Olaf Müller

Tote Biber schlafen nicht


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      Olaf Müller

      Tote Biber schlafen nicht

      Eifel-Krimi

      Zum Buch

      Wem gehört die Eifel? Der bekannte Aachener Immobilienhai Brauers hängt nach einem Karnevalsball tot an der Victor-Neels-Brücke in Vogelsang. In Krakau wird Professor Haberstock, Biberexperte der RWTH Aachen, der auf dem Weg in die Vorkarpaten ist, tot aufgefunden und im Hambacher Forst eskaliert die Gewalt. Wie hängt all das miteinander zusammen? Kommissar Fett und sein Kollege Schmelzer übernehmen die Ermittlungen und stoßen auf ein ganzes Bündel an Motiven: Eifersucht, Rache, Konkurrenz. Sie recherchieren in der Aachener Gesellschaft, in Heimbach, Hambach, Düren, Kall, Vogelsang und in Moresnet. Seltene Erden könnten der Schlüssel sein. Oder Umweltschutz für die Eifel? Als im Kloster Steinfeld ein weiterer Toter gefunden wird, entdecken die Kommissare unheimliche Verbindungen zwischen den Fällen. Unterstützung bei der Lösung der rätselhaften Verstrickungen erhält Kommissar Fett von seiner Kollegin Kalumba aus Lüttich. Die Hektik um die Karlspreisverleihung an Präsident Macron bringt zusätzliche Herausforderungen …

      Olaf Müller wurde 1959 in Düren geboren. Er ist gelernter Buchhändler und studierte Germanistik sowie Komparatistik an der RWTH in Aachen. Seit 2007 leitet er den Kulturbetrieb der Stadt Aachen. Sprachreisen führten ihn oft nach Frankreich, Italien, Spanien sowie Polen und Austauschprojekte in Aachens Partnerstädte Arlington (USA), Kostroma (Russland) und Reims (Frankreich). Olaf Müller hält Vorträge u.a. zum Thema Heimat und Identität. Als Segelflieger kennt er die Eifel aus der Luft, als Wanderer vom Boden. „Tote Biber sterben nicht“ ist nach „Rurschatten“, „Allerseelenschlacht“ und „Die Macht am Rhein“ (gemeinsam mit Maren Friedlaender) sein vierter Kriminalroman im Gmeiner-Verlag.

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      Alle Rechte vorbehalten

      2. Auflage 2020

      Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt

      Herstellung: Julia Franze

      E-Book: Mirjam Hecht

      Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

      unter Verwendung eines Fotos von: © Magnus / stock.adobe.com

      ISBN 978-3-8392-6624-3

      Haftungsausschluss

      Personen und Handlung sind frei erfunden.

      Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

      sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

      Stumme Biber

      Tote Biber schlafen nicht. Der tote Biber lag vor der Eingangstür der Leopoldina in Halle. Neben ihm eine rote Rose. Das Weiß des prachtvollen Gebäudes der Wissenschaftsakademie stand in scharfem Kontrast zum braunen Biberfell, der dünnen Blutspur auf dem Marmorboden, der Rose und den kalten Augen des Nagers. Dazu der Schnee. So weiß, so unschuldig. Er bedeckte die gesamte Zufahrt, knirschte und knarzte unter dem Schuhwerk und ließ die Moritzburg nebenan wie eine Zuckertorte aussehen. Der Himmel war stahlblau. Eine Postkartenidylle. Fast.

      »Scheißä! Wiedär ein totär Bibär.« Hausmeister Mateo Modic, stets im eisengrauen Kittel, verdrehte die Augen, murmelte in Deutsch mit Streifen vor sich hin, wollte Schaufel und Besen holen, um den letzten Dienst zu erweisen, als Professor Dr. Hermann Haberstock, aus dem Flur kommend, im Eingang stand und sagte: »Scheiße. Ein toter Biber.«

