das sagt der Richtige. Wie war das damals, als wir auf der Wiese diesen toten Biber gefunden haben, der schon sehr lange nicht mehr frisch war?«
»Da war ich noch klein und wusste nicht, was ich tue«, brummte ich.
Leider hatte jemand den Lärm gehört, schon gingen im Haus die Lichter an. Nichts wie weg! Wir borgten uns zwei Paar Gummistiefel und rannten über den Schotter der Auffahrt. Jemand rief uns hinterher, aber wir achteten nicht darauf.
Ihr wart aber lange weg, sagte Terry, als wir wieder am Tierheim waren. Was habt ihr gemacht?
Keksdosen angegriffen, antwortete Mia. Sie setzte sich auf die Eingangsstufen des Tierheims, schloss die Augen und war kurz darauf eingeschlafen. Auch mir fielen die Augen zu und ich versuchte nicht, sie daran zu hindern. Schließlich dauerte es noch ein paar Stunden, bis das Tierheim öffnete.
Ich habe einen leichten Schlaf, dafür sorgen meine Katzeninstinkte, die mir in der Wildnis mehr als einmal das Leben gerettet hatten. Irgendwie musste ich gespürt haben, dass jemand in der Nähe war, denn ich schrak hoch und sah, dass eine rundliche Frau vor Mia und mir stand und uns beobachtete. Sie hatte eine Stupsnase und lange blonde Haare, die ihr über den Rücken fielen. In ihrer Hand baumelte ein Schlüssel an einem langen Stoffband.
»Na, ist denn schon Fasching?«, fragte sie ein bisschen misstrauisch, während sie unsere Kleidung inklusive Gummistiefel musterte. Eulendreck, hätten wir uns nur die Zeit genommen, bessere Sachen zu suchen!
»Fasching? Was ist …«, begann Mia, die ebenfalls aufgewacht war.
»Wir wollen uns ein Haustier anschaffen«, unterbrach ich sie schnell … und sah entsetzt, dass Mia zu einem gewaltigen Gähnen ansetzte. Natürlich hatte sie vergessen, ihre Fangzähne zurückzuverwandeln.
Zum Glück habe ich erstklassige Reflexe. Ich klatschte meiner verdutzten Schwester die flache Hand vor den Mund, noch während sie dabei war, ihn aufzureißen. »Höfliche Leute halten sich die Hand davor«, sagte ich streng.
Mia knurrte irgendetwas, was durch die Handfläche in ihrem Gesicht sehr schwer zu verstehen war.
»Schön, dass es noch junge Leute gibt, die wissen, wie man sich benimmt«, sagte die Tierheimfrau und wirkte schon etwas freundlicher als zu Anfang. »Was für ein Tier hättet ihr denn gerne?«
Besser, ich prüfte nach, ob ich richtig vermutet hatte. Terry! Was bist du eigentlich für ein Tier?, rief ich dem Gefangenen zu und sofort kam zurück: Ein wunderschöner Hund, der die besten Eigenschaften von mehr als zehn verschiedenen Rassen geerbt hat!
»Einen etwas nervigen Mischlingshund«, sagte ich und die Tierheimfrau musste lachen. »So was haben wir, kommt rein.«
Mia und ich entspannten uns etwas. Vielleicht würde die große Befreiung doch noch klappen und dann konnten wir uns endlich wieder auf den Weg zu unseren Eltern machen. Die Frau schloss auf, winkte uns durch einen Eingangsbereich und führte uns dann zu einem Gang, in dem auf beiden Seiten vergitterte Zellen mit je einem Hund darin waren. Die witterten natürlich sofort, dass wir Raubkatzen waren, und fingen an, ohrenbetäubend zu kläffen.
»Ruhe!«, brüllte die Tierheimfrau, doch die Wirkung war die gleiche, als hätte sie »Guten Appetit!« gesagt. Zwanzig Hunde in den verschiedensten Größen und Farben, die alle große Lust auf eine Katzenjagd hatten, fletschten die Zähne, geiferten und bellten sich fast die Lunge raus.
Mia presste die Hände auf die Ohren und wich zurück. Die Tierheimfrau warf ihr einen seltsamen Blick zu. Verdammt, gleich glaubte sie uns nicht mehr, dass wir wirklich einen Hund wollten! Ich zwang mich zu einem Lächeln und machte einen Schritt nach vorne.
