anzündet. Was bezweckt man damit? Das macht überhaupt keinen Sinn. Ist es die bloße Lust am Zerstören? Oder der Anblick des Feuers? Letzte Woche war es ein Müllcontainer auf dem Gelände einer Bäckerei im Gewerbegebiet von Tinnum, der gebrannt hat. Wo steckt der Sinn?«
Sein Kollege zuckte mit den Schultern.
»Keine Ahnung! Eine Erklärung habe ich dafür nicht. Anderswo sind es Strohballen, die angezündet werden. Aber wie es aussieht, liegt es nicht in der Absicht der Brandstifter, jemanden zu verletzen. Wenn der Brand gelöscht ist, wissen wir vielleicht mehr. Ich halte es mittlerweile nicht mehr für reinen Zufall. Vermutlich hat jemand kräftig nachgeholfen. Was immer ihn oder sie dazu veranlasst haben mag. Ich hoffe, wir finden es bald heraus. Du, ich glaube, da drüben wird unser Typ verlangt«, sagte er und deutete zu den Feuerwehrleuten auf der gegenüberliegenden Straßenseite. »Lass uns zu den Kollegen von der Feuerwehr gehen. Vielleicht haben sie einen ersten Hinweis.«
Mit diesen Worten gingen die beiden Polizeibeamten zu einem der Einsatzkräfte der Feuerwehr, der sie zu sich winkte.
Kapitel 2
»Volker, das Telefon klingelt!«, rief Maria Bergmann aus der Küche in den Flur. »Gehst du bitte ran? Ich kann gerade nicht weg. Volker? Hast du mich gehört?«
»Ja, ich gehe ja schon«, antwortete ihr Mann knurrig. »Du brauchst nicht so zu schreien, ich bin schließlich nicht schwerhörig.«
Er setzte die Brille ab, erhob sich von seinem Stuhl und ging zum Telefon, das neben dem Wohnzimmerfenster auf der Anrichte stand. Seine Frau wusch sich schnell die Hände, die vom Apfelschälen ganz klebrig waren. Am Nachmittag sollten Freunde zu Besuch kommen, und sie wollte ihren berühmten Apfelstrudel backen. Sie bereitete ihn nach einem alten Familienrezept zu, das sie von ihrer Großmutter hatte. Während sie die Äpfel viertelte, das Kerngehäuse sorgfältig entfernte, sie schälte und anschließend in dünne Spalten schnitt, wanderten ihre Gedanken zu ihrer Tochter Anna. Sie wohnte seit Kurzem auf der nordfriesischen Insel Sylt, dem nördlichsten Fleckchen von Deutschland. Seit ihrem Umzug waren zwar erst einige Monate vergangen, aber Maria Bergmann vermisste ihre Tochter bereits jetzt sehr. Anna hatte den größten Teil ihres bisherigen Lebens in Hannover verbracht. Nicht weit von ihren Eltern entfernt, hatte sie vor knapp zwei Jahren eine kleine Eigentumswohnung erworben. Eigentlich war sie gerade dabei gewesen, die Wohnung zu verschönern, da kam alles anders, und sie zog nach Sylt. Auch wenn Maria Anna nicht ständig sah, so wusste sie doch, dass sie ganz in ihrer Nähe war. Sie hätte sie jederzeit sehen können. Und heute hätte sie ihr schnell einen frischen Apfelstrudel vorbeigebracht. Anna aß ihn so gerne, am liebsten warm aus dem Ofen mit einem Klecks frischer Schlagsahne. Sie seufzte bei dem Gedanken an ihre Tochter. Natürlich war Anna mit fast 30 Jahren längst erwachsen und lebte ihr eigenes Leben, in das sie sich als Mutter nicht einmischen wollte. Aber dennoch fiel es Maria Bergmann schwerer, ihr einziges Kind loszulassen, als sie es sich manchmal eingestehen wollte. Die gewohnte Nähe fehlte ihr. Zwischen ihnen lagen nun mehr als 300 Kilometer.
»Bergmann«, hörte sie ihren Mann Volker sagen, als er das Gespräch annahm und somit das Klingeln verstummte.
Am Telefon sprach er immer lauter als gewöhnlich. Seine Mutter war mit der Zeit zunehmend schwerhöriger geworden, da hatte er es sich angewöhnt, beim Telefonieren lauter zu sprechen, damit er nicht immer alles zweimal sagen musste. Marias Schwiegermutter war zwar mittlerweile verstorben, aber Volker hatte das laute Sprechen beibehalten. Daher konnte Maria ihn selbst in der Küche noch gut verstehen. Sie verteilte die Apfelspalten in der Mitte des vorbereiteten, hauchdünn ausgerollten Teiges, streute Rosinen, eine Mischung aus Zimt und Zucker und zuletzt die gehobelten Mandeln darüber. Anschließend verschloss sie alles mit den überstehenden Teigrändern, bis die gesamte Füllung vom Teig bedeckt wurde. Als Nächstes bepinselte sie den Strudel mit flüssiger Butter, damit er später von außen goldbraun und schön knusprig wurde. Dann schob sie das Blech mit dem Apfelstrudel in den vorgeheizten Backofen und stellte die Uhr am Ofen auf die entsprechende Backzeit ein. Jetzt spülte sie sich erneut die Finger unter fließendem Wasser ab. Sie ging neugierig ins Wohnzimmer und wischte sich auf dem Weg dorthin die nassen Finger an ihrer Schürze trocken. Fragend sah sie ihren Mann an, während er telefonierte. Aber er war so auf das Telefonat konzentriert, dass er ihr keine Beachtung schenkte. Sie lehnte sich gegen den Sessel und wartete geduldig ab. Dabei zupfte sie mit den Fingern einige kleine Fussel von der Lehne. Gestern hatte sie einen Pullover aus Angorawolle getragen, und der hatte ganz offensichtlich seine Spuren auf dem Möbelstück hinterlassen. Das konnte man im Tageslicht deutlich erkennen, denn gestern Abend war es ihr nicht aufgefallen.
