Dorit Stövhase-Klaunig

Von der erschöpften Frau zum schöpferischen Frau-Sein


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zum Leben und gleichzeitig zum Tod offenstehen. Diese innere Lebendigkeit im Lebensfluss schafft dann die wundervolle Möglichkeit, die Vision des eigenen Lebens zu leben und die Schöpfung mitschöpfend zu gestalten. Das bedeutet, die eigene Vision in ein sichtbares Handeln zu bringen, um Einfluss zu nehmen am schöpferischen Prozess. Es sind die Früchte der „Arbeit“ an sich selbst, die sich aus der Blüte formen, Gestalt annehmen und in Dankbarkeit für das Dasein als Gabe einfach abfallen.

      Durch meinen leiblichen Erfahrungs- und Erkenntnisweg entwickelten sich zehn wundervolle magische Übungen, die körperliche, emotionale, mentale und spirituelle Zusammenhänge erkennen lassen und spürbar machen können. Diese Übungen habe ich in diesem Buch detailliert beschrieben. Sie sind über einen QR-Code auf www.youtube.com zu finden. Der QR-Code steht am Anfang jeder Übungsbeschreibung in diesem Buch. Für die Praktizierenden können dadurch energetische Verbindungen spürbar werden, die tiefere Zusammenhänge verstehen lassen, Energien bewegen und ausbalancieren. Durch diese Übungen kann eine innere Tiefe erreicht werden, die an das alte verborgene Wissen über die schöpferische Kraft des Weiblichen erinnert. Dieses verborgene innere Wissen kann mit Bildern und Symbolen der Natur in Verbindung gebracht und verankert werden. Erinnerungen, die durch leibliche Selbsterfahrung spürbar werden, können die Menschen wachrütteln, um die alten Vorstellungen und Glaubenssysteme des Weiblichen zu erlösen und in ein neues aufblühendes Weibliches zu transformieren. Denn es ist jetzt die Zeit der Wandlung, in der das schöpferische Potential in uns selbst erkannt wird, jenes Potential, sich in dieser realen Welt verantwortungsvoll und mitschöpfend einzubringen, sie aktiv mitzugestalten und Wundervolles entstehen zu lassen.

       Die Sehnsucht nach der göttlichen Mutter

       Die Große Mutter und ihre Kinder

      Die weibliche Göttin erfährt die Frau selbst in der Höhle ihrer leiblichen Gebärmutter. Wir erfahren sie in der eigenen leiblichen Tiefe, erleben sie aber auch wie eine ausstrahlende Sonnengöttin an der Spitze des Dritten Auges. Sie leitet und führt das Körperland drinnen wie draußen. Sie ist die Königin, ursprünglich die Hohepriesterin, die Stellvertreterin der Göttin. Der König ist ihr irdischer Vertreter, der mythische Jünglingsgeliebte der Göttin. Er wird von ihr erwählt und ausersehen zum Vollzug der Heiligen Hochzeit. Erst dann galt beispielsweise der sakrale König als inthronisiert, während der Thron selbst in weiblicher Linie blieb. In vielen göttlichen Paaren, wie dem sumerisch-babylonischen Paar Inanna und Tammuz, Kybele und Attis oder Astarte und Adonis vereint sich die Große Göttin mit dem jeweiligen Vegetationsgott, der als jugendliche Gestalt nur ein kosmisches Jahr durchlebt, um mit dem Ende der Vegetationsperiode zu sterben und im Frühling als junger Gott wiedergeboren zu werden. Da die Große Göttin die Mutter aller Götter und Menschen ist, sind auch ihre göttlichen oder menschlichen Partner allesamt ihre Söhne. Sie steht über ihnen. So gesehen macht es auch Sinn, dass beim königlichen Schachspiel die mächtigste und handlungsfähigste Figur die Königin ist, während der König bloße Repräsentationsfigur bleibt. Die handelnden Staatsangelegenheiten erfüllte sowohl in Ägypten als auch in Sumer/Babylon die eigentliche Staatsgöttin, die weibliche Priesterschaft. Bis zum gewaltsamen Untergang der Paläste blieben die höchsten Priesterämter immer den Frauen vorbehalten. Bei dieser vordergründigen Stellung der Frau fiel die Anpassungsleistung mehr den Männern zu, was in einem der ältesten Bücher der Welt, den Maximen des ägyptischen Philosophen Ptahhotep deutlich zum Ausdruck kommt.1 „Liebe dein Weib“, heißt es darin, „sei zärtlich zu ihr und erfülle alle ihre Wünsche, solange du lebst, denn sie ist ein Besitz, der viele Vorteile bringt. Beobachte, was sie wünscht und wonach ihr der Sinn steht, denn dadurch wirst du sie dazu bringen, bei dir zu bleiben. Wenn du dich gegen sie stellst, wird es dein Ruin sein.“2 In einem sumerischen Text heißt es dazu: „Auf das Wort deiner Mutter richte deinen Sinn wie auf das Wort Gottes.“3 Noch deutlicher wird die weibliche kosmische Urkraft im chinesischen Tao und in Gestalt der indischen Shakti. Dazu kommt die ursprünglich größere magische Autorität der Frau als schamanische Priesterin. Ihrem Status als der „von Natur aus Wissenden“ hatte der irdische Mann nichts Entsprechendes entgegenzustellen. Der Mann blieb in der sogenannten Sohnesrolle. Er hat sich nie aus der fürsorglichen Macht der Mütter befreit, sondern blieb äußerlich, und mehr noch innerlich, von ihr abhängig. Er hat die Frau zwar als „Muttersklavin“ beherrscht, aber er konnte nie ohne ihre Nähe und ohne ihre Zuwendung leben. Er hat sich auf Kosten der Frau und auf Kosten unterworfener Sklaven, durch die Erfindung immer raffinierterer Techniken und Maschinen von der gleichförmigen Arbeit des Lebensunterhalts und dem Tun des täglichen Lebens wegbewegt. Er hat sich hinbewegt zu einer religiös-philosophischen Übersteigung des Lebens durch eine abgehobene geistige Existenz. Diese Abkehr vom natürlichen Leben ist der heroische Versuch des Mannes, auf abenteuerliche materielle oder geistige Weise die Natur und den Tod zu transzendieren. Ein Versuch, damit der Tod seine Macht über die Menschen verliert, sowohl in der Suche nach dem Unsterblichkeitskraut durch die Alchemie als auch in der Entwicklung lebensrettender Medikamente durch die moderne Medizin wie auch im religiösen Glauben an eine persönliche Unsterblichkeit. Da diese Rechnung nicht aufgeht und die Herrschaft des Menschen über die Natur durch Wissenschaft und Technik an ihre Grenzen stößt, erleben wir derzeit eine ganz besondere Zeit, in der wir echte Tiefe leiblich erfahren. Eine Tiefe, die zurück führt über die Beziehung zur eigenen Mutter und schließlich zur göttlichen Großen Mutter. Dazu ist es erforderlich, in den ursprünglichen Schöpfungsmythos einzusteigen und sich die Schicksalskräfte bewusst zu machen, um zu verstehen, was für eine tiefe Sehnsucht nach Einheit und Individualität in der Menschheit liegt.

