bremste mit quietschenden Reifen.
Wir rissen die Türen auf, sprangen raus und hatten dabei die SIGs schon in der Faust. Im dritten Stock von Haus Nummer 234 war ein Fenster buchstäblich herausgesprengt worden. Ein glutroter Flammenpilz schoss empor. Mauerstücke wurden aus der Wand gebrochen und in die Tiefe gerissen. Innerhalb von Sekunden bildete sich eine Staubwolke, die alles einhüllte.
Unten auf der Straße wichen die NYPD-Beamten vor den herunterkrachenden Betonbrocken zurück.
Mein Freund und Kollege Milo Tucker und ich setzten zu einem kleinen Spurt an.
Orry folgte uns.
"Agent Trevellian, FBI!", rief ich einem Sergeant zu, der unseren Weg kreuzte. "Was ist hier los?"
"Jemand hat auf euren Chef geschossen!"
"Wo ist Mister McKee?"
Der Sergeant deutete auf Haus Nummer 234. "Irgendwo dort drinnen! Wir haben angefangen das Haus zu umstellen, da ging plötzlich die Bombe los..."
Ich ließ den Sergeant stehen und lief Richtung Eingang.
Milo und Orry folgten mir.
Wir erreichten den Aufzug, dessen Schiebetür immer wieder gegen einen zusammengerollten Mantel fuhr. Wir nahmen die Treppe. Bei Bränden und Explosionen sind Aufzüge tabu, das gehört zum kleinen Einmaleins der Sicherheitsbestimmungen.
Wir hetzten die Treppen hinauf bis in den dritten Stock, dann den Flur entlang.
Dann stoppten wir im Lauf.
Mister McKee stand wie zur Salzsäule erstarrt da, den Blick auf das Loch gerichtet, dass die Explosion in die Fassade gerissen hatte. Sämtliche Scheiben waren zersprungen.
Ich atmete tief durch, steckte die SIG ins Holster.
"Gott sei Dank, Chef! Ihnen ist nichts passiert..."
Mister McKee schien uns zunächst gar nicht zu bemerken. Sein Blick war nach innen gekehrt. Er war tief in Gedanken versunken.
Dann ging ein Ruck durch ihn. Er wandte den Kopf in unsere Richtung. Sein Gesicht blieb unbewegt.
"Das war ziemlich knapp", sagte er dann. "Aber ich bin überzeugt davon, dass ER es genau so wollte..."
"Wer?"
"Der Killer, der mir schon eine ganze Weile auf den Fersen ist. Erst mit zusammengeklebten Briefen, dann mit Anrufen und einem Sprengstoffattentat auf meinen Wagen. Und nun..."
"Nun hat er Sie direkt ins Visier genommen", stellte Milo fest.
Mister McKee nickte. Er deutete auf das Loch in der Wand. "Von hier aus hat er auf mich gezielt. Mit einem Gewehr, das über Laserzielerfassung verfügte. Hätte ich den roten Strahl nicht aufblitzen sehen - ich hätte jetzt wohl eine Kugel im Kopf."
Der Chef trat etwas näher an das Loch in der Wand heran.
Vom Fenster war nichts geblieben.
"Seltsam", murmelte er dann.
"Worüber denken Sie nach, Sir?", fragte ich.
"Der Killer hat eine deutliche Spur hinterlassen. Einen Handabdruck... Ich konnte ihn gerade noch sehen und wunderte mich über den Dilettantismus des Täters, da explodierte alles. Es wirkte beinahe so, als ob..." Mister McKee machte eine kurze Pause. Auf seiner Stirn erschienen tiefe Furchen.
"...als ob er mit mir spielen wollte!"
"Ein grausames Spiel."
"Ja, wie eine Katze, die noch wartet, ehe sie ihre Beute endgültig tötet..."
"Sir, bei allem Respekt..."
Mister McKee hob die Augenbrauen und sah mich an.
"Ja?"
"Sie sollten diesem Fall jetzt endlich Priorität einräumen!"
Unser Chef nickte düster.
"Vielleicht haben Sie recht, Jesse..."
3
Das gesamte Gebäude wurde von Beamten der City Police und eintreffenden FBI-Agenten durchsucht. Die Kollegen der Scientific Research Division, des zentralen Erkennungsdienstes aller New Yorker Polizeiabteilungen, machten sich daran, nach jeder noch so kleinen Spur zu suchen.
