T. K. Koeck

Die Prometheus Initiative


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hatte ich gedacht, es wären einfach nur verschiedene Gruppen Jugendlicher am Strandabschnitt. Dann aber bemerkte ich, dass etwas im Gange war.

      Es war eine große Gruppe Jungs, die sich offensichtlich von der kleineren Gruppe bedroht fühlte. Auf jeden Fall hatte der Kerl im Wasser gerade eine gefangen und auch am Strand ging jetzt eine Keilerei los.

      Niemand hatte mich bemerkt, ich stand einfach ganz seelenruhig da. Der Wind wehte immer noch durch mein Haar, warf es abwechselnd nach links und rechts. Doch dazwischen stachen zwei graublaue Augen heraus, die jetzt keine Fröhlichkeit mehr kannten. So was Gemeines! So ein schöner Tag und jetzt sowas! Zu meiner Verwunderung ging das Gemetzel erst richtig los. Der Anführer war nun dabei, einen großen Stein zu holen, um den am Boden liegenden Jungen ernsthaft zu verletzen. Fiese Arschlöcher! Neun gegen drei und auch noch älter gegen jünger.

      Ich beschloss ernsthaft einzugreifen.

      Die Meute da unten sollte nicht glauben, dass es keine Menschen mit Moral gab, Menschen mit Wertvorstellungen. Ich war kein »Alles-ist-mir-einerlei-Häschen«. Nachdem ich einen Stein aufhoben und ihn zwei Mal in der Hand hin und her bewegte hatte, war es soweit: Der kleine blonde Zwerg am Strand unter mir hob seinerseits den großen Stein an, um diesen auf den anderen Jungen herab prasseln zu lassen!

      „Na dann, mein Lieber, hier kommt deine Lektion!“ dachte ich und warf meinen Stein dem Kerl genau an den Kopf. Mit meiner Schwester hatte ich im Wald oft tagelang um die Wette geworfen. Ich konnte das.

      Der Typ fiel um wie eine Schießbudenfigur. Das Blut spritzte aus seinem Gesicht und während er in den Sand stürzte, blickte er noch geschockt in meine Augen. Das Geschrei am Strand nahm rasant krassere Züge an, einer der Jungs rannte unter lautem Getöse und Geschreie auf mich zu. Ich lächelte. „Na warte, du kommst mir auch gerade recht.“

      Gleicher Tag - Erinnerungen Ralf-Peter Devaux

      Meine Freunde und ich unterhielten uns locker, während wir Inge hinterherradelten. Sie war weiter vorne zum Stehen gekommen, hatte das Fahrrad zwischen die Beine genommen und starrte auf den Strand. Sie wirkte plötzlich wie eingefroren und rührte sich keinen Millimeter mehr. Im nächsten Moment nahm sie einen Stein und warf ihn an den Strand. Verdutzt hörte ich viele Stimmen, allerlei Geschrei und aufgeregtes Weinen, das sich seinen Weg durch den Wind und die Brandung schlug.

      Was zum Teufel ging da vor?

      Ich wusste, dass ich mit der Kleinen noch böse Überraschungen erleben würde. Also trat ich in die Eisen, beschleunigte, meine Freunde hatten auch etwas gehört und sputeten sich ebenfalls. Als ich neben Inge Halt machte, erkannte ich, was vorgefallen war. Ich sah einen Kerl, der den Strand herauf kam und ins Stocken geriet, als er mich erblickte. Zu meinem Entsetzen nahm Inge bereits einen weiteren Stein zur Hand. Plötzlich war das kleine verliebte Mädchen verschwunden, vor mir stand unverhofft eine brutale Bestie. Sie kniff ihre Augen zusammen und in den Schlitzen blitzten hellblaue Feuer, absolut kalt und emotionslos. Ihr Mund war zu einem leichten Schmunzeln verzogen, das einfach nur Angst machte. Und bevor ich irgendetwas sagen oder tun konnte, holte Inge erneut aus, um den Kerl, der den Strand heraufkam, ebenfalls mit einem aufmerksamen Geschenk zu beglücken .

      Zu seinem Pech hatte sich dieser auch kurz umgesehen, vermutlich, um nach Verstärkung zu rufen. Krack!

      Der Stein schlug auf seinem Hinterkopf auf. Das Knacken konnte nichts Gutes bedeuten. Auch er fiel einfach um. Erschrocken drehte ich mich wieder zu Inge, die aber bereits den dritten Stein warf.

      Dieser verfehlte sein Ziel, Gott sei Dank.

      „Bis du verrückt?“ schrie ich sie an und schlug ihr den vierten Stein aus der Hand. Wie hatte sie den so schnell in die Hand bekommen? Sie sah mich ungläubig an, wie ein Kind, dem man das Spielzeug weggenommen hatte. Tiefe Wut keimte in ihren Augen auf. Willkür und Hass! Wo war das Mädchen geblieben, das mich geküsst hatte? Sie war etwas anhänglich und sehr zahm gewesen, aber eben auch lieb und fröhlich. Nichts war davon mehr da.

      Sie sah aus wie die dunkle Kopie ihrer selbst. „Das ist also dein Problem. Du trägst etwas in dir, eine Bestie, etwas Dunkles!“ Ich hatte schon so böse Vorahnungen, was sie anging. Ich hielt sie mit beiden Armen fest, während Rudi und Harald sich um uns scharrten.

