Centino Scrittori

Boccaccio reloaded


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auf das, was er da von sich gibt.“

      Montag. Als ich vor dem Klassenraum ankomme, sitzt da eine gute Freundin von mir. Sie starrt ihr Handy an. „Es gibt den ersten bestätigten Corona Virus Fall in Berlin.“ Okay, das ist kein Grund zur Panik. In den Nachrichten sagen sie immer noch, es sei ungefährlich. Etwa auf demselben Level wie eine Grippe. Ich hatte noch nie die Grippe. Aber mein Bruder einmal.

      Mittwoch. Es ist eine Woche vergangen seit dem ersten Fall. Die Zahl steigt stetig, nun sind auch schon alle Bundesländer betroffen. Ich denke an meine Verwandten, die im Ausland wohnen. Wird es sie auch treffen?

      März 2020

      Freitag. Italien ist besonders betroffen. Die Zahl der Infizierten schießt in die Höhe und es ist kein Ende in Sicht. In China ist schon seit Wochen alles dicht, in Italien seit heute. Ob uns das auch noch ereilen wird? Ich glaube nicht. Und „Nein!“, das sagen auch die Experten.

      Dienstag. Ich hatte heute Training. Sport tut gut. Ein guter Freund dort hat mich zu einem Kinobesuch eingeladen. Ein neuer Actionfilm, der in vier Wochen rauskommt. Ich steh auf sowas.

      Donnerstag. Es klingt langsam an, dass das Virus doch gefährlicher als eine gewöhnliche Grippe ist. Es gibt schon so viele Tote. Jeden Tag berichten die Nachrichten eine Minute länger über die aktuelle Situation. Die Epidemie scheint sich immer schneller zu verbreiten.

      Sonntag. Eine unaufhaltsame Welle. So beschreibe ich in Gedanken diese Krankheit. Die Corona Toten in China, es sind unzählige. Auch wenn kaum jemand den Zahlen der chinesischen Regierung glaubt. Ich frage mich, wie viele noch folgen werden.

      Dienstag. „Häufig Händewaschen, das bedeutet, als Erstes, wenn ihr hier in der Schule ankommt, und als Erstes, wenn ihr zuhause seid.“ Unsere Schule führt die angeordnete Schulung durch. Befehl von oben. „Jetzt zeigen wir euch noch ein Video, wie man richtig seine Hände wäscht.“ Ich kichere in mich hinein. Das kann doch nicht deren Ernst sein. Verhängt das Gesundheitsministerium wirklich die Maßnahme, uns beizubringen, wie man sich die Hände wäscht, obwohl man das tagtäglich macht?

      „Lächerlich. Wir sind 16, wir wissen wie das geht“, auch mein Sitznachbar muss lachen.

      „Mindestens 20 Sekunden lang die Seife verteilen, dabei nicht die Fingerzwischenräume vergessen“, tönte die Stimme aus den Lautsprechern des Computers. Schwachsinn, denke ich.

      Samstag. Heute steht unser Wocheneinkauf an. Wir gehen in unseren Stammsupermarkt, der zwei Straßenecken weiter ist. Er ist recht groß und befindet sich an einer viel befahrenen Straße. Er ist heute voller als sonst. Ich denke mir nichts dabei. Bis ich auf der Einkaufsliste Nudeln sehe. Ich gehe zum Regal. Ist es wirklich das Regal? Es ist komplett leer. Nichts ist mehr da. Keine einzige Packung Nudeln. Völlig verblüfft sehe ich mich um. Auch gehackte und passierte Tomaten sind ausverkauft. Ich kann es nicht fassen. Sowas habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen.

      Mittwoch. Was? Veranstaltungen sollen abgesagt werden? Ab 1000 Personen, das ist es, was sie heute verkünden. Ich kann es kaum fassen. Das betrifft mich zwar nicht, aber alle Fußballspiele, die stattfinden sollen. Mein Onkel geht gerne ins Stadion, doch das ist jetzt hinfällig. Er wollte diesmal meinen Bruder mitnehmen. Der ist zwar schon 21 und studiert, aber er versteht diese ganze Sorge um das Virus trotzdem nicht. Und ich? Ich bemühe mich einfach nur um gute Laune. Das scheint mir das Wichtigste. Außerdem muss ich mich auf andere Dinge konzentrieren. Corona hin oder her.

      Donnerstag. Von 1000 auf 100 auf 50 Personen sinkt die Zahl der bei einer Veranstaltung zugelassenen Personen. Innerhalb eines Tages! Woher kommt dieser Sinneswandel? Auf einmal heißt es auch, dass Corona tödlicher ist als die Grippe. Auf den Straßen laufen die ersten Menschen mit Mundschutz herum.

      Freitag. Die Ereignisse und Entscheidungen überschlagen sich. Sollen die Schulen geschlossen werden? Das ist heute in aller Munde. Es findet eine Konferenz diesbezüglich statt. „Zum Schutz, der Alten und chronisch Kranken“, wird immer gesagt. „Die Schulen werden nicht schließen. Da können Sie sich sicher sein“, sagt uns unser Deutschlehrer. Zwei Stunden später wird es verkündet: Die Schulen werden vorläufig zumachen. Nur noch Montag sollen wir kommen und uns Arbeitsaufträge abholen. Kinos müssen übrigens schließen. Das war’s dann wohl mit meinem Film.

