Er hörte sie und reagierte in seiner panischen Angst falsch. Statt loszuhetzen, kreiselte er herum, und als er in die Waffenmündung blickte, fing er an wie von Sinnen zu schreien.
4
Bount Reiniger fuhr mit dem Lift vom 14. Stock zur Tiefgarage hinunter. Er schloss seinen Mercedes auf, ließ sich hinter das Steuer fallen, gurtete sich an und startete den Motor.
Augenblicke später rollte das Fahrzeug durch die Garage und auf die Auffahrt zu. Sobald Bount Reiniger die 7 th Avenue erreichte, musste er kurz warten. Er nützte die Zeit, um sich eine Pall Mall anzustecken, dann fädelte er sich in den Verkehr ein und schwamm im Strom nach Norden mit.
Er fuhr am Central Park vorbei, Manhattans großer grüner Lunge. Am Tag war hier viel los. Nach Einbruch der Dunkelheit war es allerdings nicht ratsam, den Park zu betreten. Es trieb sich zu viel lichtscheues Gesindel herum – Räuber, Diebe, Junkies …
Als Bount die 125. Straße Ost erreichte, drückte er die Zigarette im Aschenbecher aus. In einer Minute würde er das Apartmenthaus erreichen, in dem Jay Pepper wohnte.
Er war gespannt, wie sich Pepper verhalten würde. Würde er ihn gar nicht erst in seine Wohnung lassen, sondern ihm die Tür vor der Nase zuschlagen? Oder würde er sich überreden lassen, den Auftrag nicht zurückzuziehen und die Sache mit Courage durchzustehen?
Bount hielt bereits nach einer Parkmöglichkeit Ausschau. Kaum befand sich der Mercedes in der Parklücke, stoppte neben ihm ein Wagen mit kreischenden Rädern, und der Fahrer drückte wütend auf den Hupring.
Bount stieg aus. „Wenn das ein Hupentest sein soll, ist das Ergebnis positiv“, sagte er.
Der Autofahrer sprang aus seinem Wagen. „Verdammt noch mal, das gibt’s ja nicht. Ich fahre nur mal um den Block, und schon nimmt mir einer meinen Parkplatz weg.“
„Tut mir leid“, sagte Bount. „Damit müssen wir New Yorker leben.“
„Wie wär’s, wenn Sie sich eine andere Parkmöglichkeit suchen würden, Mister?“
„Denselben Vorschlag wollte ich gerade Ihnen machen“, erwiderte Bount Reiniger und ging seines Weges.
„Ich lass dir die Luft aus den Rädern, du sturer Hund!“, schrie ihm der Mann nach.
Bount zuckte nicht einmal mit den Schultern. Er wusste, dass der Typ das nicht wirklich tun würde. Sollte er sich aber doch hinreißen lassen, dann hatte Bount sich sicherheitshalber das Kennzeichen des andern gemerkt, damit er dafür sorgen konnte, dass der Bursche eine Menge Ärger kriegte.
Bount überquerte die Straße und betrat wenig später das Gebäude, in dem Pepper wohnte. Seine Schritte hallten von den Wänden wider, als er sich zum Lift begab.
Er fuhr zur vierten Etage hoch, orientierte sich kurz und steuerte dann die Tür von Apartment 4 G an. Als er läuten wollte, fiel ihm auf, dass die Tür nicht ganz geschlossen war.
Sofort breitete sich ein unangenehmes Kribbeln zwischen seinen Schulterblättern aus. Jay Pepper hatte Angst, und ein Mann, der sich fürchtet, lässt seine Tür nicht offen, damit jeder, dem es gefällt, in sein Apartment gelangt.
Bount tat zwei Dinge gleichzeitig: Er angelte seine 38er Automatic aus dem Schulterholster und drückte die Wohnungstür vorsichtig auf. Zunächst stieg ihm der Geruch von verbranntem Kordit in die Nase, und dann entdeckte er auf dem PVC-Belag Bluttropfen.
„Mister Pepper?“
Er bekam keine Antwort.
Bount beging nicht den Fehler, einfach loszustürmen. Wenn er die Zeichen richtig deutete, war Jay Pepper angeschossen worden, und vielleicht befand sich der Schütze noch in der Wohnung.
