Die Wohnräume unter der Erde sind mit Heu ausgepolstert. Dieses nimmt die Bodenfeuchtigkeit auf und wird vom durchströmenden Wind ventiliert. Auch dadurch wird die Strömung ein wenig abgekühlt, also wieder eine vollautomatische wind- und damit letztendlich sonnengetriebene Klimatisierung.
Die Energiebionik fördert eine Vielfalt in der Natur praktizierter Prinzipen als Blaupause für technische Problemstellungen zutage. Man denke zum Beispiel an den Start eines Albatros, den er nur mit großen Anstrengungen bewerkstelligen kann, wie es humorvoll in Walt Disneys Bernhard und Bianca gezeigt wird, wo die beiden Mäusepolizisten per „Albatros Airlines“ zum Ort des Verbrechens reisen. Ist er aber erst einmal in der Luft, dann ist seine Flugleistung unglaublich. Er kann Tausende Kilometer fliegen, ohne Zwischenlandung und ohne auch nur einmal mit den Flügeln zu schlagen.
Albatrosse beherrschen die Technik des dynamischen Segelflugs, wobei sie den Windgradienten nutzen. Mit zunehmender Höhe steigt die Windgeschwindigkeit an – am Boden ist sie wegen der Reibung praktisch null, erst in einigen Hundert Metern Höhe entspricht sie der Geschwindigkeit, die sich aus der Differenz zwischen Hoch- und Tiefdruckzonen ergibt. Durch geschickte Flug- und Wendemanöver verwandeln Albatrosse Geschwindigkeitsunterschiede in Auftriebskräfte, um sich nach einer Wende zum richtigen Zeitpunkt wieder beschleunigen zu lassen und so weiter.
Niedrigenergieprozesse sind ein Credo der Natur, das heißt, sie kommt in der Regel mit wenig Energie aus. Deshalb geht es bei der Energiebionik primär um die Erlangung des Verständnisses, wie die Natur bestimmte Aufgaben erledigt und wie daraus Anregungen gewonnen werden können. Wie und ob das technisch umgesetzt werden kann, ist üblicherweise die Herausforderung für interdisziplinär zusammengesetzte Teams, die Mitglieder mit naturwissenschaftlichen und ingenieurtechnischen Ausbildungen umfassen.
Als Beispiel dafür sei hier der Mottenaugen-Effekt angeführt. Bereits in den 1960er-Jahren wurde entdeckt, dass die Augen von Motten praktisch kein Licht reflektieren, denn jede Reflexion bedeutet einen Lichtverlust. Die Motten können ihre Lichtausbeute dadurch steigern und sehen in Dunkelheit besser. Der Effekt beruht auf kleinsten Noppen auf der Oberfläche, durch die eine scharfe Grenze des Lichtbrechungsindex zwischen Augen und Luft vermieden wird. Technisch wurde dieses Prinzip bereits realisiert – etwa, indem Strukturen kleiner als die Wellenlänge des Lichtes in eine Glasplatte geätzt werden. Dadurch ließe sich im Idealfall die Ausbeute einer Photovoltaikanlage um sieben Prozent steigern.
„Leise wie ein Eulenflügel“ lautete das Motto der Produktpräsentation für eine neue Ventilatorgeneration einer im Bereich der Lüftungstechnik tätigen Firma mit Hauptsitz in Baden-Württemberg. Das Unternehmen entwickelte einen neuen Ventilatorflügel nach dem Vorbild von Eulenflügeln mit dem Ergebnis, dass der Ventilator flüsterleise ist. Zudem wird dieser „bionische Ventilator“ aus einem biobasierten Polyamid hergestellt. Die Firma hat die Vorteile der bionischen Vorgehensweise erkannt und entsprechend in der Formgestaltung ihrer neuen Ventilatorgeneration eingesetzt. Besonders der extrem leise Flug der Eule hat die Entwickler des Unternehmens inspiriert. Ventilatorflügel mit einer gezackten hinteren Kante wie beim Eulenflügel sind nun in vielen Bereichen ein markantes Kennzeichen von Produkten des Industrieunternehmens. Diese Geometrie nach Vorbild des Eulenflügels reduziert das Geräusch des Ventilators maßgeblich. Neu ist auch der Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen für die Kunststoffherstellung. Als Material für den neuen Axialventilator wählte man ein biobasiertes Polyamid. Die extrem leisen und energieeffizienten Ventilatoren finden Einsatz in der Kältetechnik, bei Klimaanlagen, in Heizungen, in Wärmepumpen und zur Elektronikkühlung.
Nachfolgend werden im Stil einer Schaufensterfront weitere Muster der Bionik gezeigt. Amerikanische Forscher experimentierten mit einem neu entwickelten Pflaster, das nicht mit Klebstoff beschichtet, sondern mit Hunderten von Mikronadeln aus Kunststoff besetzt ist. Diese dringen in das Gewebe ein, schwellen dort an und halten das Pflaster fest. Das Pflaster schont die Haut und lässt sich leicht wieder entfernen. Das Vorbild ist der Kratzwurm, ein Fischparasit, der möglichst lange in seinem „Lebensraum“ bleiben und seinen Wirt nicht verlassen will. Deshalb dringt der Wurm mit seinem dünnen Rüssel in die Darmwand des Fisches ein, wo der Rüssel durch die Einlagerung von Wasser sein Volumen vergrößert und sich dadurch fest im Gewebe verankert. Während der Kratzwurm jedoch nur einen einzigen Anker besitzt, ist das neuartige Pflaster dicht mit Nadeln besetzt. Sie haben einen Kern aus Polystyren, der seine Form nicht verändert, und eine Spitze aus einem Gemisch von Polystyren und Polyacrylat, das Wasser aufnehmen kann und dabei anschwillt. Sobald die Nadeln ins Gewebe eingedrungen sind, nehmen sie Wasser auf und verankern sich darin.