      Montag. Ich sehe meine Freunde. Ihre Gesichter sehen etwas bedrückt aus. Zum ersten Mal habe ich das Gefühl, dass das Virus wirklich ernstgenommen wird. Online-Unterricht ist jetzt angesagt.

      Dienstag. Wache ich da gerade noch in meiner eigenen Welt auf? Oder in einer wüsten Zukunft? Wie viel Zeit ist seit Corona vergangen? Fünf Jahre? Nein, es ist der erste Tag der unterrichtsfreien Zeit, nur wegen SARS-CoV-2. Auch mein Training wurde abgesagt. Diese verdammte Krankheit.

      Mittwoch. Keine EM. Kein Olympia. Alles abgesagt, mir bleibt nur noch Online-Schule. Alle Lehrer bitten uns Schüler zuhause zu bleiben. Alle Läden sollen schließen. Eine Maßnahme, um das öffentliche Leben einzuschränken. Die Infektionswelle soll verlangsamt werden. Kein Mensch lächelt mehr.

      Donnerstag. Jeden Tag gibt es Spezialsendungen über das Virus. Die Ausgangssperre in Italien wird verlängert. Ich weiß schon gar nicht mehr, wann sie erlassen wurde. Fast alle Krankenhäuser dort sind überlastet. Die Sterberate ist unfassbar hoch. Die Ärzte müssen entscheiden, wen sie nach Hause schicken, um dort allein zu sterben, und wen sie behandeln. Ich hoffe, dass uns das hier nicht passieren wird. Überall auf der Welt scheint Corona nun zu greifen. Schutzkleidung wird bald Mangelware sein. Das kann doch nicht die Realität sein?! Doch viele junge Leute verstehen das nicht. Es werden Corona-Partys veranstaltet. Ein Mitbewohner meines Bruders feiert fast jeden Tag, seit die Unis zu sind. Ich habe deswegen fast einen Wutanfall bekommen. Abends wird gemeinschaftlich am Fenster für Ärzte applaudiert. Jeder sollte so selbstlos sein wie sie.

      Freitag. Ich habe meinen besten Freund am Telefon. „Ich vermisse den Alltag. Irgendwie bekommt man jetzt erst richtig Lust, entspannt eine Runde shoppen zu gehen. Und danach ins Restaurant.“ „Ich weiß genau, was du meinst. Ich darf mich auch nicht mehr mit Freunden treffen. Ich vermisse dich.“ Ich lächle in mich hinein. „Ich dich auch. Wenn das hier vorbei ist, müssen wir uns sehen.“

      Sonntag. Kontaktverbot. Nach der Schließung der Grenzen und dem Reiseverbot musste das der nächste Schritt sein. Das ist quasi eine Ausgangssperre unter verdecktem Namen. Und daran sind Leute wie dieser Freund meines Bruders Schuld. Meine Eltern wechseln ins Home-Office.

      Eine neue Vorschrift der Regierung. Wie immer: zur Eindämmung des Virus.

       „Ab hier ist alles ausgedacht und hoffentlich wird es nie so weit kommen, aber ich würde trotzdem gerne noch weitererzählen“, warnt das Mädchen uns und als von allen Seiten Zustimmung kommt, erzählt sie weiter.

      April 2020

      Freitag. Die letzten zwei Wochen zogen wie ein Alptraum an mir vorbei. Fast in der gesamten EU wurde eine Ausgangssperre verhängt. Überall sind die Krankenhäuser überfüllt. Meinen Opa hat es auch erwischt. Er liegt auf der provisorischen „Intensivstation“ auf dem Messegelände. Ich unterdrücke die Tränen. Das alles ist so surreal. Ich kann nicht glauben, dass das echt passiert.

      Sonntag. Die ganze Welt befindet sich im Ausnahmezustand. Hierzulande horten die Leute Toilettenpapier, in Schottland Whiskey, in Frankreich Rotwein und Käse. Vernünftig, so kann man seine Sorgen in Alkohol ertränken. In den USA kaufen alle vorsorglich Waffen. Unterbewusst prophezeie ich den USA einen Bürgerkrieg. Ich habe da ein ganz mieses Gefühl bei der Sache.

      Mittwoch. Die Nachrichten kennen kein anderes Thema als die Pandemie mehr. Mein Opa ist gestern verstorben. Ich kann nicht mehr. Tränen fließen über mein Gesicht. Es soll endlich aufhören! Die Wirtschaft steht vor dem Abgrund, sogar die Lebensmittel könnten knapp werden, weil keine Erntehelfer da sind. Die Schulden dürften ins Unermessliche steigen, da diese Krise allen zu schaffen macht. Ich wollte mir die Zahlen nicht so genau anhören, aber es sind jetzt schon mehr als 1.000.000 Tote weltweit. Hier sind es schon weit über 20.000 und es werden ständig mehr.

      Juni