gehen wie die besten englischen Postpferde. Eine schöne Erfindung, Madame, die Ihnen Ehre macht.«

      Die Oberstin sah den dreisten jungen Mann verwundert unwillig an.

      »Leutnant Connaught!« sprach der junge Copeland, »wollen Sie so gefällig sein, nur auf ein Wort zu folgen?«

      »Ein andermal«, rief der Irländer, der sich recht wohl zu befinden schien, obgleich ihm alle Damen den Rücken gewendet hatten. »Diese Wilden«, fuhr er fort, »haben übrigens ein feines Gehör, und es ist zehn gegen eins zu wetten, daß wir bei dieser Zeit die Hauptstadt genommen haben und die Unsrigen auf dem Hermarsche sind. In diesem Falle, meine Damen, können Sie sich auf den Schutz Leutnant Connaughts verlassen. Darf ich so frei sein, Ihnen meinen Arm anzubieten, schöne Miß?« sprach er zu Virginien.

      Statt der jungen Dame bot ihm Mister Copeland den seinigen an, und ohne ein Wort weiter zu verlieren, zog er ihn einer Gruppe kriegsgefangener Offiziere zu, die mehr bescheiden in einiger Entfernung am Stromufer standen.

      Sowie der Irländer entfernt war, warf sich der Cumanchee wieder zur Erde und gab neuerdings denselben regelmäßigen Bericht von der Schlacht durch Zeichen, zuweilen wisperte er Rosen einige Worte zu, die sie dann der Oberstin und der versammelten Menge mitteilte. Die Umstehenden standen starr in atemloser Stille. Jeden Augenblick mehrte sich die Menge; sie kamen auf den Zehen geschlichen und gingen, kamen wieder und standen, alles um sich her vergessend. Stunden waren so verstrichen, die Sonne sank bereits hinter die westlichen Wälder, und noch standen alle versammelt. Plötzlich fuhr der Indianer zusammen und sprang mit allen Symptomen des Entsetzens auf.

      »Es war ein schrecklicher Donner«, rief Rosa.

      Wieder warf er sich zur Erde, lag noch eine Viertelstunde und stand dann gelassen auf. Beide Wilde nahmen Abschied von Rosa und folgten der Wache, die sie ihrer Haft zuführte.

      »Madame!« sprach der Wirt Madiedo die Oberstin an, als diese nun mit ihren Töchtern und Rosa den Heimweg betrat. »Darf ich Sie um einen Augenblick Gehör bitten?«

      »Nicht heute, Monsieur Madiedo«, sprach die Dame.

      »Nur zehn, nur fünf Minuten. Es betrifft die junge Dame«, auf Rosa deutend.

      »Kommen Sie denn in einer halben Stunde.«

      Sechsunddreißigstes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Grabesstille herrschte am folgenden Morgen im Speisesaale des Gasthofes zum Bayou Sarah, wo sich die Gäste soeben zum Frühstücke niederließen, als der Donnerruf »ein Dampfschiff!« erschallte. Die Sessel flogen nun in jeder Richtung auseinander, und alle strömten totenbleich zur Türe hinaus auf das Stromufer zu. Nur vier junge Männer, die ihre reichen, goldstrotzenden, roten Uniformen als englische Offiziere bezeichneten, blieben mit unserem Midshipman ganz gemächlich an der vollbesetzten Tafel sitzen.

      »Da gehen sie, die glorreichen Yankees«, lachte Kapitän Murray.

      »Sind bloß drei darunter, die übrigen sind unsere französischen und deutschen Spargelwächter«, entgegnete Leutnant Forbes.

      Diese Spargelwächter, wie sie der launige Engländer nannte, waren die Bewohner des Städtchens, die seit dem Abmarsch der waffenfähigen Mannschaft in ein Korps quasi Munizipalgarden zur Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung vereinigt worden waren, und unter denen sich auch die Herren Gieb und Prenzlau befanden, die sich auf die Ehre, an der allgemeinen Landesverteidigung Anteil zu nehmen, die ihnen vor ihren weniger respektablen Landsmännern, den Herren Merks und Stock, zuteil wurde, nicht wenig einbildeten und ihre frühern Meinungen über die hier herrschende Unordnung gänzlich aufgegeben hatten.

      »Langweilige Kerle«, rief Kapitän Murray wieder. »Unausstehlich langweilige Kerle, diese Yankees«, versicherte er nochmals, eine Wachtel anfassend, und die Brust von beiden Seiten mit anatomischer Genauigkeit ablösend. »Wenn das Tierchen hier«, beteuerte er, »ein wenig mehr gebraten, statt geröstet wäre,