Frank Rehfeld

8 Krimis: Killer kennen kein Gebot: Krimi Sammelband 8009


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Narr, es fliegt mit uns allen in die Luft, jetzt, jede Sekunde!“, schrie Dr. Ferrenc.

      Aber Lucy schluchzte: „Alexander, lieber Alexander!“

      Der Baron sah nicht viel, aber genug, um die Fesseln zu finden, mit denen Lucy angebunden war. Ein Schnitt, sie war los. Er riss sie hoch, warf sie über Bord, so wie sie war, gefesselt an Händen und Füßen. Drüben sprang einer der Cops ins Wasser. Tapferer Bursche, der sein Leben riskierte, wenn die Bombe hochging.

      Und jetzt Mike. Der Strick, mit dem man ihn gebunden hatte, wollte sich nicht zerschneiden lassen. Aber dann, endlich hatte ihn der Baron los. Er riss Mike hoch, dann warfen sie sich gemeinsam über Bord, tauchten unter, der Baron schluckte Wasser, weil er mit der Nase gegen die Stirn von Dr. Ferrenc prallte. Und dann zerriss es ihm bald das Trommelfell. Wie von einer Geisterhand wurden sie beide gepackt und hochgehoben, aus dem Wasser gedrückt, um wieder einzutauchen bis über den Kopf.

      Krampfhaft hielt der Baron Mike fest, der gefesselt nicht schwimmen konnte. War ihm etwas passiert? War Lucy oder den Cops etwas geschehen? Er wusste es nicht. Sein linkes Ohr schmerzte abscheulich. und er hatte zu viel Wasser geschluckt. Die Nase blutete offenbar auch, denn sie war zu, als hätte er einen ausgewachsenen Schnupfen.

      Dann endlich erkannte der Baron die Scheinwerfer. Dann packten ihn zwei kräftige Hände, krallten sich in seine Schulter. „Loslassen, Baron, loslassen!“, rief eine Stimme. Sie zogen ihm Mike aus den Händen. Und schließlich zerrten ihn die muskulösen Arme auch an Bord des Bootes.

      „O wei, o wei, das konnte ins Auge gehen“, sagte der Baron und wischte sich das Wasser aus den Augen.

      Mike wurden gerade die Fesseln abgeschnitten.

      „Das Mädchen, was ist mit dem Mädchen?“, fragte der Baron den Cop, der vor ihm kniete.

      „Drüben, im anderen Boot. Scheint okay. Mein Kamerad hat sie zum anderen Boot gebracht.“

      Der Baron erfuhr die schmerzliche Gewissheit erst an Land, als Alexander mit Mike auf den Strand stapfte und die Cops Lucy auf den Sand trugen und sie hinlegten.

      „Was ist mit ihr?“, schrien der Baron und Dr. Ferrenc gleichzeitig.

      Einer der Cops leuchtete Lucy mit der Handlampe an. Und da sahen sie es. Nutzlos von Mike, ihr den Puls zu fühlen, ihre Atmung feststellen zu wollen. Es gab für Lucy Gillmore keinen Pulsschlag mehr. Ein kleines schäbiges Eisenstück hatte ihr die Schläfe eingeschlagen. Gnadenlos, als alles schon gut zu sein schien.

      Der Baron stand vor ihr und sah sie an, die kleine Fee, die einmal geirrt und so sehr hatte dafür büßen müssen. Ein Engel mit kleinen Fehlern war sie gewesen, und doch ein prächtiges Mädchen. Und er hatte sie wirklich gern gehabt. Mit all ihren Fehlern und dem, was er von ihr wusste. Arme Lucy.

      Ein Cop kam und deckte eine Wolldecke über die Tote. Und dann kam Mike, legte dem Baron den Arm um die Schulter und sagte leise: „Alexander, alter Junge, das musst du packen! Sie war ein netter Kerl, aber das Leben geht weiter. Sieh mich an, Alexander! Ja, so ist es gut. Ich bin keine Lucy, aber ich bin dein Freund. Komm jetzt mit! Larry Tross will mit dir reden, und er wagt es nicht, weil er ein anständiger Bursche ist. Baron Strehlitz, die Pflicht ruft dich!“

      Und diesen Mann hatte der Baron einmal verdächtigt, ein Mörder zu sein. Ich hoffnungsloser Narr!, dachte er. Wie hatte ich nur eine Sekunde lang an ihm zweifeln können?

      „Alexander“, sagte Larry, der zögernd näher kam. „Alexander, eben kam Nachricht von Hartman. Er und seine Leute haben Wake Emmenter und Sam Buster sowie zwei weitere Gangster auf dem Airport Expressway gestellt. Es hat ein Gefecht gegeben, und dabei ist Wake Emmenter erschossen worden. Einer von Hartmans Leuten wurde leicht verletzt.“

      „Larry, komm jetzt mit. Sag den Cops, dass sie sich um Lucy kümmern sollen. Sag es ihnen, Larry!“

      Dann stieg er zu James und Mike in den Le Mans. Larry kam nach, und sie fuhren los. Der letzte Akt des Falles Koog begann.

