Thorsten Steffens

K.L.A.R. - Taschenbuch Dann bleib ich eben sitzen!


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auch einen Namen?“

      „Ja“, sage ich.

      Meine Mutter schreitet ein. „Das ist Tim.

      Bitte entschuldigen Sie sein Verhalten!“

      Wir gehen in sein Büro.

      „Bitte schön!“ Er deutet auf zwei Stühle, die vor einem riesigen Schreibtisch stehen. Der ist vollgepackt mit Papier, Büchern, einer Kaffeetasse, Briefen und Aktenordnern. Das totale Chaos. Fast so schlimm wie in meinem Zimmer. Aber hier beschwert sich meine Mutter nicht lauthals.

      „So so, umzugsbedingter Schulwechsel also“, sagt er und lässt sich in seinen Chefsessel nieder. Er klingt auch ein wenig wie Dominic Toretto aus The Fast and the Furious. Tiefe, brummige Stimme. „Haben Sie ein Überweisungszeugnis dabei?“

      Meine Mutter gibt ihm das Zeugnis. Er wirft einen kurzen Blick darauf.

      „Was ist das denn?“, fragt er und schaut mich an.

      „Mein Zeugnis.“

      „Das sehe ich! Aber was sind das für Noten? Also, mit solchen Leistungen schaffst du das Schuljahr hier aber nicht! Da musst du dich schon mehr anstrengen!“

      Ich seufze genervt. Immer dasselbe! Von allen Seiten. Ich hab’s ja kapiert!

      „Tim!“, ermahnt mich meine Mutter.

      „Ja, was?“, schnauze ich sie an. „Ich hab’s verstanden. Das hör ich heut ja nicht zum ersten Mal.“

      Ich stehe auf und verlasse das Büro. Mir reicht’s langsam!

      „Tim!“, ruft meine Mutter hysterisch hinter mir her. Mit total hoher Stimme. Dann höre ich sie noch was faseln von wegen: „Normalerweise ist er nicht so. Sie müssen verstehen, er macht gerade eine schwierige Zeit durch und …“ Dann bin ich schon im Foyer und kann sie zum Glück nicht mehr hören.

      Es dauert eine Ewigkeit, bis meine Mutter endlich zum Auto kommt. In der Zwischenzeit habe ich was im Netz gesurft.

      „Was fällt dir eigentlich ein?“

      Jetzt geht der Shitstorm los.

      „ES REICHT!“, brülle ich sie stattdessen an. Merkwürdig, denn ich brülle so gut wie nie! „Ich will nichts mehr hören! Ja, ich weiß, dass meine Noten Kacke sind. Ja, ich weiß, dass ich mit dem Zeugnis sitzengeblieben wäre.

      Ja, ich weiß, dass ich mich mehr anstrengen muss. Ja, ich weiß, dass ich mich gerade danebenbenommen hab.“

      Ich hole kurz Luft. „Das musst du mir also nicht mehr sagen!“

      Das tut sie dann auch nicht. Sie fährt los und redet kein Wort.

      Na super! Jetzt kommt sie wieder mit dieser Tour. Schweigen als Bestrafung! Das macht sie immer dann, wenn ich mich entschuldigen soll. Aber heute spiele ich da nicht mit.

      Ich schweige ebenfalls.

      Wir fahren gute zehn oder 15 Minuten bis nach Hause. Die Straßen sind alle dicht.

      Ich sehe, dass meine Mutter immer noch wütend ist.

      Aber ich bin auch sauer! Sie ist nicht die Einzige, die ein Recht darauf hat, wütend zu sein. Ich bin sauer auf meine Mutter, die immer nur nörgelt, auf die Schule, die so beschissen langweilig ist, auf die Lehrer, die einem nur schlechte Noten reindrücken wollen, auf diese Scheißstadt, in die ich gar nicht wollte … ich bin einfach auf alles sauer.

      Dann, gerade als meine Mutter in unserer neuen Straße geparkt hat, sagt sie doch noch etwas. Den Motor hat sie schon ausgeschaltet. „Weißt du was? Ich bin langsam wirklich mit meinem Latein am Ende. Daher sage ich dir nur eines: Wenn du dieses Schuljahr wieder sitzenbleibst, kannst du zu Papa ziehen! Verstanden?“

      Dann steigt sie aus, wartet ungeduldig, bis ich auch ausgestiegen bin, schließt den Wagen ab und stiefelt zur Haustür, ohne auch nur auf mich zu warten.

      5. MISSION: SITZENBLEIBEN!

      Ich bin geschockt. Aber ich habe versucht, mir nichts anmerken zu lassen. Was sollte dieser blöde Spruch denn? So, als ob sie es gar nicht abwarten kann, mich loszuwerden. Oder hieß das nur, dass sie glaubt, mein Vater käme besser mit mir zurecht?

      Keine Ahnung, ob das so wäre, denn ich kenne ihn kaum. Als ich zwölf war, haben sich meine Eltern scheiden lassen und auch davor waren sie schon getrennt. Jetzt sehe ich ihn nur noch zu Weihnachten oder so. Wenn ich ihn allerdings mal sehe, dann steckt er mir meistens Geld zu. Oft sogar einen Fünfziger. Nur an meinem Geburtstag ruft er meistens nicht an. Er wohnt inzwischen in Gütersloh mit seiner neuen Freundin, die ich aber nur einmal gesehen habe, obwohl es gar nicht weit von Münster bis nach Gütersloh ist.

      Ich frage mich, wie das wohl wäre? Mein Vater, seine Neue und ich. Wir drei in einer Wohnung. Wieso eigentlich nicht? Mit meiner Mutter gibt’s eh nur noch Zoff. Vielleicht wäre das für uns alle einfach das Beste?

      Dann fällt mir ein, was meine Mutter gesagt hat: „Wenn du dieses Schuljahr wieder sitzenbleibst, kannst du zu Papa ziehen.“

      Das heißt doch, ich müsste einfach nur sitzenbleiben, oder? Dann heißt es: Tschüss Köln und hallo Gütersloh.

      Bis nach Münster ist es von da aus nicht weit. Dann könnte ich regelmäßig zu meinen Freunden fahren.

      Mein Kopf macht Überstunden! Das ist doch eigentlich ein genialer Plan. Ich muss einfach nur so weitermachen wie bisher. Na ja, vielleicht noch etwas extremer: Gar keine Hausaufgaben mehr machen, nicht für Tests üben, im Unterricht schlafen oder mit dem Handy spielen, scheiße zu den Lehrern und allen anderen sein. Ey, das könnte richtig lustig werden!

      Meine Mission steht fest: Mission Sitzenbleiben!

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