Der Täter war offenbar entkommen. Möglicherweise über eine der Feuerleitern. Kollegen der City Police stellten fest, dass eine der Wohnungstüren im vierten Stock aufgebrochen worden war. Vielleicht war das sein Fluchtweg gewesen.
Wir befragten Dutzende von Personen aus der Nachbarschaft, um etwas mehr über den mysteriösen Schützen zu erfahren, der auf Mister McKee angelegt hatte.
Mister McKee bestand darauf, am Tatort zu bleiben und bei den Ermittlungen dabei zu sein.
Es war Mittag, als die SRD-Kollegen erste Ergebnisse mitteilen konnten. Danach war der Sprengstoff von außen an das Mauerwerk angebracht worden. Das war auch der Grund dafür, dass Mister McKee nicht durch die Wucht der Detonation zerfetzt worden war. Genauere Rückschlüsse, etwa Herkunft und Beschaffenheit des Sprengstoffs, waren erst nach zusätzlichen Laboruntersuchungen möglich.
Milo und ich begleiteten Mister McKee schließlich zu seiner Wohnung, die nur ein paar Straßen weiter gelegen war.
Die Kleidung unseres Chefs hatte bei dem Anschlag ziemlich gelitten. Sie war vollkommen verstaubt und so wollte Mister McKee nicht in seinem Büro im FBI Field Office an der Federal Plaza erscheinen.
Milo fuhr mit dem Sportwagen, während ich in Mister McKees Wagen mitfuhr, einem Chrysler aus unserer Fahrbereitschaft.
Eins stand fest, wir konnten Mister McKee jetzt auf keinen Fall aus den Augen lassen. Der Täter, der ihn beinahe umgebracht hatte, würde es vermutlich wieder versuchen. Seit einiger Zeit schon wurde unser Chef terrorisiert. Zunächst waren es nur zusammengeklebte Hass- und Drohbriefe gewesen, als deren Urheber von uns zunächst ein Computerfreak verdächtigt worden war, gegen den wir im Zusammenhang mit einem Fall von illegalem Organhandel und einer Mordserie an Obdachlosen ermittelt hatten. Aber diese Spur erwies sich rasch als Sackgasse. Der Computerfreak hatte es geschafft in die EDV des FBI einzudringen. Daher war er auch über alle Ermittlungsdetails informiert gewesen. Ein Trittbrettfahrer, dem es Freude gemacht hatte, im Schatten eines anderen Angst und Schrecken zu verbreiten. Nach seiner Festnahme hatte der Terror keineswegs aufgehört.
Ganz im Gegenteil.
Der oder die Unbekannten hatten den Druck auf ihr Opfer erhöht.
Auf die Briefe folgten Anrufe.
Die Stimme war stets so verzerrt gewesen, dass damit der Täter nicht zu identifizieren gewesen wäre.
Dann war Mister McKees Wagen auf dem Parkplatz vor unserem Dienstgebäude an der Federal Plaza explodiert, nachdem dies Augenblicke zuvor durch einen Anruf angekündigt worden war.
Und jetzt dieses Attentat, dem Mister McKee nur um Haaresbreite entgangen war.
"Der Attentäter muss Sie sehr hassen", sagte ich an Mister McKee gewandt, während wir vor einer roten Ampel warteten. Ich saß am Steuer des Chryslers. Mister McKee saß mit nachdenklichem Gesicht auf dem Beifahrersitz. Er nahm die Situation mit erstaunlicher Gelassenheit hin. Aber diese Ruhe - ja, manchmal sogar Kaltblütigkeit - gehörte zu seinem Charakter.
Wie viel davon Maske war, konnte man bei unserem Chef niemals so ganz durchschauen.
"Die meisten, die mich derart hassen könnten, sind nicht mehr in Freiheit", meinte Mister McKee dann.
Mister McKees Apartment lag in einem Block in Upper Manhattan.
Milo, der mit dem Sportwagen vorausgefahren war, parkte am Straßenrand und stieg aus. Er blickte sich um. Dann winkte er uns kurz zu. Ich lenkte den Chrysler jetzt ebenfalls an den Straßenrand und hielt hinter dem Sportwagen.