im nachfolgenden Kapitel vorstellen.
Die Kultur des Scheiterns
Wie schon gesagt tun wir uns in Deutschland mit dem Scheitern schwer, sehen wir darin doch eher einen Misserfolg, der einer unüberlegten Planung, unsachgemäßer Durchführung oder unrealistischen Zielen geschuldet ist. Insbesondere im angloamerikanischen Kulturkreis sieht dies aber ganz anders aus. Dort stehen „trial and error“ – Versuch und Irrtum, also der immer wieder neue Versuch, etwas auszuprobieren, sich vom „Scheitern“ nicht beirren zu lassen. Stattdessen es als festen Bestandteil für Innovation und Experimentierfreude anzunehmen. Gerade in der Industrie des Silicon Valley oder bei jungen Startups weiß man, dass dieses Ausprobieren von vielleicht sogar ausgesprochen abwegigen Ideen der Humus für Neues ist.
Erfreulicherweise tut sich aber auch bei uns etwas. Seit einigen Jahren gibt es nun auch die „Fuckup Nights“ in Deutschland. Sie entstanden 2014 in Wien und wurden innerhalb kürzester Zeit Teil zu einer internationalen Bewegung. Ihre Vision, das Scheitern politisch, gesellschaftlich und persönlich von seinem negativen Image zu befreien. Zu diesem Zweck treffen sich junge Unternehmer/innen, um sich darüber auszutauschen, welche „guten“ und „schlechten“ Fehler zum Misserfolg ihrer Projekte geführt haben, um voneinander zu lernen. So führt diese kreative Fehleranalyse zu einem umfangreichen Lernprozess, der allen Beteiligten hilft für die Zukunft besser aufgestellt zu sein. Es zeigt sich also, es geht auch anders.
Unser Gehirn
der unbekannte Freund
und Helfer
Was glauben Sie, wem Sie es zu verdanken haben, dass Sie sich verlieben, Musik genießen, eine Fremdsprache lernen oder vor Gefahren davon laufen können? Die Antwort heißt: Ihrem Gehirn. Nicht der Bauch und auch nicht das Herz sind Ursache all unserer Empfindungen, Handlungen, Begabungen und Fähigkeiten, sondern das faszinierende, ca. drei Pfund schwere Organ in unserem Kopf.
Es arbeitet unablässig, um uns am Leben zu erhalten und ist stets bemüht, alle notwendigen Aktivitäten zu unternehmen, damit der Laden läuft. Apropos Arbeit, Eckart von Hirschhausen stellte in einem seiner wissenschaftlichen Comedy-Programme die Frage: „Sollten wir unser Gehirn schonen, damit es länger hält?“ Diese humoristische Frage war natürlich nicht ernst gemeint, sie spiegelt dennoch recht gut unseren Umgang mit ihm wider. Nicht nur, dass sich die meisten Menschen gar nicht darüber bewusst sind, überhaupt eines zu besitzen, um es etwas überspitzt auszudrücken. Es ist ihnen völlig unklar, wozu das Gehirn genau da ist oder welches Potential es hat, und sind daher oft der Meinung, ab einem gewissen Alter ausreichend viel gelernt zu haben, um sich dann dem gedanklichen Müßiggang hinzugeben. Frei nach dem Motto: Lernen war gestern. Diese Position wollte Eckart von Hirschhausen aufs Korn nehmen.
Jetzt können wir natürlich nur hoffen, dass Sie, liebe/r Leser/in, anderer Meinung sind und sich dem „Gehirnjogging“ hingeben möchten, um einige neue Dinge über das Gehirn im Allgemeinen zu lernen. Das wäre der erste Schritt, um sich dann im nächsten die Werkzeuge anzueignen, die Ihnen nützlich erscheinen, eine Verhaltensänderung in Richtung mehr Selbstregulierung zu erlernen, denn ohne ein gewisses Verständnis über die Vorgänge innerhalb dieses großartigen Organs geht es nicht.
Das Gehirn und seine Hauptakteure
In unseren Texten werden wir einige Areale des Gehirns ansprechen – Sie werden immer wieder vom präfrontalen Cortex, (PFC), dem limbischen System (LS), dem Nucleus accumbens und der Amygdala lesen. Damit Sie diese Akteure vorab schon einmal kennenlernen, hier kurz und knapp deren Unterschiede und Arbeitsweisen. Der PFC, auch Stirnhirn genannt, befindet sich, wie der Name schon sagt, hinter unserer Stirn. Er ist Bestanteil der Großhirnrinde und im Wesentlichen für unsere Vernunft, den Verstand und unser soziales Verhalten zuständig. Er bewertet die Dinge nach hauptsächlich logischen und moralischen Kriterien wie richtig oder falsch, indem er sprachlich präzise argumentiert. Sein Arbeitstempo ist eher langsam, er benötigt Zeit zum Denken und Abwägen.