      „Was ist passiert?“, rief Rudi entsetzt. „Scheiße! Hab‘ den Jungs mal gezeigt, wie man das bei uns so macht. Miese Schweine … gehen einfach auf die Kleinen da los! Sowas macht man nicht!“ murmelte sie stoisch, während sie mit den Augen jeden am Strand abwechselnd fixierte. Ich war weiterhin fassungslos und überrascht. Ihre Ziele waren ja nobel, aber verdammt nochmal, man schmeißt doch nicht einfach mit Steinen um sich! „Hey ihr!“ rief ich der Gruppe am Strand zu „Wir gehen jetzt alle wieder getrennte Wege. Es muss nicht noch mehr geschehen an diesem Nachmittag. Ihr habt die Jungs zugerichtet, meine Begleiterin hier hat euch eine verpasst. Lasst es gut sein! Mit uns wollt ihr euch nicht anlegen.“ Ich machte eine Pause und fügte dann hinzu: „Denn wir haben hier oben noch mehr Steine!“.

      Natürlich flachste ich. Wie zum Beweis hob ich aber einen ziemlich dicken Stein auf, meine Kumpels ebenfalls. „Steine werfen könnt ihr, … ihr Pisser!“ schrie der Zwerg vom Strand her, wohl der Anführer der Gruppe. Jemand hatte ihn verarztet und sein freier Oberkörper war blutverschmiert. „Hey, ihr Schweine, wir werden euch fertigmachen!“ brüllte er weiter und meinte es fürchterlich ernst. Wir stellten uns auf mehr ein, aber es war seine Gruppe, die sich etwas ungläubig zu ihm umdrehte.

      Sie waren wohl nicht ganz seiner Meinung.

      Einer der Älteren, der einen der Jungs am Boden in Schach hielt, kommentierte sehr leise: „Hans-Peter, lass es gut sein! Du weißt doch sowieso, was Christas Vater hiervon halten würde, oder? Und du hattest deinen Spaß, also lass uns verschwinden, sofort! Ich sage dir eindringlich: Das hier ist nicht gerne gesehen. Wir wollen nicht auffallen!“ Er sah diesen Knirps, der offensichtlich auch noch Hans-Peter hieß, dabei sehr eindringlich an.

      Es hörte sich eigentlich wie ein Befehl an.

      Dieser Hans-Peter stand da, ein Handtuch an seinem Kopf, mit getrocknetem und frischem Blut an seinem Körper. Er atmete schwer, rang nach Luft und seine Augen loderten. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätten sie es ganz sicher zu Ende gebracht. Aber sie rappelten sich auf, nahmen langsam ihre Sachen, während sie sich immer wieder umdrehten und vergewisserten, was Inge tat. So schnell es begonnen hatte, so schnell war es vorbei. Sie waren bereits einige Schritte gegangen, als Inge schrie: „Und merkt euch das, ihr Arschlöcher, so eine Scheiße könnt ihr da machen, wo ihr herkommt, aber nicht mit uns, also verpisst euch, ihr Wichser!“. Ich drehte mich erneut ungläubig zu ihr und fuhr sie an: „Halt jetzt verdammt noch mal den Mund! Inge!? Ruhe jetzt!“

      Keiner der Davonziehenden blickte bei Inges Worten zurück. Keine Reaktion. Mit geschlagenem und gesenktem Kopf stampften sie durch den Sand. Ich bemerkte aber, wie dieser Hans seine Hände zu Fäusten ballte und ein anderer ihm verständnisvoll den Arm auf die Schulter legte. Auch wenn der Typ ein Arschloch war, die Arschlöcher untereinander verstanden sich offensichtlich sehr gut. Jeweils zwei halfen den Verletzten, während andere dafür mehr Gepäck schulterten. Es waren komische Kerle, wie aus einem Film, wie Agenten oder eine militärische Einheit. Die Art, wie sie miteinander redeten, wie sie sich mit Blicken verständigen konnten, war furchteinflößend. Wir sollten uns besser schnell vom Acker machen, das hätte ganz anders laufen können. Eins musste man Inge jedoch lassen: Ihre resolute Aktion hatte den Jungs da unten eine Menge Schmerzen, Schweiß und Sorgen erspart.

      Gleicher Tag - Uwe Dee´s Erinnerungen

      Sie rückten ab, in Formation. Nichtsdestotrotz schrie die Kleine auf dem Fahrrad ihnen noch ein paar nette Worte hinterher. Man konnte jetzt schon ganz objektiv vom Umgang mit ihr abraten. Ich ließ die Situation Revue passieren, während ich mich erstmals erhob und mir den Sand aus Ohren, Mund, Nase und anderen Öffnungen entfernte. Es war unglaublich schnell gegangen. Zack! Und es war schon wieder vorbei … Jeder von uns plante eine Karriere bei Arbeitgebern, die uns das Kämpfen wohl noch beibringen würden. Jetzt konnte von einem Kampf keine Rede sein. Man hatte uns fertiggemacht und beinahe hätte es extrem böse Folgen gegeben. Ich schaute Michael und Matthias an und ihre Blicke sagten das