krächzte der Alte. »Aber mir dreht sich der Magen um, wenn ich mir vorstelle, dass sie drüben am Cheyennehill um ihr Leben kämpfen, während wir hier Daumen drehen. Ich bin zu alt, Boss, als dass du viel verlierst, wenn du mich verschwinden lässt und an meiner Stelle diese Karre nach Salida raufkutschierst! Vielleicht kann ich für Healy und seine Jungs doch noch was tun.«
»Nein, Tate!« Big Joes Rechte senkte sich auf den Revolver, den er mit dem Kolben nach vorn an der linken Hüfte trug. »Zu viel hängt davon ab, dass wir wenigstens diese drei letzten Wagen durchbringen. Ich kann keinen Mann entbehren, vor allem keinen, der deine Erfahrung besitzt. Wenn wir’s diesmal nicht schaffen, bin ich ruiniert. Dann seid ihr eure Jobs los. Dann wird Morrister, dieser Teufel, die Stores und Saloons in den Siedlungen am Ponchapass mit meinen Waren beliefern, ohne dass er dafür einen lumpigen Dollar locker zu machen braucht. Es ...«
Er verstummte und horchte gespannt. Kein Schuss mehr. Die Stille und Dunkelheit umschnürten die Männer wie mit eisigem Griff. Jack Randlett, der dritte und jüngste Fahrer, zerrte keuchend seinen Hemdkragen auf. Panik war in seiner Stimme: »Zu spät! Diese verfluchten Mörder ...«
Slocums magere Schultern sanken ein. Aber er straffte sich gleich wieder, als dumpfer Hufschlag von Norden her auf den Bluebird Creek zukam. Langtry hängte die Peitsche über den Sattel und zog die Winchester aus dem Scabbard. Die anderen tasteten ebenfalls nach ihren Gewehren.
»Kämpft, wenn sie uns finden!«, befahl Big Joe heiser. »Rechnet nicht damit, dass sie euch Pardon gewähren! Denkt an Bob Healy und seine Freunde!«
Er spürte die Angst und Unsicherheit seiner Begleiter. Vielleicht war Old Tate, der anderswo ja doch keinen Job mehr gefunden hätte, der einzige, der sich jetzt nicht dafür verwünschte, mit ihm auf den Trail gegangen zu sein. Sie alle hatten noch das Krachen der Schüsse von vorhin als tödliche Drohung in den Ohren.
Big Joe stieg ab und hielt seinem Wallach die Nüstern zu. Nur dreihundert Yards entfernt erreichte das Hufgetrappel den Creek. Sofort schwärmten die Reiter nach verschiedenen Richtungen aus. Einige durchfurteten hinter einer Biegung den Wasserlauf. Endlose Minuten verstrichen, bis die Geräusche verebbten und Langtrys Frachtfahrer wieder richtig durchzuatmen wagten. Doch immer noch spürten sie die Gefahr, die in den Hügeln ringsum lauerte. Alle zuckten zusammen, als sie plötzlich die Stimme hörten. Ein schwacher Ruf aus dem Labyrinth der Buschgruppen, Felsen und Geländerinnen jenseits des Creeks.
Randlett fuhr herum. Sein flackernder Blick suchte Big Joes massige Gestalt.
»Mein Gott, das ist ja Healy! Er sucht uns!«
Ein Pferd stampfte hinter den Sträuchern am schräg gegenüberliegenden Ufer. Zweige knackten. Dann wieder die Stimme, die undeutlich, wie von heftigem Schmerz gedämpft, ihre Namen rief.
Big Joe trat rasch hinter seinem Pferd hervor. Die Mündung seiner Winchester stoppte Jack Randlett, der an ihm vorbei wollte.
»Bleib, wo du bist!«, zischte er.
Der junge, untersetzte Frachtfahrer starrte ihn fassungslos an. Enfield schob sich neben ihn. Seine Fäuste umkrampften hart das Gewehr.
»Du gehst zu weit, Boss!«
»Still, verdammt!«
»Dazu hast du kein Recht!«, keuchte Enfield halb wütend, halb betroffen. »Sicher ist Bob angeschossen. Verdammt, sie erwischen ihn, wenn wir ihn nicht herüberholen und ...«
»Sie werden dich erwischen, du Dummkopf, wenn du dich hier wegrührst! Menschenskind, denk doch mal nach, Luke! Was würdest du denn tun, wenn du verwundet bist, aber wüsstest, dass es in den Hügeln von Morristers zweibeinigen Bluthunden wimmelt? Etwa um Hilfe rufen? Nein, verdammt, du würdest dich irgendwo verkriechen und warten, bis sie weg sind. Der Teufel soll mich holen, wenn da nicht was faul ist!«
»Boss, du denkst doch nicht etwa, dass ...«
»Still!«, wiederholte Langtry scharf.
