symbolisch war. Die Doppelluftmatratze, die ganze Ehebettsymbolik, oder gar nicht Symbolik, einfach die ganz reale Möglichkeit, dass man da zu zweit drauf liegen kann und so weiter. Das wollte ich nicht so direkt drinnen haben. Zaunpfahl, wie Sie sagen. Und jetzt kommen Sie und sagen, schon die zusammengepferchte Einzelluftmatratze hätte das drinnen. Eigentlich gefällt mir das, wenn man als Autor solche Sachen übersieht. Und gerade weil man es vermeiden wollte, taucht es auf. Die kontrollierten Passagen sind sowieso immer die langweiligsten.
Literaturbeilage Schade, dass Sie das alles gestrichen haben. Ich hätte gern etwas mehr erfahren über diese Sommeridylle, in der die Kinder gemeinsam herangewachsen sind. Das erzählen Sie ja nur sehr knapp. Gerade mal die Schwäne im Waldsee, an die Anni und Vittorio regelmäßig die übrig gebliebenen Frühstücks-»Semmeln« verfüttern.
Wolf Haas Ja, das wird schnell kitschig. Aber man kann’s natürlich auch übertreiben mit dem Streichen. Es gab eine Version, da hatte ich sogar die Sache mit dem Lastwagenschlauch gestrichen.
Literaturbeilage Annis Schwimmreifen? Das wäre jammerschade! Ich muss sagen, das ist eine der eindrucksvollsten Stellen im Buch. Wo man als Leserin so das Gefühl mitnimmt, als hätte man’s selbst erlebt. Als wäre man selbst mit diesem schwarzen Lastwagenschlauch als Schwimmreifen über den Waldsee geschwommen.
Wolf Haas Ja, eigentlich war es nicht richtig Annis »Schwimmreifen« in dem Sinn. Also solange sie noch nicht schwimmen konnte, wäre das als echte Schwimmhilfe für eine Nichtschwimmerin zu gefährlich gewesen. Dafür ist ein Lastwagenschlauch ja viel zu groß, da würde ein kleines Mädchen durchrutschen. Und Anni ist immer so eine dünne Kaulquappe gewesen.
Literaturbeilage Das betonen Sie auch mehrmals, dass Anni eine dünne Kaulquappe war. Dieser Ausdruck hat’s Ihnen angetan.
Wolf Haas Das ist nur, weil ihr Vater das immer zu ihr gesagt hat. Dass sie so eine dürre Kaulquappe ist. Ich glaub, das hat ihr gefallen, weil sie hat es mir selber ein paarmal erzählt.
Literaturbeilage Auch, dass sie das Wort als Kind nicht aussprechen konnte?
Wolf Haas Ja genau, Kwaulquappe.
Literaturbeilage Ist ja auch viel natürlicher ürgendwie. Kwaulquappe.
Wolf Haas Find ich auch.
Literaturbeilage Jedenfalls wäre ihr der LKW-Reifen zu groß gewesen.
Wolf Haas Viel zu groß! Als Schwimmreifen hat sie einen normalen PKW-Schlauch verwendet. Ganz am Anfang sogar einen Mopedschlauch. Also klein, aber genauso schwarz. Nicht bunt und kindlich.
Literaturbeilage Die Luftmatratze stellt man sich natürlich automatisch gelb-blau vor, obwohl die Farbe im Buch gar nicht erwähnt wird. Hat man eigentlich als Autor bei der Covergestaltung was mitzureden?
Wolf Haas Nein. Aber ich finde das Cover sehr schön. Heute sind die meisten Buchcover ja so bunt wie Jogginganzüge. Da hab ich wirklich Glück gehabt.
Literaturbeilage Luftmatratzen sind heutzutage ja eigentlich auch viel schriller.
Wolf Haas In Wahrheit ist Vittorio mit der Zeit natürlich auch zu solchen übergegangen. Er hat fast jedes Jahr eine neue gehabt. Aber Annis Reifenschläuche waren immer schwarz. Modisch konstant wie die Anzüge der Pfarrer und Architekten. Ein nasser Gummi schaut ja besonders schwarz aus!