       Der Schöpfungsmythos – Enuma Elisch

      Enuma Elisch ist der babylonische Schöpfungsmythos. Die ersten Götter Babylons Anshar und Kishar waren Nachkommen der Urkräfte Apsu und Tiamat. Apsu symbolisiert die männliche Seite, das Süßwasser unter der Erde. Tiamat symbolisiert die weibliche Seite der Urkräfte und das Salzwasser, das die Erde umgibt. Als sich die Wasser der beiden vermischten entstanden daraus Lachmu, Lachamu und Kingu, von denen alle anderen Götter abstammen. Enuma Elisch beschreibt die Kämpfe und Verwicklungen der jungen Götter untereinander. Die jungen Götter streiten ständig mit den alten und schließlich beschließt Apsu (Tiamats Gatte), die jüngeren aufsässigen Götter zu töten. Ea, einer der jungen Götter, erfährt davon und tötet Apsu zuerst. Danach nimmt Kingu den Platz seines Vaters als der Gemahl von Tiamat ein und Tiamat gibt ihm die Schöpfungstafeln, damit er die Herrschaft über die jungen Götter übernehmen kann. Diese sind aber nicht einverstanden damit und so tritt der damals noch wenig bedeutende Gott Marduk gegen ihn zum Kampf an. Er siegt, erhält die Schicksalstafeln und steigt so zum Herrn der Götter auf, denn wer diese Tafeln besitzt, der vereint größte göttliche Macht auf sich und kann das Schicksal beherrschen. Nur das göttliche Selbst in menschlicher Form ist in der Lage, diese Kräfte zu beherrschen. Das Blut des Dämonenherrschers Kingu gibt Marduk an Ea weiter. Er erschafft daraus und aus einem Klumpen Lehm die Menschen. Um die Gefahr für die Götter endgültig zu beseitigen, kämpft Marduk mit Zauberei auch gegen Tiamat. Bevor Marduk in den Kampf zieht, stellt er seinen Vätern die Bedingung, dass er, sofern er Tiamat besiegt, zum „König der Götter“ erhoben werde und dass er, als Herr des Pantheons, absoluter Herrscher sei. Die Hochgötter nahmen diese Bedingung an. In einer glänzenden Rüstung auf seinem mit vier Pferden bespannten Streitwagen zieht der junge Heros gegen die verteufelte Mutter aller Götter in den Krieg, bewaffnet mit Pfeil und Bogen, Kampfnetz und Keule. Es kommt zum Zweikampf mit Tiamat. Marduk wirft sein Kampfnetz (eine alte Waffe der Sumerer) über Tiamat und schießt einen Pfeil in ihren Mund, der das Innere der Göttermutter zerreißt und ihr Herz spaltet. In Siegerpose stellt sich Marduk auf den Leichnam und zertritt ihren Unterleib, mit seiner Keule zerschmettert er ihren Schädel und ihre Blutbahnen durchschneidet er. Er spaltet den Leib der ermordeten Göttermutter Tiamat in zwei Hälften. Aus der einen Hälfte formt er den Himmel, aus der anderen die Erde. Nach seinem Sieg wird Marduk, dem Stadtgott von Babylon, ein gemeinsames Heiligtum mit Ea und Enil geschaffen. Weiterhin berichtet Enuma Elisch, dass Marduk 300 unterirdische Gottheiten einsetzt, die in dem Palast Ekalgina in der Unterwelt leben. Sie sind die Anunnaki, die das Wasser des Lebens hüten. Ihnen gegenüber stehen die 300 ebenfalls von Marduk eingesetzten oberirdischen Gottheiten, die Igigu.

      In Abbildungen wird Marduks Kampf gegen die Göttermutter