Bount ging an keiner Tür vorbei, ohne einen Blick in den Raum zu werfen, in den sie führte. Er war kein Freund von unliebsamen Überraschungen. Mit wachsender Spannung näherte er sich dem Wohnzimmer. Darauf führte die Blutspur zu.
Als er seinen Fuß in den Raum setzte, spannte sich seine Kopfhaut. Er sah zwei Beine, und als er zwei weitere Schritte vorging, sah er den Mann: Jay Pepper.
Er lag auf dem Bauch, seine Finger waren in den Teppich gekrallt. Mit gebrochenen Augen starrte er die weiße Wand an. Verletzt war er wahrscheinlich draußen im Flur worden.
Er schaffte es noch, sich in den Livingroom zu schleppen. Vermutlich wollte er telefonieren, denn der Apparat stand von ihm nur einen Meter entfernt. Er hatte ihn nicht mehr erreicht.
Bount beugte sich über die Leiche. Er drehte den Toten um. Sechs, sieben Kugeln hatten ihn getroffen. Ein Mörder mit zwei Waffen? Oder zwei Killer mit je einer Waffe?
Im Moment mussten diese Fragen unbeantwortet bleiben, aber Bount hatte nicht die Absicht, sie zu vergessen. Mit der Waffe in der Hand richtete er sich auf.
Da schnarrte hinter ihm jemand: „Keine Dummheiten, Mann, sonst geht’s dir schlecht!“
5
Bount spürte einen Kloß im Hals. Er spreizte die Arme ab, denn er war sicher, dass der Mann hinter ihm eine Kanone in der Faust hielt, und er war nicht scharf auf eine Kugel.
Langsam drehte er sich um, ohne dazu aufgefordert worden zu sein, und er spürte eine gewisse Erleichterung, als er sich zwei Polizisten gegenübersah. Sie zielten zwar mit ihren großkalibrigen Dienstwaffen auf ihn, aber sie würden nicht abdrücken, wenn er ihnen keine Veranlassung dazu gab.
Er hob die Hände. Die Cops verfolgten gespannt jede seiner Bewegungen. „Okay, Freundchen“, sagte einer der beiden. „lass fallen!“
Bounts Finger öffneten sich, und die Automatic fiel auf den Teppich. Dem Cop genügte das aber noch nicht. Er wedelte mit seinem Revolver.
„Da hinüber! Stütz die Wand!“
Bount kam auch dieser Aufforderung folgsam nach. Er begab sich zur Wand und legte die Handflächen darauf.
„Einen Schritt zurück!“, verlangte der Uniformierte. „Und Beine grätschen!“
Bount gehorchte.
„Bill, sieh mal nach, ob er sauber ist!“
Bill, der jüngere Cop, näherte sich Bount mit großer Vorsicht.
Als er den Detektiv erreichte, setzte er ihm erst einmal die Waffe an die Rippen, und dann durchsuchte er Bount so, wie man es ihm auf der Polizeischule beigebracht hatte.
„Sauber“, sagte Bill.
„Hätte ich euch gleich sagen können“, bemerkte Bount, „aber ihr hättet es mir nicht geglaubt.“
„Tja, unser Misstrauen hält uns am Leben“, sagte der Uniformierte, der Bill vorgeschickt hatte. „Warum hast du den Mann umgelegt?“
„Hab’ ich nicht, ich bin kein Killer“, erwiderte Bount Reiniger barsch.
„Bleib freundlich, Kleiner, sonst halsen wir dir zusätzliche Schwierigkeiten auf. Hast wohl nicht damit gerechnet, dass wir so schnell zur Stelle sein würden, wie?“
„Ich bin Privatdetektiv. Der Tote war mein Klient“, sagte Bount wahrheitsgemäß.
„So, so, ’n Schnüffler bist du also. Kannst du auch beweisen, was du behauptest?“
„Sicher. Meine Lizenz steckt in der linken Brusttasche.“
„Nicht du holst sie raus“, entschied der vorsichtige Cop. „Bill wird so freundlich sein, es für dich zu tun.“
„Ist mir recht“, sagte Bount Reiniger, und Bills Hand ging auf Wanderschaft. Er warf seinem Kollegen den Ausweis zu. Der warf nur einen kurzen Blick darauf und wurde dann blass.
„Verdammt“, entfuhr es ihm. „Da haben wir