Katja Brandis

Seawalkers (3). Wilde Wellen


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er kommt zurecht.«

      »Ja wahrscheinlich«, sagte ich. Der Tag fing wirklich gut an! Rocket würde enttäuscht sein. Und wegen Ellas Verletzung würde ich garantiert Ärger bekommen.

      Ich gab mir einen Ruck, besser, ich brachte es hinter mich. »Äh, da ist noch was … eben haben Ella, Toco und Barry versucht, mich im Gang anzugreifen …« Ich berichtete, was passiert war, und keiner der Lehrer sah begeistert aus.

      »Hatten wir nicht besprochen, dass du als gefährlicher Wandler besonders vorsichtig sein musst?«, mahnte mich Mr García. »Wir werden in nächster Zeit verstärkt die kontrollierte Teilverwandlung machen, und du übst, so viel du kannst, klar? Auch in deiner Freizeit!«

      »Ja, Sir«, sagte ich und war froh, dass nicht von einem Verweis die Rede gewesen war.

      »Am besten schaue ich mal, wie es Ella geht«, meinte Mr Clearwater und stand auf.

      Ich machte, dass ich davonkam.

      Es stimmte, im Moment war dank Ellas Einladungen nichts normal hier auf dieser Schule, die mir so sehr ans Herz gewachsen war. Aber das war offenbar nicht alles, was gerade hier los war. Sonst wären die anderen Lehrer ja in der Cafeteria gewesen, um Aufsicht zu führen. Irgendetwas braute sich zusammen, da war ich mir plötzlich sicher. Fragte sich nur, was. Hatte es etwas mit Lydia Lennox zu tun, Ellas Mutter? Nein, Blödsinn, so schnell konnte sie unmöglich von diesem Zwischenfall am Buffet erfahren haben.

      Weil Jasper und ich nach dem chaotischen Frühstück immer noch leere Bäuche hatten, schauten wir in der zum Glück unverwüsteten Küche vorbei und schmierten uns dort Brötchen. Dann war es Zeit für die erste Unterrichtsstunde. »Geh schon mal vor«, meinte ich zu Jasper. Er klemmte sich sein wasserfestes Schreibzeug und das robuste Tablet, das bei uns die Schulbücher ersetzte, unter den Arm und watete in unseren Klassenraum – auch der stand knietief unter Wasser.

      Ich dagegen ging Miss White suchen. Sie hatte in den letzten Wochen ihr Versprechen gehalten, mich heimlich zu fördern, und ich brauchte mal wieder einen Rat. Freundlich blickte sie mir entgegen. »Was gibt’s, Tiago?«

      »Können wir irgendwo reden, wo es niemand hört?«, fragte ich und wir gingen in einen der Projekträume im ersten Stock. Dann sagte ich verlegen: »Dieser Kampf mit Ellas Cousin vorhin … ich bin wieder wütend geworden.«

      Nachdenklich blickte unsere Kampflehrerin mich an. »Na, ich auch, und wie. Aber wenn du merkst, dass dir die Gefühle wirklich außer Kontrolle geraten … dreh dich weg, wenn es irgendwie geht. Versuch, dich mit Gedanken an etwas Positives abzulenken, damit du aus diesem Tunnel rauskommst. Und du musst währenddessen atmen, tief atmen. Versuch es gleich mal, okay?«

      Ich atmete tief und konnte spüren, wie ich gelassener wurde. »Allerdings ist Ruhigerwerden manchmal das Letzte, das du brauchst«, sagte Miss White und ich machte große Augen, als sie zur Tür ging und abschloss. »Wir haben gerade richtig viele Alligatoren an der Schule«, fuhr sie fort. »Ich kann der Klasse in Kampf und Überleben nicht zeigen, wie man die besiegen kann, sonst würde ich natürlich Ärger mit Toco, Nestor, Ella und ihren Eltern bekommen. Aber es gibt einen Trick, den du vielleicht mal gebrauchen kannst.«

      »Okay«, sagte ich und versuchte, meine Begeisterung nicht zu sehr zu zeigen.

      »War schon sehr gut, dass du dich auf Kegors Rücken positioniert hast«, erklärte Miss White mir nach einem Blick auf die Uhr hastig. »Das machst du beim nächsten Mal auch, dann schlingst du beide Arme um den Kiefer des Alligators und ziehst ihn nach oben. Er ist gezwungen, den Kopf in den Nacken zu legen, und wird erstarren. Im absoluten Notfall kannst du ihm dann mit festem Klebeband das Maul zubinden.«

      Sie zeigte es mir mit einem Sitzsack und ließ es mich nachmachen. Gut, dass uns niemand dabei sah, wie wir einen Sitzsack würgten.

