A. F. Morland

Serienkiller und Mord-Schakale: 10 Krimis


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      Niemand öffnete.

      "Mit wem hast du gerade gesprochen, Jesse?"

      "Wenn ich das wüsste..."

      Ich klingelte noch einmal.

      Milo und ich wechselten einen Blick.

      Wir hatten denselben Gedanken.

      Beinahe gleichzeitig zogen wir unsere SIGs. Milo nahm Anlauf. Mit einem wuchtigen Tritt ließ er die Tür aufspringen. Holz splitterte. Mit der SIG in beiden Händen stürzte er voran. In der Praxis herrschte dasselbe klinisch-kalte Neonlicht wie auf den Fluren. Die großen Wände machten es noch greller. Milo wirbelte herum. Nirgends war etwas Verdächtiges zu sehen. Er umrundete den Schreibtisch der Sprechstundenhilfen, der mit Computern vollgestellt war.

      Ich folgte meinem Kollegen, pirschte mich bis zum Wartezimmer vor, öffnete die Tür mit einem Tritt und sah hinein.

      Nichts.

      Dann wandte ich mich dem Behandlungszimmer zu.

      Der Tür gab ich einen Stoß. Sie flog zur Seite.

      Ich durchquerte den Behandlungsraum. Auch hier brannte Licht. Die Medikamentenschränke standen zum Teil offen.

      Jemand hatte ziemlich rücksichtslos darin herumgewühlt und zahlreiche Packungen lagen auf dem Boden verstreut.

      Auf einer Krankenliege lag ein Mann.

      Regungslos. Er hatte eine kreisrunden Wunde mitten auf der Stirn. Das Blut war getrocknet.

      Das musste Dr. Chang sein. Die Art, wie er gestorben war, wies auf Harker als Täter hin. Aus dem Nachbarraum hörte ich ein Geräusch. Ich pirschte mich an die Tür heran, öffnete sie ganz vorsichtig. Dahinter befand sich ein kleiner Flur. Links war die Tür zum Röntgenzimmer, rechts der Zugang zu Dr. Changs Privatwohnung.

      Milo war mir auf den Fersen. Ich machte ihm ein Zeichen und bedeutete ihm, dass wir nicht allein waren.

      Wir schlichen vorwärts, die SIG immer im Anschlag. Als erstes nahmen wir uns das Röntgenzimmer vor. Milo öffnete die Tür. Es war niemand darin. Dann wandten wir uns der Wohnungstür zu. Ich drückte mit der Linken die Klinke hinunter. Die Rechte umklammerte den Griff der SIG Sauer P226. Das Knattern einer Maschinenpistole drang durch die unheilvolle Stille. Die Geschosse schlugen durch die Tür. Ich warf mich seitwärts, presste mich gegen die Wand. Milo rettete sich in die Nische vor der Tür zum Röntgenraum. Ein wahrer Kugelhagel drang durch die Tür. Das Holz bedeutete keinerlei Widerstand für die Feuerstöße einer MPi. Der Schütze stand vermutlich dahinter und hielt einfach drauf. Er wusste, dass es im Flur kaum Deckung gab.

      Der Geschosshagel verebbte.

      Die Tür war voll von fingerdicken Löchern.

      Ich schnellte aus der Deckung empor, gab der Tür einen Tritt und stand dann in geduckter Haltung da. Die SIG hatte ich mit beiden Händen gepackt. Der Lauf war leicht aufwärts gerichtet.

      "FBI! Waffe weg!", schrie ich.

      Ich sah Harkers Gestalt, etwa zwei, drei Meter von mir entfernt. Er war gerade in einer Rückwärtsbewegung begriffen und wollte sich zur nächsten Tür retten.

      Aber dazu war es zu spät.

      In der rechten Hand hielt er eine schlanke Maschinenpistole, in der linken eine Pistole mit langem Schalldämpfer und aufgesetztem Laserpointer. Der rote Strahl tanzte durch die Luft.

      Er riss beide Waffen gleichzeitig empor. Mündungsfeuer züngelte aus ihnen heraus. Schüsse krachten. Ich warf mich seitwärts, während die mörderischen Geschosse dicht an mir vorbeizischten. Ich feuerte ebenfalls. Harker ließ mir keine Wahl. Ich erwischte ihn an der Schulter. Die Wucht des Geschosses riss ihn ein Stück zurück, ließ ihn zucken. Der Arm mit der MPi gehorchte ihm nicht mehr richtig. Der Lauf der Waffe sank. Harkers Zeigefinger krampfte sich um den Abzug.

