Herwig Riepl

Das Tango-Verwirrspiel


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Lena und Gabi mit seinen Lippen verewigen. Dann blicken sich alle an. Die Frauen in feschen Kleidern und die Männer in Miniröcken.

      Die scharf aussehende Lena grinst wie ein Honigkuchen.

      »Na los, der Fürstenfeldbrucker-Schlampen-Club ist jetzt bereit für den Faschingsumzug!«

      Ein regelrechtes Pfeifkonzert ist von den anderen Abteilungen zu hören, als die Mordkommission los marschiert und durch die Gänge geht, bis sie am Parkplatz ankommen und auf den Privatbus nach Olching wartet. Zum Glück hält der Wetterbericht, was er versprochen hat. Außerdem sind die Männer froh, dass sie nicht Frauenstrings tragen müssen, sondern auf ihre eigenen Unterhosen zurückgreifen dürften. Obwohl die Wartezeit auf den Bus nur wenige Minuten dauert, fühlt es sich für die Bestrapsten wie Stunden an. Vor allem, weil aus jedem Fenster des Polizeipräsidiums die Kollegen schauen und dabei unzählige Kameras in den Händen halten. Der 1er Meier teilt sofort unter den Männern eine Runde Schnaps aus, um innerlich für ein bisschen Hitze zu sorgen. Endlich kommt aber auch der bestellte Bus und bringt die Faschings-Gruppe nach Olching.

      Der Faschingsumzug dieses Ortes ist der größte in Oberbayern. Viele Wagen und Fußgruppen sind angemeldet. Die Stimmung ist wie jedes Jahr prächtig und auch die Männer der Mordkommission Fürstenfeldbruck beginnen sich langsam zu entspannen. Hier kennt man kaum jemanden, der Trubel ist groß und was soll`s, es ist Fasching. Bevor der Umzug losgeht, schaffen es die elf Personen noch, an einem Stand etwas gemeinsam zu trinken. Danach stellen sie sich an eine Straßenseite, um das Spektakel zu verfolgen.

      ›Olau in Olching‹ schallt es immer wieder. Der eigene Schlachtruf des Ortes, den alle kennen.

      Lena steht knapp hinter Erik, da sie den kleinen Dänen mit ihren extrem hohen Stöckelschuhen, auf die sie nur ganz selten verzichtet, überragt und fasst ihm dabei gleichzeitig an sein Hinterteil.

      »Du siehst ja so was von scharf aus«, haucht sie in sein Ohr.

      »Hat dich Andrea heute schon flachgelegt, ansonsten mache ich das später noch?!«, grinst sie ihn an und gleitet mit der Hand unter seinem Rock. »Ich hätte dir gerne meinen offenen Slip geliehen«, hört er die Polizeioberkommissarin als Andrea von der Seite nur sagt: »Junge Dame, halt die Hände flach, hier sind auch Kinder unterwegs!«

      »Aber Frau Hauptkommissarin, bei dem Gedränge sieht sicher niemand, wo meine Hände sind!«, lächelt sie zurück.

      »Ich sehe es auch nicht, aber ich kann mir bereits vorstellen, wo sie sind«, antwortet die Chefin überzeugt und verdreht dabei ihre Augen.

      Der Däne überlässt anschließend lieber Lena den Platz, da ihre Hände selbst für ihm jetzt zu neugierig werden und stellt sich besser neben sie. Dafür drückt jetzt der kräftige Körper der Staatsanwältin gegen seinen Rücken.

      »Ich will auch deine Lippen auf meinen Babser sehen«, sagt die Blondinen-Kollegin Lena, die ebenfalls das dänische Busen-Wort schon lange kennt.

      Erik beugt sich hinunter und wird gleich fest zwischen ihren großzügig freien Ausschnitt gepresst. Anschließend gibt es bereits ein Gedränge und Geschiebe, wobei es kaum noch möglich ist, frei zu stehen, darum belässt er es dabei und verfolgt recht eingeklemmt, wie die ersten Wagen an ihnen vorbei fahren.

      ›Olau, Olau‹ hört man es immer wieder von allen Seiten. Dazu laute Musik, Geschwätz und Gelächter. Die Stimmung ist richtig gut, auch wenn der Däne über die vielen politischen Themen, die man an den Wägen sehen kann, eher negativ erstaunt ist. Er war mehrmals in Südamerika bei deren sogenannten Carnaval und muss zugeben, dass es keinen Vergleich zu diesem Umzug gibt. Natürlich herrscht zu dieser Jahreszeit dort Hochsommer und die leicht bekleideten Personen haben viel temperamentvollere Rhythmen im Blut und äußern diese Lebensfreude in ihren Tänzen. Aber in deren Fasching spielt die Politik und andere aktuelle Themen keine Rolle. Außerdem ist niemand von den Zusehern verkleidet, womit er sich seine Aufmachung gespart hätte.

      Hier wird gerade gejubelt, geklatscht, hin und wieder kommt auch eine der mehreren mitgenommenen Flaschen vom 1er vorbei, woraus alle einen kräftigen Schluck nehmen, damit die Stimmung noch ausgelassener wird. Viele Besucher sind ebenfalls verkleidet und haben sich auf diesen Umzug gefreut.

