KATHARINA FÜLLENBACH
ERITREA
NOTIZEN ZU EINER REISE IM WINTER 2020
Reisepostillen Band 10
© 2020 Katharina Füllenbach
Umschlag, Illustration und Photos, sofern nicht anders gekennzeichnet: Katharina Füllenbach
Lektorat: Hans-Henner Becker, Dr. Hildegard Bodendiek-Engels
Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg
ISBN | |
Paperback | ISBN 978-3-7482-3181-3 |
Hardcover | ISBN 978-3-7482-3182-0 |
e-Book | ISBN 978-3-7482-3183-7 |
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Vorbemerkung und Dank
„Einmal hinfahren ist besser, als hundert Mal darüber lesen“ ist ein Erfahrungssatz, dessen Wahrheitsgehalt sich für mich in den letzten Jahren und bei verschiedensten Reisezielen schon häufig bestätigt hat. Dieses Mal war die Überraschung allerdings besonders groß, denn das in Veröffentlichungen überwiegend kreierte Szenario eines „afrikanischen Nordkoreas“ hatte bei der Reisevorbereitung seine Wirkung nicht verfehlt. Mit Skepsis, was mich wohl erwarten würde, war ich daher Anfang Februar losgefahren.
Noch nie habe ich dann die Diskrepanz zwischen angelesenen Informationen und vorgefundener Wirklichkeit als so gravierend empfunden, wie bei dieser jüngsten Reise nach Eritrea. Keines der im Kopf mitgebrachten dunklen Bilder wurde während meines Aufenthaltes tatsächlich bestätigt. Vielmehr habe ich ein Land vorgefunden, dass in seiner jungen Geschichte ganz sicher nicht frei von Mängeln ist, dessen aufrichtiges Bemühen um die Schaffung einer funktionierenden Zivilgesellschaft aber beeindruckt und ernst genommen werden muss.
Ich danke all den wundervollen, warmherzigen, sanften und hilfsbereiten Menschen, denen ich auf meiner Reise begegnet bin und mit denen ich in Bussen, Taxen, Geschäften, Cafés, auf Märkten und Landstraßen gesprochen habe. Sie waren fast ausnahmslos bereit, mir, der Fremden, von ihren Alltagssorgen, Wünschen, Hoffnungen und Träumen für die Zukunft zu erzählen, ohne dabei ihre Unzufriedenheiten oder Kritik an einzelnen Facetten der gegenwärtigen Lebensumstände zurückzuhalten. Ausnahmslos allen gemeinsam war aber auch eine große Verbundenheit mit ihrem Land und die Bereitschaft, seine Existenz auch zukünftig zu verteidigen. Sie alle haben mich tief beeindruckt und mit einer tiefen Bewunderung für ihren souveränen Umgang mit dem kulturellen Erbe und einem vollen Herzen heimkehren lassen.
Katharina Füllenbach, Mai 2020
Asmara, 6. Februar 2020
Seit meiner Ankunft auf dem ‚Asmara International Airport’ morgens um sieben Uhr sind die Dinge erst einmal wie am Schnürchen gelaufen. Passkontrolle und Gepäckausgabe waren in weniger als einer halben Stunde erledigt und auch der Geldwechsel an einem kleinen Schalter der ‚Bank of Eritrea’ stellte kein Problem dar. Die Vermieterin meines Appartements hatte zudem von Washington D.C. aus jemanden organisiert, der mich abholte und in das Viertel etwas außerhalb des Stadtzentrums brachte, in dem ich für die nächsten zehn Tage eine Einzimmerwohnung gemietet habe.
Der Gebäudekomplex, in dem dieses Appartement liegt, wird in einem Internetartikel als eine der größten Wohnanlagen Afrikas beschrieben. Die fünfgeschossigen Wohnblöcke mit je zwei Treppenaufgängen und den drei von dort sich jeweils öffnenden Wohnungstüren wurden in den Neunzigerjahren von einer koreanischen Baugesellschaft errichtet. Knapp eintausenddreihundert Familien leben hier und profitieren von der damals gleich mitgeplanten und erbauten Infrastruktur, die Schulen, Kindergärten, kleine Geschäfte für die Alltagsversorgung und ein Krankenhaus umfasst.
Die angemietete Unterkunft ist ordentlich und der Hauptraum mit allem ausgestattet, was üblicherweise als wohnlich oder gemütlich angesehen wird. Neben Bett, Schrank und Esstisch mit sechs Stühlen dominiert eine üppige Polstergarnitur das Zimmer, in dessen hinterer Ecke ein einwandfrei funktionierender Fernseher mit DVBT-Anschluss und entsprechend vielen internationalen Programmen steht. Der Fußboden ist glatt gekachelt, die Wände wurden verputzt und in einem hellen Blau lackiert. Vor Fenster und Balkontür hängt bodenlang eine weiß-opake Gardine, die tagsüber das Licht durchlässt und nach Einbruch der Dunkelheit neugierige Blicke aus der Nachbarschaft abhält.
