Pete Hackett

Krimi Paket 10 Thriller: Mord ist kein Vergnügen


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nicht den Mut, sie auszusprechen.

      „Oh, das war leicht“, sagte Dissinger. „Jill hat einen Abdruck des Schlüssels genommen und sich davon ein Zweitexemplar anfertigen lassen.“

      „Jill“, murmelte Oliver Carr fassungslos.

      Sie hatte ihn verraten. Sie hatte mit Lyonel Dissinger gemeinsame Sache gemacht.

      Zugegeben, Dissinger hatte den besseren Job und die größeren Aussichten, Geld zu machen, aber er war schließlich verheiratet, mit ihm konnte sie nichts beginnen, nichts, außer einem schmutzigen, kleinen Verhältnis...

      Das Übelkeitsgefühl in Oliver Carr nahm zu. Es beruhte im wesentlichen auf der Erkenntnis, dass das, was er für einen perfekten Mord gehalten hatte, zum Bumerang geworden war und sich jetzt gegen ihn kehrte.

      „Was ist mit dem Bier?“, fragte er. „Das ist vielleicht eine dumme Frage“, höhnte Lyonel Dissinger. „Es ist vergiftet.“ Er lachte kurz. „Du hast dir das Geschehen selbst zuzuschreiben. Warum hast du mein ehrlich gemeintes Angebot nicht akzeptiert? Es war deine letzte Chance. Eine gute Chance, wie ich hinzufügen darf. Du wolltest nicht. Du wolltest statt dessen meinen Tod. Ich konnte nicht zur Polizei gehen. Ich musste mich zur Wehr setzen. Ich habe es auf meine Weise getan.“

      „Aber ich habe gesehen, wie Sie den Kaffee getrunken haben“, würgte Oliver Carr hervor. Er registrierte ein jähes Kneifen in der Magengegend und schnappte nach Luft.

      „Ich habe den Kaffee kurz in den Mund genommen, aber nicht geschluckt“, erklärte Lyonel Dissinger. „Den Zusammenbruch habe ich simuliert.“

      Carr gab sich einen Ruck. Seine Knie versagten ihm fast den Dienst. Er schaffte es gerade noch, den nächsten Küchenstuhl zu erreichen. Er fiel darauf, ließ den Kopf hängen und atmete keuchend, mit offenem Mund. Er begriff, dass er dringend einen Arzt brauchte, aber er hatte nicht die Kraft, das Telefon im Wohnzimmer zu erreichen.

      „Ja, Jill“, bestätigte Dissinger und bekam einen verträumten Gesichtsausdruck, „Wir lieben uns. Sie hatte nicht den Mut, es dir zu sagen. Als du sie zur Mörderin machen wolltest, verlorst du ihre letzten Sympathien. Sie berichtete mir von deinem Plan und ist seitdem bereit, meine Gegenmaßnahmen zu decken.“

      „Sie hat sich nur für den größeren Betrüger entschieden“, stellte Oliver Carr fest.

      „So ist das Leben, Carr“, spottete Dissinger. „Frauen lieben die Starken. Du wirst in wenigen Minuten tot sein, ich aber werde leben ... leben mit Jill.“

      „Damit kommen Sie nicht durch“, krächzte Oliver Carr, dem Tränen in den Augen standen, Tränen der Wut und der Verzweiflung.

      „Wer sollte mich daran hindern?“

      „Die Polizei. Sie wird herausbekommen, was geschehen ist“, sagte Oliver Carr.

      Dissinger lachte laut. „Warum sollte sie?“, antwortete er.

      „Einen Arzt..“, wimmerte Oliver Carr.

      Er hasste sich wegen seiner Schwäche, seiner Tränen und seiner Angst, aber er konnte nichts dagegen tun. Die Angst vor dem Tod würgte und schüttelte ihn.

      „Du warst der Meinung, dass die Polizei bei meinem Ende auf Selbstmord tippen müsste. Das wird sie bei dir viel eher tun. Deine Verfehlungen sind bekannt. Ich habe keinen Anss, sie zu verschweigen. Es wird so aussehen, als hättest du dich vergiftet, weil dir von der Firma gekündigt wurde und weil du nicht den Mut hattest, mit dem Makel eines Betrügers zu leben. Dir blüht jetzt das Schicksal, das du mir zugedacht hattest.“

      Oliver Carr versuchte sich zu erheben. Es ging nicht.

      Er hatte keine wirklichen Schmerzen, war jedoch plötzlich außerstande, seine Umgebung mit der gewohnten Schärfe und Klarheit wahrzunehmen. Dissingers grinsendes Gesicht verzerrte sich wie in einem Jahrmarktsspiegel.