»Wie wäre es mit dem hier?«, fragte die blonde Tierheimfrau und zeigte auf einen Schäferhund, der immerhin wedelte, während er bellte. »Er mag Kinder und ist gut erzogen. Ein wirklich hübsches Tier, oder?«
Terry, bist du das?, fragte ich und ein lautstarkes NEIN! kam zurück. Das ist Hugo, er ist ein Fiesling und prahlt immer damit, dass er die Wohnung auseinandernimmt, wenn man ihn allein daheim lässt!
»Ja, ähm, er ist hübsch, aber ich muss, äh, sofort eine Verbindung zu dem Hund spüren und bei dem ist das nicht so«, druckste ich herum.
Gleich kommst du zu mir – na endlich, verkündete Terry und ich betrachtete mit Grausen den schwarzen Dobermann, der mich mit stechendem Blick musterte.
Hier! Hier! Hier!, schrie jemand und erleichtert merkte ich, dass der Ruf aus der Nachbarbox kam. Darin hüpfte ein kniehoher grau-weißer Wuschelball herum. Das sollte die beste Mischung aus zehn Rassen sein? Es sah eher aus wie etwas, mit dem man den Boden aufwischen konnte.
Natürlich sagte ich trotzdem: »Den hier hätte ich gerne, der ist genau der Richtige, so süß und zutraulich!« Schließlich war ich auf einer Befreiungsmission. Doch die Tierheimfrau zögerte. »Flauschi ist ein bisschen schwierig. Er macht immer das Gegenteil von dem, was man ihm befiehlt, und ist seinen letzten Besitzern mehrmals weggelaufen.«
Mitleidig blickte ich den kleinen Woodwalker an. Flauschi!
Da wäre ich auch weggelaufen. »Ach, das macht nichts, wir kommen gut mit Tieren zurecht.«
In diesem Moment witterte mich Terry und wich an die Rückwand zurück. Du bist ein Puma?! Vergiss es, war eine blöde Idee, ich bleibe doch lieber hier.
Sei nicht albern, mach schnell wieder einen auf zutraulich, dann bringe ich dich hier raus, teilte ich ihm ungeduldig mit, weil es in diesem Gang nach einem ganzen Hunderudel stank und ich nicht sicher war, wie lange ich das noch ertrug.
Ihr habt sicher bloß Hunger, stimmt’s?, knurrte Terry. Ihr braucht einen Snack, weil ihr zu faul seid, euch ein Reh zu jagen.
Blödsinn. Ich verdrehte die Augen. Sonst hätte ich den Dobermann nehmen können, an dem ist deutlich mehr dran.
Die Tierheimfrau versuchte, Terry die Leine anzulegen, doch er sträubte sich entschlossen. Als sie ihn am Halsband aus der Box führen wollte, stemmte er alle vier Beine gegen den Boden und weigerte sich, in meine Richtung zu gehen. Dieser verdammte Kerl! Er hatte es geschafft, dass die Tierheimfrau wieder misstrauisch wurde.
»Sieht so aus, als wollte er auf gar keinen Fall mit euch gehen«, sagte sie.
Ich hatte genug. »Tja, dann nehmen wir ihn eben nicht«, sagte ich, lächelte ein bisschen grimmig und drehte um. Genau fünf Schritte schaffte ich, bevor jemand mir in den Kopf jaulte: Ich hab’s mir überlegt, bitte befrei mich, ich kann dann ja draußen gleich weglaufen, okay?
Okay, erwiderte ich und seufzte.
Es war ein ziemlich bescheuertes Gefühl, mit einem kleinen Hund an der Leine durch dieses Haus zu laufen. Die Wölfe an unserer Schule hätten sich so was von totgelacht und tausend Witze gerissen über Puma-Wandler und das, was sie unterwegs so auflasen.
Um Terry mitnehmen zu dürfen, mussten Mia und ich allen möglichen Papierkram ausfüllen. Ich hatte zwar inzwischen einen Nachnamen – »Goldeneye« nannten wir uns, seit mein Vater sich so im Krankenhaus angemeldet hatte –, aber für diesen Anlass dachte ich mir natürlich etwas anderes aus. Auch bei Wohnort und Telefonnummer ließ ich meiner Fantasie freien Lauf.
Endlich waren wir so weit, meine Schwester und ich winkten der Tierheimfrau zum Abschied zu und hatten unseren befreiten Woodwalker dabei. Ich wunderte mich ein bisschen, warum Terry so niedergeschlagen wirkte, obwohl er raus in die Freiheit durfte.
»Gleich sind wir weg«, murmelte ich Mia erleichtert zu. »Bloß raus hier.«
Das war genau der Moment, in dem Terry zum zweiten Mal alle vier Pfoten gegen den Boden stemmte. Ich kann hier nicht weg – meine Freundin ist noch hier! Ohne sie gehe ich nicht!