Harry H.Clever

Als Erinnerung noch Realität war!


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möglich war erste Hilfe leisteten, suchten zwischen den Trümmern nach vermeintlichen Opfern.

      Vor so manchem Trümmerhaus stapelten sich vorübergehend die gefundenen Toten. Die Uniformierten wollten uns stellenweise gar nicht passieren lassen und uns auch wieder zurückschicken, aber irgendwie mussten wir ja weiterkommen, denn hinter uns gab es nichts mehr, was man Heimatlich hätte bezeichnen können.

      Auf verschiedenen Umwegen sind wir dann aber nach geraumer Zeit doch noch bei meinen Großeltern mitten in der Nacht dann angekommen. Meine Oma war zu Tode erschrocken als wir mitten in der Nacht auf einmal vor ihr standen, aber trotzdem glücklich das uns persönlich nichts passiert war. Sie meinte dann pragmatisch nur, dann müssen wir eben eine Weile etwas zusammenrücken, irgendwie wird es schon gehen, denn auf der Straße könnt ihr ja wohl nicht bleiben.

      Meine Uroma, eine kleine schmale, zierliche Person, wohnte auch noch bei ihnen, leider war die Gesundheit meiner Uroma nicht sonderlich stabil und sie war zudem auch schon recht betagt. Die damaligen unruhigen Vorgänge taten auch ein Übriges, denn auch bei den Fliegeralarmen war es ihr nicht mehr möglich schnell in einen Keller oder Bunker zu flüchten.

      Der Weg dorthin war immerhin fast dreihundert Meter weit und schnell waren für sie in ihrem hohen Alter die drei Etagen auch nicht mehr zu bewältigen.

      Somit blieben sie alle zusammen immer auf gut Glück und Gott vertrauend in der Wohnung im dritten Stockwerk ihres Hauses, bei den Fliegerangriffen wurden dann eben alle Gardinen geschlossen und maximal brannte auch nur eine kleine Kerze in der ganzen Wohnung.

      Denn Licht war ja auch immer ein Gefahrenpunkt bei den Fliegerangriffen und um auch etwaige Stromschläge bei einem zufälligen Treffer zu vermeiden wurde die Hauptsicherung auch herausgedreht.

      Die Uroma trug als einzige im Haus stets ein schwarzes fingerbreites Samtband mit einem kleinen Emblem und einer Perle auf der Vorderseite eng am Hals. Was zur damaligen Zeit vor allem bei vielen älteren Damen scheinbar Mode war und natürlich meine kindliche Neugierde immer wieder aufs Neue erweckte.

      Aber eine für mich verständliche Erklärung über den Sinn habe ich nie von Ihr oder jemand anderem erhalten, ich habe daher immer gedacht sie sei irgendwie erkältet, für mich die einzige logische Deutung.

      Darum habe ich sie stets bedauert wegen ihrer vermeintlichen Erkältung, denn nach meiner Logik konnte es ja keinen anderen Grund geben, ich bekam ja auch stets einen warmen Halswickel bei Anzeichen von Erkältungen. Ich nannte sie einfach meine tick-tack Oma, wohl auch, da sie ja immer direkt unter einer großen alten Wanduhr mit diesem eindeutigem Uhrwerksgeräusch und einem recht lautem Schlagwerk auf dem Ledersofa gesessen hatte.

      Nur durch sie durfte ich auch einen kleinen grauen, nickenden Esel, der hinter der Glastüre in der Wanduhr stand in die Hand nehmen. Alleine durfte ich die Uhr nicht anfassen, dagegen opponierte mein Opa gewaltig mit einem strikten nein.

      Diesen Esel konnte man durch eine ganz leichte Berührung in eine nickende Bewegung versetzen, aber das Öffnen des Uhrgehäuses wollte meinem Großvater eigentlich gar nicht so recht gefallen, denn diese altgediente Uhr hegte und pflegte er als ein Erbteil seiner Eltern schon seit langer Zeit.

      Diese Uhr in ihrem Nussbaumholz Gehäuse, mit der unterteilten Glasfront und dem Perpendikel habe ich von meiner Mutter später geerbt und übrigens heute noch im täglichen Betrieb, doch ohne den hellen durchdringenden Klang vom Schlagwerk.