Literaturbeilage Mir fällt auf, dass Sie vorhin sagten, die Erinnerungen an die Sommer der Kindheit, das sei Ihnen zu kitschig. Den schwarzen Schwimmreifen konnten Sie offenbar besser aushalten als meinetwegen einen bunten Schwimmreifen oder gar Schwimmflügelchen.
Wolf Haas Na ja, das war einfach so, weil Annis Vater Lastwagenfahrer war. Der hat ihr eben diesen LKW- Schlauch gegeben. Das war kein Schwimmreifen mehr, das war ihr Boot. Ich hab das selbst auch als Kind oft gesehen. Wo ich herkomme, waren das eher Bauernkinder, die hatten zum Beispiel Traktorschläuche. Das waren irre Ungetüme. Seeungeheuer! Oder sogar von einem Bagger! Gewaltige Baggerschläuche! Da kann man als normales Konsumkind mit gekauften bunten Schwimmreifen oder Luftmatratzen einpacken.
Literaturbeilage Wie Vittorio.
Wolf Haas Und bei Anni war es natürlich noch einmal ganz was Spezielles. Weil sie den Schlauch von ihrem Vater hatte. Aus dem väterlichen LKW. Ein gewaltiges Ding, auf dem die Prinzessin über den See fuhr.
Literaturbeilage Mich hat das an eine Kinderbuchillustration erinnert. Wie der kleine Däumling auf einem riesenhaften Lindenblatt über den See fährt.
Wolf Haas Ja so ungefähr! Ein Riesending war das. Ein Mordstrum-Reifen vom Bonati-Laster. Nur gefährlich, dass man sich am Ventil den Bauch aufschlitzt!
Literaturbeilage Ich denk mir gerade. Also ich versuche gerade, meine Sichtweise zu hinterfragen. Vielleicht war es doch richtig, diese Sommeridylle nur so knapp zu streifen. Ich kann bestätigen, dass einen beim Lesen sogar die wenigen Szenen davon überzeugen, dass Vittorio und Anni ürgendwie zusammengehören. Dass sie glücklich sind, wenn sie zusammen sind, und nicht so glücklich, wenn man sie trennt.
Wolf Haas Ja klar, das ist eindeutig.
Literaturbeilage Und man will es gar nicht akzeptieren, dass er dann plötzlich nicht mehr im Sommer zu ihr fährt. Dass er fünfzehn Jahre lang nicht mehr in ihr Dorf reist und auch sonst keinen Kontakt zu ihr hat!
Wolf Haas Das tut einem schon weh. Es ist wirklich eine brutale Geschichte. Alles nur wegen dem blöden Unglück eigentlich.
Literaturbeilage So eine Vergeudung!
Wolf Haas Aber nach den fünfzehn Jahren fährt er dann ja eh wieder hinunter.
Literaturbeilage Sonst säßen wir jetzt nicht hier, um darüber zu sprechen.
Wolf Haas Genau. Sonst wär’s kein Film. Wie meine Tante Sefa beim Fernsehen immer gesagt hat, wenn wir uns über irgendwelche Schmusfilme lustig gemacht haben.
Literaturbeilage Sonst wär’s kein Film, richtig. Wenn Vittorio nicht zwei Wochen nach seinem Auftritt bei Wetten, dass …? die Postkarte aus seinem Urlaubsort bekommen hätte und noch am selben Tag runtergefahren wäre.
Wolf Haas Für mich war das natürlich zuerst einmal bitter. Dass ich ihn deshalb um genau einen Tag verpasst habe. Ich glaub sogar, dass wir uns auf der Autobahn gekreuzt haben. Und als ich bei ihm vor der Tür gestanden bin, ist er gerade zum ersten Mal seit fünfzehn Jahren in Farmach angekommen.
Literaturbeilage Herr Haas, darüber sprechen wir morgen.
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