Der Nucleus accumbens und die Amygdala (Mandelkern) befinden sich im limbischen System (LS), welches seinen Platz, vereinfacht gesagt, tief verankert im „Mittelhirn“ hat. Es entwickelt sich bereits vorgeburtlich und ist, ebenfalls vereinfacht ausgedrückt, Sitz unserer Gefühle. Uns beschäftigen vorwiegend zwei wichtige Akteure des LS, wenn es um Selbstregulation geht. Zum einen das Belohnungssystem (der Nucleus accumbens) und zum anderen das System, das hautsächlich für Angst und Furcht zuständig ist, die Amygdala. Beide Areale arbeiten im Gegensatz zum PFC sehr schnell, sind spontan und bewerten die Dinge um uns herum kindlich. Ihre Kriterien sind: mag ich oder mag ich nicht, das ist gefährlich oder da habe ich Angst. Ihre Aktivitäten spüren wir zunächst körperlich wie Kribbeln im Bauch, Herzklopfen, mulmige Gefühle oder freudige Erregung, Lust.
Dadurch entsteht folgender Ablauf: Ereignet sich etwas in unserem Umfeld, so spüren wir dies zunächst körperlich, es kommt ein Gefühl hoch und erst dann hat der PFC die Möglichkeit, es zu bewerten. Ist das Gefühl zu heftig, dann wird der PFC in seiner Bewertung stark behindert oder gar außer Gefecht gesetzt.
Funktioniert mein Gehirn wie ein Computer?
Seit jeher haben Gelehrte nicht nur den Körper, sondern auch das Gehirn des Menschen mit Maschinen verglichen. Im 21. Jahrhundert sind es nun Computer, die als Vergleich herhalten müssen. So komplex moderne Technik auch sein mag, der Vergleich ist dennoch falsch. Allein der Gedanke, dass die ersten Rechner von menschlichen Gehirnen erdacht und immer weiterentwickelt wurden und werden, könnte einen diesbezüglich stutzig machen.
Folgen wir dem Gedanken der Evolution, so ist das Gehirn nicht „erdacht“ worden, sondern es hat sich über Jahrmillionen entwickelt, bis es vor ca. 120.000 Jahren seine heutige Gestalt ausbildete. Evolutionäres Entwickeln bedeutet, dass im Gegensatz zu herkömmlichen industriellen Herstellungsprozessen nichts nagelneu erfunden wird, sondern das Neue auf dem Alten aufbaut. Auf diese Weise entstehen Schichten von „Systemen“ oder „Arealen“ wie bei einer Torte, nur dass sich die jeweiligen Schichtungen zum Teil über Jahrtausende hinweg entwickelt haben. Das bedeutet logischerweise, dass alte Hirnareale immer noch mitreden, wenn es um bestimmte Entscheidungen geht. Dieser Punkt wird uns später erneut beschäftigen.
Es gäbe noch eine Vielzahl „technischer“ Vergleiche, die alle zugunsten des Gehirns ausfallen würden, inklusive der begrenzten Lebensdauer von Computern. Denn bei unserem Wunderorgan ist es umgekehrt, je mehr neue Aufgaben wir ihm, ganz bewusst, immer wieder stellen, es harte Nüsse knacken lassen, desto besser funktioniert es. Vorausgesetzt, wir bleiben von Krankheiten oder Unfällen verschont, gibt es auch kein Verfallsdatum. Langzeitstudien haben gezeigt, dass alte Menschen dieselben Aufgaben lösen können wie junge, nur langsamer, aber dafür weniger oberflächlich. Also füttern Sie Ihr Gehirn mit allem, was Sie wissen oder erlernen möchten, es ist stets mit „Freude“ zu Diensten, bis an Ihr Lebensende. Man darf nämlich nicht vergessen: Das Gehirn kann nur das leisten, was es gelernt hat, und nicht das, was wir uns wünschen, was es leisten sollte.
Als letztes Beispiel gegen den Maschinenvergleich dient seine Fähigkeit, sich ständig verändern zu können. Äußere Einflüsse gestalten die Netzwerke innerhalb der einzelnen Systeme ständig um. Das bedeutet z. B., dass Ihr Gehirn nach einem intensiven Erlebnis anders aussieht als vorher. Neue Erkenntnisse, interessante Gespräche, überraschende Vorkommnisse oder zufällige Begegnungen werden von ihm registriert und abgespeichert und verändern seine Konfiguration ständig – von uns unbemerkt. Für diesen Vorgang gibt es den Fachausdruck Neuroplastizität. Es ist eine der großartigsten Entwicklungen der Natur, denn sie gibt jedem von uns die Möglichkeit, sich immer wieder auf neue Situationen einstellen zu können, immer wieder etwas dazuzulernen und in Bezug auf unsere Kompetenzen zu wachsen. Wie wir uns diese Eigenschaft zunutze machen können, werden Sie noch erfahren.
Übrigens arbeitet die aktuelle KI-Forschung mit Nachdruck an sogenannten selbst lernenden Systemen, die zum Teil jetzt schon bei autonom fahrenden Transportmitteln und anderer Robotik eingesetzt werden. So kann man die oben genannte Frage umkehren in: Funktionieren unsere Computer bald wie unsere Gehirne?
Vielleicht wird es eines fernen Tages so sein. Bis dahin ist es aber doch