      Von meiner Uroma habe ich auch noch die Erinnerung, dass sie regelrecht die Augen verdrehte, wenn es Kaffeebohnen, eine damalige scheinbare große kostbare Rarität im Hause gab. Sie hat dann mit wahrer Inbrunst und sichtlichem Wohlbehagen die Mühle zwischen ihren Knien haltend ganz bedächtig, wie Gedankenverloren die Kurbel gedreht und den Duft des Mahlguts dabei sichtlich genossen hat.

      Es gab auch noch eine andere eine zweite etwas größere Mühle in der immer wieder alles Mögliche, wie Korn und Maiskörner und alles was zerkleinert werden musste mit viel Kraft und Ausdauer gemahlen wurde.

      Die meisten Sachen wurden aber überwiegend erst in einer Pfanne auf dem Kohleherd, dem einzigen Wärmegeber in der drei Zimmer Wohnung getrocknet oder geröstet worden. Und dann wie Korn und Mais zum Beispiel dann mit etwas Bohnenkaffeemehl gemischt das dann einen eigenen Ersatzkaffe, einen gewissen Muckefuck wie meine Oma dieses Gemisch nannte, ergab.

      Oder aber auch luftgetrocknete Steckrübenschnitzel die zu Mehlersatz gemacht wurden, diese Mühle durfte ich dann auch gelegentlich, wenn meine Kraft dazu reichte drehen, das war ja doch recht mühsam und anstrengend aber dann auch jedes Mal eine große Ehre für mich.

      Von dem Tod der Urgroßmutter und alle den dazu gehörigen Sachen und Aufregungen, in der Zeit damals nicht gerade unerheblich, habe ich nicht besonders viel mitbekommen. Man hatte mir auf meine Nachfrage nach ihr erklärt das sie in einem Krankenhaus sei, sie ist von dort dann aber nicht wieder Heim gekommen ist.

      Unsere doch sehr beengten Wohnverhältnisse, immerhin wohnten die beiden Schwestern meiner Mutter, um einiges Jünger als sie auch noch dort, wurden durch ihren Tod nur ein klein wenig verbessert. Durch die Enge bedingt blieben natürlich kleinere Reibereien der drei Schwestern untereinander auch nicht aus, es war schon eine extrem angespannte Situation aber eine andere Lösung war kurzzeitig auch nicht in Sicht.

      Doch genau genommen hatten wir noch sehr viel Glück im Unglück. Denn viele Personen in der Stadt hatten eben nicht die Möglichkeit wie wir, stellenweise hausten die vielen Menschen noch in den ausgebombten Häusern oder Kellern in den Ruinen unter unglaublichen Verhältnissen.

      Es standen für uns alle zusammen aber eben nur drei Räume für sechs Erwachsene und zwei Kinder, insgesamt also acht Personen zur Verfügung auf im Moment unbestimmte lange Zeit, das war aber nicht auf lange Dauer machbar und somit eben doch nur von vorübergehender Zeit.

      Da in der direkten langgezogenen Talsohle unserer Stadt kaum noch ein zum Wohnen brauchbares Gebäude zu finden war, wurde stellenweise auf äußerst beengtem Raum in manchen der noch vorhandenen Wohnungen vorüber gehend gelebt. Das Ausmaß war so beachtlich, dass selbst Goebbels eine Gedenkrede am 19.6.43 für die Bombenopfer von Wuppertal im Radio hielt.

      Somit hatte die Stadtverwaltung alle Hände voll zu tun den Überlebenden in irgendeiner Weise zu helfen und ihnen ein Dach über den Köpfen zu beschaffen.

      Die Infrastruktur und auch der Handel war fast komplett in der gesamten Innenstadt und spezielleren Gewerbegebieten zerstört worden. Da musste man schon Dankbar sein, wenn man in dieser übergroßen Notsituation noch eine öffentliche Hilfe irgendwelcher Art überhaupt bekam. Man musste auch einen Nachweis erbringen wie und wo noch Verwandtschaft in intakten Wohnbereichen zu finden waren, um eine eventuelle, vielleicht auch nur vorübergehende Umsiedlung zu bewerkstelligen.

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