A. F. Morland

5 lange und 7 kurze Krimis


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Beau war regulär hereingekommen. Mit einer Lizenz des Elektrizitätswerkes — beschafft von Inspektor Wyan, der zur Zeit Urlaub machen musste. Und weil alles wie immer ablaufen musste, musste sich Le Beau genau den Gepflogenheiten der Leute vom E-Werk anpassen. Das hieß, dass sehr früh schon ein Mann als Vorausposten aufzog, die Markierungen für die Arbeitskolonnen absteckte, die für die Ausführung von Kabelverlegungen nötig waren.

      Es hatte alles geklappt, zumal auch der Jeep echt war. Le Beau hatte bei der Gelegenheit festgestellt, dass Robert gute Vorarbeit geleistet hatte. Tatsächlich saßen zwei Mann in der Wachstube am Haupttor. Es stimmte auch ganz genau mit Roberts Angaben überein, dass ein Polizeiposten im vorderen Innenhof herumlief und der Zugang zum Park hermetisch abgeriegelt worden war. Das sonst geöffnete Eisentor war geschlossen, die hohe, von Efeu überrankte Mauer hatte sowieso oben eine Alarmleitung.

      Le Beau hatte sehr schnell herausgefunden, wo die kleine Nebenpforte zu suchen war, die Robert ihm auf einer Art „Bauplan“ eingetragen hatte. Dieser Plan war so angelegt, dass Le Beau ihn sogar in der Anstalt hätte herumzeigen können. Es war der Plan, wie eine Arbeitskolonne ein Erdkabel zu verlegen hatte.

      Das große Kreuz und der Kreis auf der Wiese aber, die standen nicht im Plan. Aber Le Beau hatte, falls jemand fragen sollte, auch dafür eine Ausrede parat. Es fragte jedoch niemand.

      Von den Stationsküchen aus schaute schon einmal eine Schwester flüchtig zu ihm herunter. Dann drückten sich schon mal Patienten an den Scheiben die Nase platt, doch niemand schien Le Beaus umständliches Hantieren zu begreifen.

      Als er die Kreidelinien fertig hatte, setzte sich Le Beau in seinen Jeep, fuhr um das große Haus herum bis zur Vorderseite. Hier führte ein langgestrecktes, niedriges Gebäude zum vorderen Pförtnerhaus. Eingelieferte Patienten wurden vorn schon in diesen Gang gebracht und kamen so direkt vom Haupttor aus ins Hauptgebäude. Dieses flache, tunnelartige Gebäude besaß nur sehr schmale Fenster, die zudem mit Glassteinen ausgefüllt waren, so dass man nicht hinein und nicht hinaus sehen konnte. Es gab hier vorn außer vom Haupttor und damit durch diesen Gang keine Tür zum Haupthaus. Mit einer Ausnahme. Um ins Haupthaus zu gelangen, hätte man entweder durch den Gang gehen müssen, dazu hätte Le Beau an der Wache des Haupttores vorbei gemusst. Ins Haus zu kommen, dazu bedurfte es der Genehmigung des Chefarztes, der Anstaltsverwaltung und natürlich der Wache. Erdkabel wurden nicht im Haus verlegt. Le Beau hätte mit seiner Lizenz niemals die Erlaubnis bekommen. Aber es gab einen anderen Weg. Da die Tür hinten, zu der er den Strich gezogen hatte, geschlossen war, musste er den Einstieg zu den Öltanks suchen. Laut Plan befand sich die Luke ganz in der Nähe. Und tatsächlich sah er einen Eisendeckel mitten in einem Blumenbeet. Der Deckel war so geschickt vom Gärtner umpflanzt worden, dass Le Beau ihn beinahe nicht gesehen hätte.

      Er holte eine Kreuzhacke aus dem Jeep, zog den Deckel auf, stellte noch einen rotweiß gestreiften Sperrbock über die Öffnung und kletterte in den Schlund die Eisenklammern hinab zu den Tanks.

      Auch hier stimmte alles, was sie im Plan und durch Roberts Erkundigungen erfahren hatten. Man konnte um die riesigen runden Tanks herumgehen, und diagonal zum Einstieg befand sich an der Wand des etwas zweihundert Quadratmeter großen Raumes eine Eisentür. Sie war verschlossen. Le Beau hatte hier unten aber im Schein einer umgehängten Batterielampe Zeit und Muße, mit einem Dietrich nachzuhelfen. Es währte eine Minute, dann war es soweit. Die Tür ging auf, und Le Beau marschierte durch einen langen Kellergang, in dem es infolge greller Neonlampen taghell war.

      Rechts und links vom Gang lagen Magazinräume. in denen von der Anstaltsbekleidung bis zur Suppenschüssel alles Mögliche gehortet wurde. An den Eisentüren stand, was der jeweilige Raum beherbergte.

      Aber Le Beau kannte das von den Plänen her, und es kümmerte ihn auch nicht. Er suchte und fand die Treppe nach oben, wiederum durch eine Eisentür verschlossen, und diesmal brauchte er nur eine halbe Minute. Er öffnete die Tür, sah, dass es der Zugang zum Lift war und fuhr in dem Lift, als er auf Knopfdruck gekommen war, nach oben bis ins Erdgeschoss. Da hier unten die Untersuchungs- und Baderäume lagen, herrschte hier noch kein Betrieb. Im ersten Stock und höher ging es indessen schon lebhafter zu.

