A. F. Morland

Serienkiller und Mord-Schakale: 10 Krimis


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bin die Stimme, die Ihnen den Schlaf raubt. Ich bin die Frau, die Ihnen Briefe schreibt..."

      "...und mich beinahe in die Luft gejagt hätte?"

      "Ich spiele mit Ihnen, Jonathan McKee. Merken Sie das nicht? Die ganze Zeit über habe ich mit Ihnen gespielt, Sie leiden lassen. So wie mein Vater gelitten hat, nachdem Sie dafür gesorgt hatten, dass er in den Knast wanderte..."

      "Ihr Vater?", echote Mister McKee. "Wer ist Ihr Vater?"

      Sie kicherte.

      "Sie wissen es wirklich nicht? Strengen Sie Ihr Spatzenhirn an, G-man!"

      "Tut mir leid, Sie müssen mir schon auf die Sprünge helfen."

      "Gerne!", erwiderte Cynthia. "Nichts lieber als das!"

      In ihr Timbre hatte sich der Tonfal kalter Grausamkeit gemischt.

      Sie packte ihre Pistole mit beiden Händen.

      Es verging nur der Bruchteil einer Sekunde, ehe sie feuerte.

      Das Schussgeräusch klang durch den Schalldämpfer wie ein lautes Niesen oder der Schlag mit einer Zeitung.

      Mister McKee taumelte getroffen zurück, sank in den Sessel...

      35

      Ich fuhr wie der Teufel. Der 300 M schoss durch die Straßenschluchten des nächtlichen New York. Milo hatte das Blaulicht auf das Dach gesetzt.

      Während ich wie ein Wahnsinniger fuhr, versuchte Milo noch einmal, Mister McKee telefonisch zu erreichen. Als wir von Cynthia Hernandez' Wohnung aus angerufen hatten, war sein Apparat besetzt gewesen.

      Mister McKee nahm schließlich ab.

      "Sir, Jesse und ich haben interessante Neuigkeiten, was den Killer angeht, der es auf Sie abgesehen hat. Allan Harker war es nicht - und auch Alexandra Berringer nicht." Milo fasste das, was wir herausgefunden hatten knapp zusammen.

      "Hier ist alles in Ordnung", erklärte Mister McKee seltsam gedehnt. Er ächzte, so als ob er eine schwere Last zu tragen hätte oder...

      ...verletzt war!

      "Machen Sie sich keine Sorgen, Milo."

      "Die Frau, die es auf Sie abgesehen hat, heißt Cynthia Hernandez..."

      "Melden Sie sich bei Agent Caravaggio ab und machen Sie Feierabend, Milo. Wir sprechen morgen über die Sache, okay?"

      "Okay", murmelte Milo und beendete das Gespräch. Dann sagte er: "Sie ist bei ihm. Mister McKee ist in ihrer Gewalt, da bin ich mir ganz sicher. Welchen Sinn sollte es sonst haben, dass wir uns bei Agent Caravaggio abmelden und Feierabend machen sollen..."

      Agent Clive Caravaggio.

      Das war eine Anspielung auf Kidnapping.

      36

      "Schön haben Sie das gemacht, McKee!", sagte Cynthia kalt lächelnd. "Sehr schön..."

      Der Apparat war auf Lautsprecher geschaltet.

      Cynthia hatte alles mitgehört.

      Mister McKee hielt sich die Schulter. Blut sickerte zwischen seinen Fingern hindurch.

      "Woher wussten Sie, dass ich um diese Zeit hier, in meinem Büro bin?", fragte er. Er wollte Zeit gewinnen. Jede Sekunde, jede Minute konnte ihn im Endeffekt vielleicht retten.

      "Ich wusste es nicht", erwiderte Cynthia.

      "Aber..."

      "Ich wollte hier auf Sie warten. Sie sind morgens immer sehr früh und pünktlich. Nachdem ich Sie am Telefon hatte, habe ich natürlich gehofft, dass Sie hier sind. Aber Sie hätten mich ja auch mit einer Anrufweiterschaltung zum Narren halten können..."

      "Sie haben an alles gedacht, nicht wahr?"

      "Das habe ich."

      "Wieso hat man Sie überhaupt in dieses Gebäude gelassen?"