Ihre Augen weiteten sich, als ein Reiter auf einer mondbeschienenen Hügelkuppe jenseits des Bluebird Creek auftauchte. Obwohl er die im Schatten der Felsmauer verborgenen Männer nicht sehen konnte, duckten sie sich. Er hielt das Gewehr schussbereit über den Schenkeln. Eine hagere, lauernd im Sattel vorgeneigte Gestalt.
»Healy!« Jack Randletts Flüstern klang, als würde ihm die Kehle zugedrückt.
Eine Weile musterte Healy die im Mondlicht glänzenden Felsränder über den versteckten Planwagen. Dann drehte er sich halb auf dem Pferd und stützte eine Hand hinterm Sattel auf.
»He, Morrister!«, rief er. »Weiß der Teufel, sie sind längst über alle Berge. Hab’s mir ja gleich gedacht, dass Langtry, dieser sture Büffel, nicht auf unser Feuerwerk reinfällt. Wenn du mich fragst, Morrister - vor Sonnenaufgang hat es keinen Sinn, nach ihrer Spur zu suchen. Fest steht auf alle Fälle, dass Langtry sich hüten wird, mit seinen Wagen auf die Straße nach Salida zurückzubiegen.«
Ein Laut wie ein Stöhnen kam über Luke Enfields Lippen. Warnend hob Big Joe eine Hand. Da tauchten drüben gespenstisch lautlos weitere Reiter auf. Die Hufe ihrer Gäule waren mit Tüchern umwickelt. Gewehrläufe funkelten.
Der Mann neben Bob Healy zündete sich eine Zigarette an. Sekundenlang beleuchtete die Streichholzflamme ein scharfgeschnittenes Gesicht mit einem dünnen Oberlippenbart. Dean Morrister. Er war groß und sehnig. Mit seinem dunklen Streifenanzug, dem weißen Hemd und der Kragenschleife sah er wie ein Berufsspieler aus. Dazu trug er schwarze Lederhandschuhe.
Big Joe winkte ab, als Old Tate mit einem Ruck seine schwere, einschüssige Sharps an die Schulter hob. Es war nun so still, dass Langtry und seine Männer jedes Wort verstanden.
»Ob wir sie noch heute, morgen oder erst übermorgen erledigen, spielt keine große Rolle, Healy. Jedenfalls werden sie Salida ebensowenig erreichen wie Preston und Griffin, die du am Cheyennehill vor unsere Gewehre geführt hast. Nur darauf kommt es an.«
Die Hufe stampften wieder, Sattelleder jankte, Gebissketten klirrten. Gleich darauf lag der Hügel jenseits des Creeks verlassen unter der Silberkugel des ColoradoMondes.
Big Joe Langtrys Fäuste umklammerten die Winchester wie Schraubstöcke. Die Männer bei ihm schwiegen noch.
»Tut mir leid, Boss!«, entschuldigte sich dann Enfield leise und zerknirscht.
»Schon gut«, murmelte der Fuhrunternehmer rau. »Mir will es noch genauso wenig wie dir in den Kopf, dass Bob uns so verkauft hat. Tate, zum Teufel, wo willst du hin?«
Der knochige Oldtimer hatte sich bereits aufs Pferd geschwungen. Die Sharps lag quer vor ihm. Die breite Stetsonkrempe verdeckte das Glimmen seiner starr auf Big Joe gerichteten Augen. Augen, die noch die Schärfe eines Falken besaßen, wenn es darauf ankam.
»Ein Wort von dir, Boss, und ich hätte Healy, diesen Höllenhund von Verräter, mit meinem Blei erwischt«, sagte er vorwurfsvoll.
»Die Fracht ist wichtiger!«, entgegnete Langtry schroff.
»Nicht mehr für mich, Boss.«
Einen Moment war Big Joe ebenso überrascht wie Enfield und Randlett. Dann stapfte er drohend auf den sichelbärtigen Reiter zu.
»Verflucht, Tate, du vergisst wohl, wer hier die Befehle gibt!«
Langsam drehte Slocum den Kopf zur Seite und spuckte aus, als könnte er so die Bitterkeit loswerden, die sich in ihm angesammelt hatte.
»Vor allem vergesse ich nicht, dass ich es war, der Preston und Griffin dazu überredet hat, nochmals ihre Skalps für deine Dollars zu riskieren. Boss, ich habe immer getan, was du wolltest. Aber jetzt kannst du mich nur noch mit ’ner gutgezielten Kugel daran hindern, mit Healy vor die Flinte zu holen!«
Es dauerte mehrere Sekunden, bis Big Joes Winchester herabsank. Der breitschultrige Mann schüttelte den Kopf.
»Du bist verrückt, Tate!«
»Verrückt genug, diesen Hundesohn mitten aus Morristers Banditenrudel