Krankenhausärzte in Boston, die das Pflaster entwickelten, sahen Anwendungsmöglichkeiten vor allem dort, wo eine sichere Fixierung wichtig ist. Dies ist bei transplantierter Haut – z. B. bei Patienten mit schweren Verbrennungen – der Fall, die derzeit in der Regel durch Klammern fixiert wird. Das Pflaster scheint hier die ideale Alternative zu sein, denn es sitzt fester, beeinträchtigt das Gewebe mitsamt den Nerven und Gefäßen weniger und verringert auch noch das Infektionsrisiko. Zudem lässt sich das Pflaster schonend entfernen, wenn seine Funktion erfüllt ist.
Nach Meinung seiner Erfinder hat das Pflaster weiteres Potenzial. So könnten die Nadelspitzen mit Arzneistoffen wie Antibiotika oder wundheilungsfördernden Substanzen beladen werden, die dann nicht mehr die Barriere der Hornzellschicht zu durchdringen brauchen, sondern direkt in das lebende Gewebe der Haut gelangen und dort ihre Wirkung entfalten können.
Schlangenhaut gegen den Verschleiß lautete die Devise der Kieler Bionik-Forscher. Quietschende Bremsen, ratternde Scheibenwischer und abgefahrene Reifen sind einige Beispiele für den Verschleiß technischer Bauteile, die uns nicht nur im persönlichen Alltag zu schaffen machen. Die Kieler Forscher wollten deshalb eine neue reibungs- und wartungsarme Polymeroberfläche erschaffen. Sie schauten sich von der Haut der kalifornischen Kettennatter die Mikrostrukturen einer reibungs- und wartungsarmen Polymeroberfläche ab, die Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität Kiel entwickelt haben.
Wenn man die neue Technik auf Werkstoffe überträgt, kann der Wartungsaufwand für die Materialien sinken. Die Reibungskräfte an der neuartigen Oberfläche werden durch die Mikrostruktur um bis zu dreißig Prozent gegenüber anderen, unstrukturierten Oberflächen reduziert. Dies hat mit den Bauchschuppen der Natter zu tun. Die Forscher untersuchten genauer, welche Kräfte insbesondere beim Stick-Slip-Verhalten, also dem Rückgleiten der Schlangen, wirken und wie diese durch die Mikrostruktur beeinflusst werden. Dieses Phänomen tritt immer dann auf, wenn zwei Körper übereinander hinweggleiten. Dabei entstehen Vibrationen, die im großen Maßstab beispielsweise zu Erdbeben führen und im kleinen Maßstab bei Bremsen als Quietschen zu hören sind. Im Test stellten die Wissenschaftler bei der Verwendung der von der Schlange inspirierten Mikrostruktur ein deutlich vermindertes Rückgleiten fest. Eingesetzt auf den Wischblättern eines Scheibenwischers kann die Technik das nervige Rattern beenden.
Ungeahnte Kräfte entwickelt eine künstliche Haut, die ein Wissenschaftlerteam des Max-Planck-Instituts (MPI) für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam präsentierte. Die Forscher haben eine Membran hergestellt, die sich sehr schnell aufrollt, wenn sie in Kontakt mit den Dämpfen organischer Lösungsmittel wie etwa Aceton kommt. Mit dem Folienaktuator werden biologische Strukturen nachgeahmt, die sich wie die Venusfliegenfalle oder die Deckel der Samenkapseln von Mittagsblumen bei einem Reiz von außen bewegen. Dabei kommt ihr Aktuator den biologischen Vorbildern besonders nah, weil die Forscher darin erstmals zwei Designprinzipien anwendeten, die Materialwissenschaftler bisher nicht für solche Systeme genutzt haben. Zum einen konzipierten sie die Membran so, dass deren Oberseite hart ist, das Material darunter aber allmählich weicher wird. Zum anderen wird die Folie von Poren durchzogen, die dem Lösungsmittel einen raschen Zugang in die Membran gewähren. Daher reagiert diese auf den äußeren Reiz schneller als andere Aktuatoren. Solche Materialien können als künstliche Haut und Muskeln etwa für Roboter dienen, eignen sich aber auch als Sensoren.
Pflanzen kennen keine Muskeln, viele sind aber trotzdem ziemlich rührig. So öffnen sich die Samenkapseln der Mittagsblume, wenn sie nass werden, also wenn die Bedingungen günstig sind, damit die Samen gedeihen können. Sobald die Kapseln trocken liegen, schließen sich die Deckel wieder. Die Aussicht auf eine erfolgreiche Fortpflanzung verdankt die Mittagsblume der ausgeklügelten Struktur der Kapseldeckel. Da deren Unterseite