      »Super Trick«, sagte ich. »Danke. Wenn ich das mit dem Klebeband bei einem Seawalker mache, fliege ich leider von der Schule.«

      Meine Lieblingslehrerin zog die Augenbrauen hoch. »Ist aber besser, als einen zerkauten Arm zu haben. Oder ein Bein weniger.«

      »Da ist was dran«, meinte ich.

      Wir grinsten uns an.

      »Wehe, du erzählst jemandem, dass ich dir das gezeigt habe! Und jetzt ab in den Unterricht, ich muss auch los.«

       Seltsamer Besuch

      Ich war der Letzte, der im Klassenzimmer eintraf.

      Sharis blonde Locken waren noch feucht. »Hi«, begrüßte sie mich freundlich.

      Nur freundlich. Nicht so herzlich wie noch vor Kurzem. Das gab mir einen Stich.

      »Na, warst du letzte Nacht mal wieder eine Runde als Delfin schwimmen?«, fragte ich sie, als wäre alles in bester Ordnung.

      »Ja, schau mal«, sagte sie und zeigte mir zwei Muscheln, die sie gefunden hatte. »Für meine Sammlung. Irgendwie macht’s mir Spaß, Dinge zu sammeln, obwohl Delfine so was eigentlich nicht machen.«

      »Du bist nicht nur ein Delfin«, antwortete ich und beschloss, ihr bei nächster Gelegenheit eine noch schönere Muschel zu suchen. Als ich mich nach einem freien Platz umschaute, stellte ich fest, dass die Stühle neben Shari schon von ihren Delfinfreunden Noah und Blue besetzt waren. Stattdessen gingen Jasper und ich einen Tisch weiter zu Noemi, der Woodwalker-Pantherin, die als Haustier gehalten und dann von ihrem Besitzer in den Everglades ausgesetzt worden war. Wir hatten sie dort bei einer Suchexpedition halb verhungert gefunden und an unsere Schule gebracht. Ihr war es hier drinnen anscheinend zu nass, denn sie hockte auf einem der Tische. Sie schnurrte mich zur Begrüßung an und lauschte dann interessiert, während Mr García uns in Mathe drillte. Chris kam wie üblich zu spät, was ihm einen strengen Blick unseres Lehrers einbrachte. Der störte ihn nicht – auch wie üblich.

      »Wo sind eigentlich die anderen Neuen, haste die gesehen?«, flüsterte mir Jasper zu, während ich über einer schwierigen Gleichung brütete.

      »Aus denen haben sie eine neue Erstjahresklasse gemacht, nur für Reptilien«, wisperte ich zurück. Dem Krach nach wurden sie im Klassenraum nebenan unterrichtet. Ich war sehr froh, dass sie nicht versucht hatten, die schwierigen Neuen in unsere Klasse zu stopfen.

      Doch Ella, Toco und Barry blieben uns leider erhalten. Mit geröteten Augen und einem riesigen Pflaster auf dem Bauch saß Ella schweigsam auf ihrem Platz und ignorierte mich. Toco versuchte, Finny, die gerade aufs Klo ging, blitzschnell ein Bein zu stellen. Doch Finny stieg einfach über seinen Fuß hinweg, ohne den dreien auch nur einen Blick zu gönnen. Enttäuscht tippten Toco, Ella und Barry auf ihren Tablets herum. Hatte Ella ihrer Mutter schon berichtet, was ich ihr diesmal angetan hatte?

      Die nächste Stunde war Sei dein Tier bei Miss White, die heute wieder mal in ihrem schwarzen Sportbadeanzug unterrichtete, weil die Luft sich schon jetzt unerträglich feuchtheiß anfühlte, bestimmt waren es schon mehr als dreißig Grad. »Wir nehmen heute den Hai durch«, kündigte sie an. »Dafür verwandelt sich bitte …«

      Alle erstarrten und blickten mich aus den Augenwinkeln an.

      »… Ralph.«

      Meine Klassenkameraden atmeten auf.

      »Geht klar«, sagte Ralph und Sekunden später zog eine Rückenflosse durchs Wasser und unter der Oberfläche erkannte man die Umrisse eines zwei Meter langen Riffhais, der zwischen den Pulten herumkurvte. Etwas neidisch beobachtete ich Ralph – vor ihm hatte niemand Angst, er war schließlich im Gegensatz zu mir eine ziemlich harmlose Hai-Art.

      Ralph musste gerade die Bezeichnung seiner verschiedenen Flossen aufzählen, als es an