      Professor Haberstock, 75 Jahre alt und emeritierter Lehrstuhlinhaber für Biologie an der RWTH Aachen, gehörte zu den Topreferenten des 13. Bibersymposiums Ende Januar 2018 an der Leopoldina in der schönen Saale-Stadt Halle. Das Thema des Symposiums lautete: »Resilienz und Achtsamkeit in der mitteleuropäischen Biberpopulation.« Mit dem Exemplar im Eingang war nicht mehr viel los. Unachtsam lag er da, wenn man von der Rose absah. Der dritte tote Biber seit Beginn des Kongresses. Irgendetwas lief schief. Wurde Zeit, die Polizei einzuschalten. Was würde die sagen? Leopoldina und tote Biber. Großes Gelächter. Altehrwürdiges Haus, Kanzlerin Merkel regelmäßig zu Besuch. Und dann tote Biber vor der Tür. Haberstock schaute auf den Hausmeister. Der Hausmeister schaute auf Haberstock.

      »Nun machen Sie doch was! Stehen Sie nicht rum wie ein Hornochse in Grau! Da liegt ein toter Biber. Der hat vielleicht eine Seuche und verpestet den Eingang der Leopoldina.«

      »Wie die beidän anderän«, brummelte Modic, dem die Arroganz der Professoren schon lange auf den Senkel ging. Vor allem diese Wessiprofessoren. Sieht selber aus wie ein Bibär. Warte nur Freundchen, dir werde ich noch heute den Abfluss der Dusche im Zimmer verstopfen, dachte er und schlurfte davon, um das Kehrblech zu holen. Mateo Modic war ein gutmütiger Mann, dem der linke Unterarm im Jugoslawienkrieg abhandengekommen war. Zusammen mit seiner Frau Zofia lebte er am Stadtrand von Halle, war seit 15 Jahren Hausmeister und liebte es, in seinem Kleingarten an der Saale Tomaten, Bohnen, Möhren und Kartoffeln zu pflanzen. Dass er dort, in seinem kleinen Paradies, wie er es nannte, im übernächsten Jahr zur Sommerzeit von sturzbetrunkenen Neonazis grundlos oder vielleicht wegen seines Namens oder wegen Lust an Grausamkeit zusammengeschlagen und so verletzt werden würde, dass er den Rest seines Daseins in Halle im Rollstuhl verbringen sollte, konnte Mateo Modic natürlich nicht ahnen, als er sich mit seiner rechten Hand und dem rechten Arm um den toten Bibär kümmerte.

      Haberstock gab sich einen Ruck. Aufrechten Ganges strebte er in seinem taubenblauen Stangenanzug Richtung Cafeteria. Drei tote Biber von der Saale-Population. Was hat das zu bedeuten? Wieder diese militanten Umweltfuzzis? Warnungen, Bedrohungen? Wem galten sie? Dem Symposium? Ihm? Der Leopoldina? Seit der bayerische Vorläufer des BUND, der Bund Naturschutz in Bayern, 1966 das Projekt Wiedereinbürgerung der Biber in Bayern gestartet hatte, wurden immer mehr Lehrstühle mit Biberkennern besetzt und die Flüsse und Stauseen zu einem Eldorado für die Nager.

      Jetzt haben wir den Salat, dachte Haberstock. Zuerst ein Kaffee. Dann würde die Welt wieder besser aussehen. Vielleicht kommt Kollegin Wittstein-Olmütz hinzu. Ihre Forschungsergebnisse in den letzten Jahren waren rasant. So, wie ihr Aussehen. Haberstock verdrängte sein Alter, die toten Biber und wandte sich den schöneren Seiten des Lebens zu.

      Im Café »Grammophon« schäkerte derweil Frau Professor Ines Wittstein-Olmütz mit dem jungen Inhaber, der ihr seine Geschichte aus Neuseeland erzählte. Endlich mal keine Biber, sondern das wahre Leben. Eine Auf- und Aussteigergeschichte. Ihre Latte wurde so kalt wie die Außentemperatur, die Marmelade tropfte vom Croissant, sie hatte jedes Zeitgefühl verloren. In ihrem engen und figurbetonten Kostüm – der Pelzmantel, natürlich Kunstpelz, hing an der Garderobe – hatte sie nur Augen für den jungen Mann, der immer wieder von Gästen unterbrochen wurde. Zumeist Studentinnen, die bei ihm, nur bei ihm, einen Cappu oder ein stilles Wasser oder einen Darjeeling-Tee