Die Küche ist mit der Sorte ältlich verschlissener Möbel bestückt, wie man sie in Wohnungen mit häufig wechselnden Bewohnern gerne antrifft. Mikrowelle und Kühlschrank stehen vor der einzigen Steckdose, die sich später als nicht funktionierend herausstellt und es gelingt mir erst im Laufe der Tage mit einer fußanglerischen Konstruktion aus Verlängerungskabeln quer durch die Wohnung, zumindest den Kühlschrank in Gang zu setzen.
Im Bad stößt man schließlich praktisch und konkret auf ein allseits bekanntes und gravierendes eritreisches Problem mit der Wasserversorgung, welches als fester Bestandteil des Lebens eine Reihe von alltäglichen Improvisationen und in diesem Appartement vor allem bei der Badezimmereinrichtung nach sich zieht. Zwar wurde die Siedlung ursprünglich sowohl mit einem modernen Leitungswasser- als auch Abwassersystem erbaut. Da die Wasserversorgung im ganzen Land jedoch starken Schwankungen unterworfen ist, wird sie wegen offenbar gravierender Versorgungsengpässe in der gesamten Wohnanlage immer wieder unterbrochen und hat, selbst wenn sie funktioniert, nicht genügend Leitungsdruck, um die sanitären Anlagen oder Heißwasserboiler der oberen Stockwerke ihren zugewiesenen Funktionen nachkommen zu lassen. Jede diesbezügliche Hebel- oder Drehbewegung in Küche oder Bad ist also maximal fruchtlos und lässt den gewöhnlichen Nachkriegseuropäer hilf- und ratlos vor einem Phänomen stehen, das er aus dem eigenen Lebensumfeld allenfalls vom Hörensagen kennt.
In meiner aktuellen Unterkunft steht ob dieser Umstände neben der Toilette ein Wassereimer, aus dem mit einer aufgeschnittenen ehemaligen Waschmittelflasche als Schöpfgefäß das WC gespült wird. An der Dusche findet sich eine weitere, freundlicherweise bei meiner Ankunft randvoll gefüllte Wassertonne für die Körperpflege, dazu ein elektrischer Schnellkocher, damit Haarewaschen und sonstige Hygienerituale nicht gar zu sportlich ausfallen.
Im Laufe meines Aufenthaltes wird sich herausstellen, dass es einiger Erfahrung und Übung bedarf, bis jemand wie ich mit dieser ungewohnten Situation zurechtkommt und beispielsweise nicht immer wieder zu geringe Mengen Wasser in die Toilettenschüssel kippt, ohne dass damit wirklich alles weggespült wird, dafür aber der Wasserspiegel insgesamt gefährlich ansteigt. Nach diesbezüglich allerlei frustrierenden Momenten weiß ich mittlerweile, mit welcher Wassermenge und welchem Schwung und Winkel man auf den Abfluss der Toilette zielen muss, damit der Rückstau vermieden und ein maximaler Abfluss herbeiführt wird.
Meine Gastgeber haben zudem auf dem Balkon eine Regentonne befüllt, wobei mir bei Ankunft noch nicht klar ist, wie deren Inhalt von sicherlich einhundert Litern in den dritten Stock des Hauses gelangt ist.
Später werde ich erfahren, dass die Zuleitungen in die Wohnungen schon seit Monaten nicht mehr funktionieren und die Bewohner der Siedlung vollständig auf die öffentlichen Zapfstellen an den Straßenecken angewiesen sind. Auch auf deren Hähne wird - für den Außenstehenden willkürlich, planlos und ohne erkennbare Vorankündigung - nur an manchen Tagen und dann auch nur halbstundenweise Wasser geleitet.
Dieser Umstand lehrt mich im Laufe meines Aufenthaltes, wie es sich anfühlt, wenn man ein- oder bestenfalls zweimal in der Woche morgens plötzlich unten an der Straße Wasser sprudeln hört und dann verzugslos und flinkfüßig seine Eimer oder Kanister zu greifen hat, um für die nächsten Tage versorgt zu sein. Selbstredend bin ich als Fremde da vollständig unbeholfen, mehrfach werde ich während meines Aufenthaltes diesen wichtigen Moment verpassen und kann dann nur noch ein Abschlussgetröpfel des Wasserhahns im Eimer auffangen, bevor der Zufluss wieder