»Das war die Praxis von unserem Hausarzt«, erklärte ihr Mann Volker und stellte das Telefon auf die Basisstation, ehe Maria fragen konnte.
»Und? Was haben sie gesagt? Es ist doch nichts Schlimmes, oder Volker? Das Telefonat hat so lange gedauert.«
»Nein, ich musste zwischendurch kurz warten. Sie haben mir mitgeteilt, dass meine Blutwerte absolut in Ordnung sind. Und so ein anderer bestimmter Wert auch, die Sprechstundenhilfe hat es mir alles genau vorgelesen, aber ich habe vergessen, was es war. Jedenfalls kannst du ganz beruhigt sein, Maria, es ist alles im grünen Bereich, kein Grund zur Besorgnis. Ich wäre ausgesprochen fit für mein Alter, meinte sie. Was immer sie mir damit sagen wollte.« Er runzelte im Nachhinein die Stirn.
Seine Frau hörte ihm aufmerksam zu.
»Na, Gott sei Dank. Brauchst du keine Medikamente mehr nehmen?«, wollte sie wissen.
»Meine Tabletten muss ich trotzdem weiternehmen, das hat damit nichts zu tun. Das neue Rezept ist fertig, und ich kann es jederzeit abholen. Ich werde mich gleich auf den Weg machen. Sonst ist es später im Feierabendverkehr überall so voll. Außerdem kriegen wir nachher Besuch, da kann ich nicht weg. Brauchst du etwas aus der Apotheke oder sonst irgendetwas von unterwegs?«
»Nein, aber du kannst auf dem Rückweg bei der Post halten und die da einwerfen.«
Sie deutete auf zwei Briefe, die mit einer Briefmarke versehen auf der Kommode im Flur lagen.
»Kann ich machen. Du brauchst sonst wirklich nichts?«
»Nicht, dass ich wüsste. Im Moment fällt mir jedenfalls nichts weiter ein«, erwiderte seine Frau und dachte angestrengt nach. Dabei runzelte sie die Stirn. »Für heute Nachmittag habe ich eigentlich alles, und morgen muss ich sowieso einkaufen.«
»Gut, dann bin ich bald zurück. Wenn dir etwas einfallen sollte, kannst du mich auf meinem Handy erreichen. Vielleicht fahre ich auf dem Weg zum Tanken. Kommt darauf an, wie günstig das Benzin ist. Abends ist es meistens billiger.«
Mit diesen Worten zog er seine Jacke an, griff nach den Briefen auf der Kommode und dem Autoschlüssel daneben und verließ das Haus. Gerade als die Haustür hinter ihm ins Schloss gefallen war, klingelte erneut das Telefon. Maria Bergmann war gerade im Begriff, in die Küche zu gehen. Sie machte kehrt und ging zielstrebig ins Wohnzimmer, wo sie nach dem Telefonhörer griff. Wer kann das sein, überlegte sie auf dem Weg dorthin. Vielleicht war es ihre Tochter Anna.
»Bergmann!«, flötete sie daher fröhlich ins Telefon.
Sie war erleichtert darüber, dass Volkers Blutuntersuchung ohne Befund war. Ein mulmiges Gefühl hatte sie im Vorfeld doch gehabt, weil man nie wusste, was bei diesen Untersuchungen herauskam. Dabei war sie kein ängstlicher oder pessimistischer Mensch, der stets mit dem Schlimmsten rechnete. Umso mehr freute sie sich über das gute Ergebnis. Da hatte sich die Umstellung auf cholesterinarme Ernährung gelohnt. Sie hatte eigens dafür ein spezielles Kochbuch angeschafft und streng nach den darin vorgeschriebenen Angaben gekocht. Nicht selten dem Protest von Volker zum Trotz, der das Ganze für völlig überzogen hielt. Er wäre bislang auch ohne diesen Schnickschnack über 60 Jahre alt geworden, hatte er stolz verkündet. Aber letztendlich konnte sie ihn davon überzeugen, dass es besser für ihn sei, denn er hatte ja die schlechten Blutwerte gehabt.
»Hallo, Maria, hier ist Marcus. Ich hoffe, ich störe dich nicht bei etwas Wichtigem«, meldete sich eine Männerstimme am anderen Ende der Leitung.
»Marcus!«, antwortete Maria Bergmann nach einer kurzen Pause. Vor Schreck wäre