      "Ich bin eine FBI-Agentin", erwiderte sie triumphierend. "Jedenfalls steht das auf einem Ausweis, den ich vorgezeigt habe..."

      Mister McKee nickte.

      "Verstehe..."

      Eine Pause entstand. Cynthia umrundete den Schreibtisch, öffnete die Schublade und ergriff die SIG, die dort lagerte.

      "Ich werde Sie nicht sofort töten, McKee. Sie sollen keinen leichten Tod haben. Mein Vater hatte auch keinen leichten Tod. Und warum sollte es Ihnen besser gehen!"

      "Ihr Vater hat Verbrechen begangen, die ihn normalerweise auf den elektrischen Stuhl gebracht hätten! Aber die wirklich schlimmen Dinge konnte man ihm nicht beweisen! Er bekam zehn Jahre. Für einen Mann, bei dem ein Fingerschnippen genügte, um irgendjemanden über die Klinge springen zu lassen, ist das nicht besonders viel, finden Sie nicht?"

      Es ploppte.

      Mister McKee stöhnte auf, hielt sich den Oberschenkel.

      "Was glauben Sie, wie viele Kugeln ein Mensch aushalten kann, Jonathan McKee? Ich weiß es nicht... Ich bin gespannt darauf, Sie auch?"

      "Geben Sie auf, Cynthia! Der Agent, der vorhin angerufen hat, weiß, dass Sie die Täterin sind. Sie werden nicht davonkommen..."

      "Ja, mag sein."

      "Und das stört Sie nicht? Auf Polizistenmord steht in New York die Todesstrafe..."

      "Die Traurigkeit...", murmelte sie, fast wie geistesabwesend. "Die Traurigkeit wird aufhören. Es wird heller in mir, wenn Sie leiden, Jonathan McKee... Sie haben das gesagt. Sie haben es versprochen und was sie versprechen, werden sie halten... Ganz bestimmt"

      Ein beinahe verklärtes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht.

      Sie hob erneut die Waffe mit dem Schalldämpfer.

      "Hören Sie auf!", rief Mister McKee.

      "Vielleicht hat mein Vater das auch gerufen, als er eingesperrt wurde... Zehn Jahre... So lang... Meine Mutter war danach nicht mehr dieselbe. Sie war ein Wrack, trank nur noch... Und die Traurigkeit... Sie hat mich seit jenem Tag nicht mehr verlassen. Nie mehr. Wie eine schwarze Welle... Aber das wird nun vorbei sein. Endgültig..."

      Der Laserpunkt tanzte.

      Sie zitterte.

      Ihre Augen wirkten unruhig.

      Die Lippen waren aufeinandergepresst, wirkten wie ein dünner gerader Strich...

      Sie war völlig entrückt und schien jetzt mit jemandem zu sprechen, der gar nicht anwesend war.

      "Ja, ich weiß! Ich muss es jetzt zu Ende bringen. Ich habe nicht mehr viel Zeit...Zu Ende... Ja, ja... Ich tu's... Hört auf, mich zu drängeln, ich tu's ja!"

      37

      Als wir den Flur vor Mister McKees Büro erreichten, befand sich dort bereits ein Dutzend schwerbewaffneter G-men in Kevlar-Westen. Wir hatten die im Haus verfügbaren Kollegen von unterwegs aus alarmiert, aber die meisten von denen waren Innendienstler. Die hatten zwar dieselbe Grundausbildung in Quantico genossen, die allen FBI-Agenten zu Teil wird, aber selbstverständlich ist es ein Unterschied, ob man den Umgang mit der Waffe tagtäglich im Außendienst übt, oder nur hin wieder mal einen Auffrischungskurs am Schießstand hinter sich bringt.

      Und die für solche Fälle ausgebildeten Spezialkräfte mussten erst aus dem Schlaf geklingelt werden.

      Ich hatte den Kollegen zu äußerster Vorsicht geraten.

      Auf keinen Fall durfte das Zimmer von Mister McKee vorschnell gestürmt werden. Denn die Frau, mit der wir es zu tun hatten, war zu allem entschlossen. Möglicherweise handelte es sich sogar um eine psychopathisch veranlagte Persönlichkeit.

      Immerhin