Gisa Pauly

Die Leuchtturm-HAIE (4). Käpt’n Matjes und der verschollene Schatz


Скачать книгу

      Die Leuchtturm-HAIE

      Käpt’n Matjes und der verschollene Schatz

      Mit Illustrationen von Edda Skibbe

Innentitel Arena Verlagslogo

      Für

      Ben, Finn, Nele und Ella

      »Was war das?« Hannes, Inga und Emil bleiben stehen wie vom Donner gerührt. Oma Rosella sieht die drei Kinder fragend an. Sie ist schon ein bisschen schwerhörig und hat nichts mitbekommen.

      Inga stößt sie sanft in die Seite. »Lausch mal!«

      Nun bekommt es auch Oma Rosella mit. »Feuer! Alarm!« Erschrocken sieht sie sich um. »Brennt es irgendwo?«

      Auch die Kinder bekommen es mit der Angst zu tun. Aber so aufmerksam sie sich auch umschauen, nirgendwo gibt es ein Rauchwölkchen zu sehen. Nur Dünen, Strandhafer und in der Ferne das Meer.

      »Hilfe! Überfall!«

      »Da scheint jemand in Not zu sein.« Emil ist der Erste, der sich in Bewegung setzt. Eigentlich ist er meist eher vorsichtig und denkt erst gut nach, bevor er vorschnell handelt. Hannes dagegen ist der Tollkühne, der notfalls auch vor einer Rauferei nicht haltmacht, und Inga ein Mädchen, das jede Angst vergisst, wenn es wütend ist. Diesmal aber ist es Emil, der auf die Gefahr losrennt. »Kommt mit!«, ruft er den anderen über die Schulter zu. »Wir müssen helfen.«

      Nun begreifen auch Hannes und Inga und folgen ihm, so schnell sie können. Oma Rosella ist natürlich langsamer, aber sie schiebt ihren Rollator doch mit einem Tempo über den Weg, dass der Kies nur so spritzt.

      Das kleine Haus, aus dem die Rufe dringen, sieht verlassen aus, so, als wäre es nicht bewohnt. Der Vorgarten ist schon lange nicht mehr gepflegt worden, an den Fenstern hängen keine Gardinen.

      »Du Armleuchter!«

      Die Eingangstür steht offen und nun ist auch eine zweite Stimme zu hören, eine barsche Männerstimme. »Halt den Schnabel! Wenn du frech wirst, kriegst du von mir nichts mehr zu fressen.«

      Die drei Kinder sehen sich entsetzt an. Was ist da los? Wird da jemand gefangen gehalten? Bedroht?

      Nun zögert Emil doch und sieht sich ängstlich um. Auch Hannes bleibt stehen, nur Inga wagt es, sich der Tür zu nähern. Vorsichtig späht sie hindurch. Dann macht sie einen großen Satz in das Haus und ist verschwunden. Hannes und Emil sehen sich an und folgen ihr notgedrungen. Schließlich können die zwei Jungs ihre Freundin Inga doch nicht alleinlassen, wenn Gefahr droht. Das geht ja gar nicht.

      Allerdings … eine Gefahr ist das, was sie sehen, dann doch nicht. Am Fenster eines ausgeräumten Zimmers steht ein Käfig, darin sitzt ein großer, lebendiger Papagei auf einer Stange. »Dummköpfe! Nur Dummköpfe suchen nach Geld …«

      »Lass mich in Ruhe mit deinen Weisheiten«, unterbricht ihn der Mann, der eine Tüte mit Körnern in der Hand hält. Als er hört, dass jemand eintritt, dreht er sich um. »Was wollt ihr denn hier?«, fragt er, als er die Kinder sieht. »Den Papagei kaufen? Den könnt ihr haben!«

      »Was ist mit dem Papagei?«, fragt Emil. Ihm ist die Erleichterung anzusehen, dass es hier keinen Menschen gibt, der bedroht wird.