      Die Waffe knatterte in einem fort, und die Geschosse zerfetzten den glattgewienerten Parkettboden.

      "Fallenlassen!", rief ich erneut.

      Aber Harker dachte nicht daran.

      Er setze alles auf eine einzige Karte. Auf ein letztes Ass, das nicht mehr stach.

      Die Automatik mit Schalldämpfer zeigte in meine Richtung.

      Der Laserstrahl zuckte.

      Ich feuerte.

      Und im selben Moment hatte auch Milo vom Flur her gefeuert.

      Harker gab seinen Schuss nur Sekundenbruchteile später ab.

      Ein Ruck ging durch seinen Körper. Er wurde durch die Treffer nach hinten gerissen und sank am Türrahmen zu Boden.

      Ich rappelte mich auf, näherte mich dem am Boden Liegenden. Allan Harker hatte uns keine andere Wahl gelassen.

      "Er hat es so gewollt", stellte Milo tonlos fest. "Vermutlich wäre er um keinen Preis der Welt noch einmal nach Riker's Island zurückgegangen..."

      Ich nickte stumm.

      Dann steckte ich die SIG zurück ins Holster. "Ich hoffe nur, dass Harker wirklich der Mann ist, den wir suchen", meinte ich, "und das der Alptraum für Mister McKee nun vorbei ist..."

      Ich nahm mein Handy hervor und wählte mich ins Menü hinein. Wie automatisch stellte ich eine Verbindung zum Field Office her.

      Und dabei dachte ich an Alexandra Berringer.

      Sie war uns noch ein paar Antworten schuldig...

      24

      Es dauerte nicht lange und es wimmelte in der Wohnung und Praxis von Dr. Chang von Erkennungsdienstlern, FBI-Agenten und City Police-Beamten.

      Auch Mister McKee persönlich tauchte auf.

      Fred LaRocca und Orry Medina begleiteten ihn.

      Mister McKee beobachtete mit regungslosem Gesicht, wie der Gerichtsmediziner die Leiche von Allan Harker untersuchte. Es war unserem Chef nicht anzusehen, was in diesem Moment in seinem Kopf vor sich ging.

      "Wir hatten keine andere Wahl", sagte Milo. "Und ich glaube, er hat es darauf angelegt..."

      Mister McKee nickte.

      "Das ist durchaus denkbar", meinte er.

      "Sie sollten die Sicherheitsmaßnahmen für Ihre Person einstweilen noch beibehalten", beschwor ich den Chef.

      "Schließlich wissen wir nicht hundertprozentig, ob Harker tatsächlich der Mann ist, der es auf Sie abgesehen hatte. Und wenn er es war, dann hatte er eine Komplizin..."

      "Ja..."

      Mister McKee wirkte gedankenverloren.

      Er nickte mechanisch.

      Sehr schnell zeigten sich erste Ergebnisse, was die Untersuchung der Räumlichkeiten von Dr. Chang anging. Chang war bereits seit mehreren Tagen tot. Er war ledig, hatte wenig Kontakte. Die Sprechstundenhilfen waren telefonisch in bezahlten Urlaub geschickt worden, Patienten hatte Chang abbestellt. Angeblich wegen Erkrankung des Arztes. Harker hatte in der Praxis gelebt, die Vorräte an starken Schmerzmitteln aufgebraucht und mithilfe der Rezeptblocks gefälschte Rezepte erstellt. Die meisten Apotheker hatten wohl nicht so genau hingesehen, sonst wäre ihnen aufgefallen, dass Harker dabei Fehler unterlaufen waren.

      Heute Abend war einem Apotheker in der Delancie Street seine Genauigkeit zum Verhängnis geworden...

      Das Schrillen seines Handys weckte Mister McKee aus seiner Lethargie.

      Er nahm den Apparat ans Ohr.

      Falten bildeten sich auf seiner Stirn. Schließlich sagte er: "Bleiben Sie an ihr dran!"

      Dann klappte er das Handy ein.

      Er wandte sich an Milo und mich.

      "Das