      Carr rutschte vom Stuhl und fiel zu Boden. Er bäumte sich nochmals auf, wehrte sich gegen das kalte, endlose Dunkel, in das sein Körper ihn zerrte, aber seine Kräfte reichten nicht aus, um die Entwicklung zu stoppen. Sein Bewusstsein erlosch.

      7

      Das Telefon klingelte. Bount stemmte sich aus dem Sessel hoch, drehte den Lautstärkeregler des TV-Gerätes zurück und trat ans Telefon, ohne dabei den Bildschirm aus den Augen zu lassen. Die Globetrotters hatten den Sieg bereits in der Tasche, aber sie kämpften, als ginge es darum, eine drohende Niederlage abzuwenden.

      Es war zehn Minuten vor Neun. „Reiniger“, meldete er sich.

      „Ich bin’s, Toby. Wir haben den Namen des Toten aus der U-Bahn ermittelt. Den Papieren zufolge heißt er Nikolaus Gringer. Er wohnte zuletzt im ,Roosevelt‘ an der Madison Avenue. Dort liegen auch die Papiere. Naja, lagen. Jetzt habe ich sie vor mir, auf dem Schreibtisch. Sie haben eine bemerkenswerte Eigenschaft. Sie sind falsch. Eine gute Arbeit, Kann nicht billig gewesen sein.“

      „Sein wahrer Name ist dir nicht bekannt?“

      „Nein. Mit den Fingerabdrücken, die wir von ihm genommen haben, ist leider nichts anzufangen. Sie sind weder hier noch beim FBI in Washington registriert“, sagte der Captain,

      „Wie lange wohnte er im ,Roosevelt?“

      „Vier Wochen. Er hatte eine kleine Suite in der dritten Etage gemietet, für hundertzehn Dollar pro Tag. Vor einer Woche hat er das erste Mal gezahlt, anstandslos, und in bar. Unter seinen Klamotten sind ’ne Menge Sachen, die aus Italien stammen. Wir haben Interpol eingeschaltet. Es ist durchaus möglich, dass es sich bei ,Gringer‘ um einen Illegalen handelt. Möglicherweise um einen Mann, der von der italienischen Polizei gesucht wird und der meinte, sich hier deren Zugriff entziehen zu können.“

      „Das sind Spekulationen, nehme ich an.“

      „Ich weiß. Du kannst noch ein halbes Dutzend dranhängen, das bleibt dir unbenommen, und genau das wirst du vermutlich tun, wenn ich dir sage, dass es Mord war.“

      „Ich dachte es mir.“

      „Die Cyanidlösung, die ihn um die Ecke gebracht hat, kommt in keinem Lebensmittel vor. Jemand muss sie ihm eingetrichtert haben“, sagte der Captain.

      „Welche Zeitspanne lag zwischen der Einnahme des Giftes und dem Zusammenbruch?“

      „Schätzungsweise eine halbe Stunde.“

      „Danke“, sagte Bount und legte auf. Er trat an das Fernsehgerät und stellte es ab. Plötzlich war der Wirbel der Globetrotters für ihn ohne Interesse.

      Er holte seinen 450 SEL aus der Werkstatt und fuhr zur Madison Avenue. Es waren nur ein paar Häuserblocks bis zum ,Roosevelt‘. Er fuhr über den Times Square bis zur 47ten Straße und bog dort nach links ab.

      Um zweiundzwanzig Uhr fünfzehn betrat er das ,Roosevelt' und sprach mit Jim Hankers, dem Hoteldetektiv.

      Bount kannte Hankers. Sie waren Kollegen gewesen, noch bis vor zwei Jahren. Hankers hatte eine leidlich gutgehende Agentur in der 42ten Straße geführt, mitten im Nachtjackenviertel. Er war einer der wenigen gewesen, die es verstanden hatten, ihren Namen sauber zu halten. Jetzt, wo er die 65 überschritten hatte, gab er sich damit zufrieden, die Nachtschicht im Hotel zu übernehmen.

      Man sah ihm an, dass er unter Schlaflosigkeit litt. Er hatte eine gelbliche, schlaffe Gesichtshaut und entzündet wirkende Augen. Bount sprach mit Hankers am Tresen der hufeisenförmig angelegten Bar am Ende der Rezeption. Sie lag etwas höher als die riesige Hotelhalle, so dass man das Treiben in der Halle und vor den sechs Lifts in Muße beobachten konnte.

      „Komisch“, sagte Hankers, „er ist mir sofort aufgefallen. Ich brauche dir nicht zu erzählen, was hier los ist. Ein ständiges Kommen und Gehen. Gesichter, Gesichter, Gesichter. Trotzdem hat man einen Riecher für diejenigen, mit denen etwas nicht stimmt. Dieser Gringer war so einer. Er konnte sich plötzlich umdrehen, ganz abrupt. Es sah aus, als hätte er etwas ganz wichtiges liegen gelassen, meinetwegen