      Auch Inga und Hannes atmen auf. »Wer sind Sie?«

      »Jan Paulsen, der Nachbar von Ria Schluck. Sie ist vor Kurzem ins Seniorenheim gezogen. Aber den Papagei wollte bisher niemand haben. Ich habe versprochen, ihn zu füttern, bis klar ist, wer ihn nimmt.«

      Die Kinder treten näher. »Wie heißt er?«

      »Käpten. Weil der Mann von Ria Schluck Kapitän war. Der ist vor einiger Zeit gestorben.«

      »Ria Schluck kenne ich«, kommt nun Oma Rosellas Stimme von der Tür. Sie lässt ihren Rollator draußen stehen und tritt ins Zimmer, indem sie sich an der Wand festhält und vorsichtige Schritte macht. »Sie wohnt jetzt auch im Haus am Leuchtturm. Auf derselben Etage wie ich. Sie hat mir von dem Papagei erzählt.«

      »Der arme Käpten«, sagt Inga. »So ganz allein …«

      »Du kannst ihn ja zu dir nehmen«, sagt der Nachbar.

      Aber Inga braucht nicht lange nachzudenken. »Ich glaube, das geht leider nicht. Bei uns wohnen sowieso schon viel zu viele Leute. Für einen Papagei ist da kein Platz.«

      Auch Hannes ist sich ganz sicher, dass seine Mutter keinen Papagei haben will, der ständig redet, komische Dinge sagt und mit Körnern um sich schmeißt – wie jetzt gerade.

      Emil zögert. Seine Mutter ist Schriftstellerin und benimmt sich oft sehr sonderbar, wenn sie gerade einen Roman schreibt. Spielt er im Sommer, vergisst sie, Weihnachtsgeschenke zu kaufen, spielt er in den Bergen, läuft sie im Dirndl zum Strand und versucht zu jodeln. Käme in der Geschichte, die sie gerade erfunden hat, ein Papagei vor, könnte es sein, dass es ihr gar nicht auffiele, wenn plötzlich ein Papageienkäfig im Wohnzimmer steht. Emil weiß jedoch, dass seine Mutter zurzeit einen Abenteuerroman schreibt, der am Nordpol spielt. So wäre es wohl eher möglich, einen Eisbär ins Haus zu schmuggeln als einen Papagei.

      »Wir sollten mit Enno Wunderfass reden«, meint Oma Rosella. »Im Haus am Leuchtturm ist doch genug Platz. In der Eingangshalle zum Beispiel.«

      »Meinst du, das klappt?«, fragt Inga und auch die anderen Leuchtturm-Haie gucken skeptisch. Sie kennen Enno Wunderfass, den Leiter des Seniorenheims, und wissen, dass er ein strenger Mann ist.

      Aber Oma Rosella will sich nicht damit abfinden, dass der Papagei allein bleiben muss, weil niemand ihn haben will. »Gleich morgen reden wir mit Herrn Wunderfass«, sagt sie. »Nach der Schule. Wenn ihr die Hausaufgaben erledigt habt.«

      Inga lacht. »Die Herbstferien sind noch nicht vorbei, Oma! Wir können schon morgen Vormittag ins Haus am Leuchtturm kommen.«

      Oma Rosella freut sich. »Vielleicht können wir Enno Wunderfass überreden. Gemeinsam geht das besser, als wenn ich es allein versuche. Im Haus am Leuchtturm ist doch genug Platz für ihn. In der Halle gibt es bereits ein Aquarium mit einigen Fischen. Aber die sind so still. Ein sprechender Papagei würde sicherlich allen Bewohnern Spaß machen und Frau Schluck hätte Käpten wieder in ihrer Nähe!«

      Ria Schluck treten die Tränen in die Augen, als sie hört, wie unfreundlich Jan Paulsen mit dem Papagei umgeht. »Aber ich bin ja froh, dass er Käpten regelmäßig füttert.«

      Sie ist eine kleine Frau mit vielen grauen Löckchen auf dem Kopf und einer riesengroßen Brille auf der Nase. Sie sitzt in einem tiefen Sessel und erklärt den Kindern, wie erleichtert sie ist, nicht mehr allein für sich und den Papagei sorgen zu müssen. »Meine Beine wollen nicht mehr so recht. Das Einkaufen klappt nicht mehr, das Fensterputzen und Unkrautjäten erst recht nicht.« Deswegen ist sie ins Haus am Leuchtturm gezogen, wo es Pfleger gibt, die sich um alte Menschen kümmern, wenn sie ihren Alltag nicht mehr allein bewältigen können. Aber Haustiere dürfen hier nicht einziehen, das hat der Leiter Enno Wunderfass klipp und klar erklärt, als Oma Rosella ihm von Käpten erzählt hat. Die Altenpfleger können sich nur um die alten Leute kümmern, nicht auch noch um einen Papagei.

      Oma Rosella hat zu bedenken gegeben, dass es in der Halle schließlich auch ein Aquarium mit bunten