      Ungehindert und ohne überhaupt jemanden zu treffen, gelangte Le Beau zur Rückseite jener Tür. bis zu der er den bewussten Strich gezogen hatte. Er brauchte nichts zu versuchen, der Schlüssel steckte von innen. Le Beau schloss auf, entnahm den Schlüssel und spritzte dann in die Öffnung des Schlosses einen Soforthartkleber. Der Kleber würde binnen fünf Minuten steinhart werden, wodurch das Schloss für jeden Schlüssel blockiert, ja nicht einmal mit einem Dietrich zu schließen sein würde, und da Schloss und Stahltür sich mittels Kleber miteinander verbinden würden, wäre es gar nicht so einfach gewesen, das Schloss auszubauen. Die Tür war also offen.

      Le Beau ging den gleichen Weg zurück, bestieg wieder den Lift — und abermals hatte er keine Menschenseele im Parterre getroffen.

      Nun begann der schwierige Teil des Plans. Und das konnte Le Beau nicht mehr allein ausführen. Er hielt durch Notstop den Lift auf halber Strecke an, zog sich die Kombination aus, wickelte sie zusammen und packte sie in einen Stoffbeutel. Dann entnahm er dem Feuerlöscher, der im Lift hing, die Löschpatrone. Es gab bei diesen großen Löschern Patronen, die wie bei einer Gaslampe bei Bedarf einfach ausgetauscht werden konnten. In die Öffnung im Löscher schob er aber keine neue Patrone, sondern den Beutel mit der Kombination. Auch das war Teil des Plans. Details übrigens, die niemand besser austüfteln konnte als Robert. Die Löschpatrone steckte Le Beau oben zwischen zwei Luftschlitze, so dass man sie so leicht gar nicht entdecken würde.

      Nun setzte er den Lift wieder in Bewegung. Bevor der Fahrstuhl im dritten Stock anhielt, hatte Le Beau eine Schürze entrollt, wie sie das Küchenpersonal trug. Ein blaues Hemd und weiße Hosen trug er schon vorher. Den Schutzhelm, den er bereits im Tankkeller gelassen hatte, ersetzte er jetzt durch ein weißes Käppi, auf dem mit roter Schrift stand: Getränkeküche.

      Er verließ den Lift. Vor sich sah er einen langen Gang, der schier endlos wirkte. Und hier herrschte Betrieb. Pfleger und Schwestern flitzten herum, Patienten in gestreifter Kleidung, die wie Schlafanzüge aussahen, liefen auf diesem Gang herum, andere wurden von Pflegern geführt. Manche wirkten völlig normal, anderen sah man an, dass sie nicht richtig gesund waren, geistesgestört also.

      Le Beau hatte den Plan im Kopf. Er wandte sich nach rechts, betrat, ohne lange hinsehen zu müssen, eine Anrichteküche, deren Tür angelehnt gewesen war. Eine Schwester mittleren Alters schnitt Weißbrot ab, eine ganz junge Hilfskraft mit Minirock und himmelblauen Augenlidern vergrub ihre blutroten Nägel in Reispudding, bei dem sie versuchte, die Nüsse herauszuziehen, die ihr offenbar mundeten. Den einfachen Pudding schöpfte sie dann portionsweise in Schüsseln. Le Beau vermutete, dass die holde Maid den Genuss von Nüssen den Patienten nicht zumuten wollte.

      „Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen! Ei, wie lobe ich mir die Fleißigen und die Tüchtigen! Hallo, ihr beiden Lieblinge! Ich bin hergeeilt, um euch eine riesige Freude zu machen. Wenn ihr es mir gebt, schaffe ich das schmutzige Geschirr nach unten.“

      Die ältere Schwester sah ihn verblüfft an.

      „Na, wen haben wir denn da? Seit wann kommt denn einer von unten hier herauf, auch noch in diesen Block? Das Geschirr bringen wir selbst zum Lift, mein Kleiner.“

      „Was Sie nicht sagen, liebe Frau Mutter! Ich verdiene aber meine zwei Brötchen damit, dass ich schön brav tue, was der große Vater sagt. Und der hat gesagt, sagte er, dass Tony Boy sich in den dritten begeben und dort schön Geschirr bringen soll, alldieweil wir damit unten verdammt knapp sind, zumal mit Tassen. Ja, so sagte er, der große Heldenvater. Und ich stehe hier und kann nicht anders, Gott helfe mir, amen. — Kriege ich nun die Tassen, oder muss ich hier erst einmal einen doppelten Salto rückwärts machen?“

      „Sie scheinen hier der Chefkomiker zu sein, was?“, fragte die Schwester, der Humor nicht ganz fremd zu sein schien.

      Die kleine Minidame meckerte belustigt und vergaß vor Freude am heiteren Spiel völlig, den wie Stierblut leuchtenden Mund zu schließen.

      „Der Chefkomiker? Ich bedanke mich. So, das sind schon mal zwei Dutzend, die