      20

      Im Baron war kalte Härte, als er mit Larry und Mike im Lift in den achten Stock des Hochhauses hinauffuhr. Der Mann, der all das Grausame erdacht und angeordnet hatte, ihn würden sie gleich vor sich haben. Er war auch für Lucys Tod verantwortlich. Und Mike würde nicht mehr leben, hätte ihnen das Glück nicht mitgeholfen. Und es war eigenartig, der Baron empfand keinen Hass. Nicht mehr. Vorhin am Strand, da hätte er diesen Menschen hassen können. Jetzt spürte er nichts als eine kalte Leere.

      Mike hatte mitkommen wollen. Der Baron konnte es ihm nicht verdenken.

      Achter Stock, der Lift hielt. Sie stiegen aus. Und hinter ihnen schwirrte der Lift wieder hinab, um die drei Cops heraufzutransportieren, die unten warteten. Auch auf der Feuerleiter kamen mehrere Polizisten herauf. Und über die Treppe.

      Der Baron trat an die Tür, drückte auf den Summer. Drinnen blieb es still. Dann wieder auf den Summer, endlich rührte sich etwas. Schlurfende Schritte kamen auf die Tür zu.

      „Wer ist es?“

      Der Baron hielt die gespreizte Hand vor den Mund und sagte mit Bassstimme: „Ich, Wake, mach auf!“

      „Na endlich“, hörten sie ihn drinnen sagen, dann schloss der Schlüssel, die Tür ging auf.

      Der Baron stellte den Fuß dazwischen und richtete die Pistole auf Dr. Hiller. „Hände hoch, an die Wand! Umdrehen!“, befahl der Baron.

      Aber er stand reglos, sah den Baron aus weit aufgerissenen Augen an wie einen Geist und schrie plötzlich mit überschnappender schriller Stimme: „Nein, nein! Es ist nicht wahr! Nein!“ Der Arm war nicht in der Binde, nur der Verband erinnerte an den Selbstschuss durch ein Brot hindurch, das von einem Lappen umwickelt gewesen war. So hatte es wie ein echter Schuss ausgesehen. Der Pulverschleim hing im Brot. Aber das hätte er beseitigen sollen. Und den Lappen auch.

      Larry schob sich am Baron vorbei und riss Hiller den gesunden Arm auf den Rücken. Im Polizeigriff hielt er Hiller fest.

      „Mach das Licht an, Mike!“, sagte der Baron und trat auf Hiller zu.

      „Was wollen Sie? – Ich protestiere! Was wollen Sie?“, schrie Hiller, aber es klang so lachhaft albern, dass der Baron sich die Antwort schenkte.

      Stattdessen sagte Larry: „Wir haben den Haftbefehl. Sie ziehen sich an und kommen mit.“

      Dann erschienen die Cops, und sie legten Hiller die Handschellen an. Er schrie, kreischte wie ein kleines Kind, schließlich wimmerte er vor sich hin.

      Eine halbe Stunde später saß er im Ortsbüro vor dem Schreibtisch. Hartman, James und der Baron betrachteten ihr Gegenüber. Ein schlaffer, heimtückischer Mensch, weiter nichts. Aber dennoch mit einem Hirn, das soviel Gemeinheit hatte ausbrüten können.

      „Ich bin unschuldig, ich bin unschuldig!“, schrie er immer wieder, bis er merkte, dass er keinen beeindruckte. Da gab er es auf.

      Hartman sah den Baron gespannt an, und auch Larry schien auf eine Erklärung von ihm zu warten. Aber er nahm sich Zeit. Das würde er noch hinter sich bringen und danach schlafen, ein paar Stunden irgendwo ruhig ausschlafen.

      Einer von den Leuten servierte Kaffee. Auch Hiller schielte danach, aber er bekam keinen.

      „Eine Zigarette, ich muss eine Zigarette haben!“, kreischte er plötzlich.

      „Sie bekommen keine Zigarette, Dr. Hiller. Ich erzähle Ihnen jetzt meine Anklage in groben Zügen“, sagte der Baron so schneidend, dass er erschrocken zusammenzuckte und seine Zigarette vergaß.

      „Ihr Spiel begann, das hat Larry Tross indessen ermitteln können, bereits im Jahre 1952, als Dr. Ferrenc noch in New Orleans war. Dort benutzten Sie Dr. Ferrenc zum ersten Male als Prügelknaben für den Fall, dass Ihr Mord an einem maßgeblichen Mann herauskommen würde. Es kam nicht heraus, auch wenn sich einige Leute Gedanken machten. Dann der Fall in Frisco. Hier verübten Sie,