      Genau gegenüber auf der anderen Straßenseite stehen ein paar Nonnen. Der Däne ist sich nicht sicher, ob es sich um wirkliche Kirchenhüter und Geistliche handelt oder Kostümierte. Dann fährt schon der nächste Wagen vorbei, wobei sich alle ›Olau‹ zurufen und zuwinken. Danach entsteht eine kleine Lücke, wobei der Kommissar erneut zu den Nonnen schaut und plötzlich sieht, wie einer Frau von einem Clown eine Spritze seitlich in die Nackengegend gestochen wird.

      Erik schreit sofort aufgeregt auf: »Schnell! Dort drüben bei den Nonnen passiert was!« und läuft über die Straße, um Schlimmeres zu verhindern.

      Ein paar seiner Kollegen wundern sich, doch Andrea erfasst die Situation am schnellsten und drängt sich ebenfalls durch, um auf die andere Seite zu gelangen. Dann reagieren auch die anderen Kollegen, während der Hauptkommissar versucht, der davon laufenden Person nachzueilen. Aufgeregt ruft er nach den Meier´s, die mittlerweile auch endlich mitbekommen haben, dass irgendetwas passiert sein muss. Doch die Menschenmenge mit den Besuchern ist zu dicht, es gibt leider keine Möglichkeiten, eine Verfolgung aufzunehmen. Alles was der Däne erkennen kann, war ein Clowngesicht. Eine Person mit einer violetten Perücke, einer roten Nase und übergroßer Plastikbrille. Resigniert gibt er auf und geht zu der Nonne zurück, die jetzt am Boden liegt und bereits von Andrea und dem Gerichtsmediziner behandelt wird. Leider herrscht große Verwirrung, die Besucher drängen sich um den Schauplatz, der Umzug geht weiter und selbst die eigenen Kollegen wissen nicht richtig, was passiert ist. Die Hauptkommissarin hat eine Rettung gerufen und Herwig versucht von der am Boden liegenden Person herauszufinden, was genau passiert ist. Mike, Erika und die Meier´s drängen die neugierige Meute zurück, während die Staatsanwältin Isabella versucht, richtige uniformierte Polizisten aufzutreiben.

      Natürlich ist das Chaos perfekt, auch, weil Männer in Strapsen, Strümpfen und kurzen Röcken plötzlich versuchen, Polizei zu spielen. Gefühlt dauert es eine Ewigkeit, obwohl es nur wenige Minuten sind, da bei solchen Umzügen natürlich auch Rettung und Polizei vertreten sind. Die Nonne ist nicht bei Bewusstsein und Erik erklärt aufgeregt, dass sie mit ziemlicher Sicherheit eine Injektion im Halsbereich abbekommen hat. Schnell wird die Frau erstversorgt, dann zum Rettungswagen gebracht und weggefahren.

      Die Kollegen befragen gleich die gaffenden Umzugsgäste, ob jemand etwas gesehen hat, aber leider sind alle Antworten negativ. Dafür herrscht auch ein zu großes Durcheinander und Gedränge. Gabi, die Chefin der kriminaltechnischen Untersuchung erwähnt sofort, dass es keinen Sinn macht, Spuren zu sichern, die der Mordkommission weiter helfen können. Da auch die Spritze nicht gefunden wird, sehen die Kommissare keinen Grund, den Faschingsumzug jetzt zu unterbrechen oder gar zu beenden. Darum läuft kurz darauf alles wie geplant weiter.

      Die Stimmung der Gruppe ist für einen Moment etwas bedrückt, doch dann schauen sie sich den Rest des Umzuges an. Anschließend gehen alle gemeinsam zum Essen, was bei der kompletten Mordkommission äußerst selten vorkommt. Der Vorfall ist vergessen, es wird geredet, gelacht und auch ordentlich getrunken und irgendwann begeben sich alle mit Taxis nach Hause.

       Haben wir einen Fall?

      Jeden Morgen um 8 Uhr trifft sich das Team der Mordkommission im Besprechungsraum, um über diverse Ergebnisse und den Tagesablauf zu sprechen. Aktuell haben sie es mit keinem Mord zu tun, trotzdem gibt es natürlich Straftaten, denen nachgegangen wird.

      Sehr ungewöhnlich ist es, dass der Präsident Josef Moser die Abteilung besucht. Noch dazu, zu so einer morgendlichen Uhrzeit. »Guten Morgn alle mitnand! Na, so frisch schau ma heit aba net aus. Habm ma gestan a bissl viel und lang gfeiat? Was ist da gestan in Olching bei eana passiert? Sagns, Herr Ingvardsen, was ham´s eana dabei nua gedenkt. Muas des wirklich sein?«, fragt er nur und wirft gleichzeitig die aktuelle Tageszeitung auf den Tisch.

      Die Meier´s grinsen natürlich gleich in sich hinein, die anderen Kollegen schauen etwas verdutzt und belämmert und der dänische Hauptkommissar kratzt sich etwas verlegen am Kopf. Das Titelblatt zeigt