Roman Spritzendorfer

NADIA


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Kleidungen zu einem Bündel geschnürt, in dem sich auch die wichtigen Papiere befanden, gelangten sie zu der Farm. Joseph nahm jede Arbeit an, die ihm Jim zuwies. Die Sprache der Indianer verstand Joseph nicht. Ebenso wenig konnte er auch nicht an ihren Mienen erkennen, wofür sie ihn hielten und was sie über ihn dachten. Nach nur wenigen Tagen war seine Kleidung und auch er selbst voll von Schmutz. Das kannte er bereits. Während seiner Tätigkeit als Cowboy war es ähnlich gewesen. Eine seiner ersten Arbeiten war, die Ställe zu säubern. Sie befanden sich voller Unrat. Angeblich hatten die Indianer dazu noch keine Zeit gefunden. Joseph erfuhr die Ursache. Das Dach war durch einen gebrochenen Querträger einsturzgefährdet. Das sollte man aber so bald als möglich tauschen. Joseph entfernte den Mist, ging zu Jim und meldete den Schaden.

      »Der nächste starke Wind würde die Pferde schwer verletzen. Mit Hilfe von zwei Männern müsste das sofort behoben werden.«

      In diesem Wortlaut hatte sich bis jetzt noch niemand getraut mit ihm zu sprechen. Zuerst wollte er Joseph zurecht weisen. Er begriff seine eigene Unsinnigkeit, ging mit Joseph sich den Schaden anzusehen.

      »Wir nehmen zwei. Das Dach muss aber vorher provisorisch gesichert werden.«

      Nach getaner Arbeit betrachtete ihn Jim mit anderen Augen. Joseph nützte die Gelegenheit und erzählte Jim über seine wichtigen Papiere, die er immer noch im Schlafsack in seinem Bündel versteckt hatte. Joseph war noch nie in der Wohnstube gewesen, wusste aber über den Tresor Bescheid. Ohne Details verwies er auf die Kopie des Berichtes, seiner Kündigung und ein Schreiben an die Versicherungsgesellschaft. Die ewige Lagerung im Stroh wäre seiner Meinung nach nicht der geeignete Platz.

      »Ich werde diese Urkunden in Packpapier einwickeln, verkleben, mit ihren Namen versehen, im Tresor lagern, dem Boss aber davon Mitteilung machen. Noch etwas, morgen geht es in die Berge.«

       Kapitel 4

      Joseph vertraute ihm diese wichtigen Papiere an. Er dachte sich, ohne Vertrauen werde ich es nicht weit bringen.

      Am nächsten Tag ritten beide in die Richtung der nahen Berge. Jim sprach kein Wort und Joseph wartete ab. Er hatte auch keine Ahnung, was ihm bevorstand. Nach dem ersten kleinen Hügel hielt Jim an. Er deutete Joseph ebenfalls abzusitzen.

      Das tat er auch. Jim machte es sich im Gras bequem. Bevor ihm Joseph folgte, fesselte er seinem Pferd die Vorderhufe.

      Aber nur in der Weise, daß es in seinem Bedürfnis das Gras zu fressen nicht behindert war. Davonlaufen konnte es nicht. Wohl war ihm nicht in seiner Haut. Sie befanden sich in einer Senke und hatten keinen Überblick auf angreifende Tiere. Jim wollte wissen, was ihn bedrückte. Josephs forschende Blicke nach allen Seiten waren ihm nicht entgangen.

      »Wenn uns ein Puma angreift, ist er im Vorteil und eines der beiden Pferde läuft weg.«

      Jim deutete auf seinen Colt, den er nun in der Hand hielt.

      »Die Winchester befindet sich nun auf ihrem Pferd und dieses wird nicht wild auf den Puma sein.«

      »Hier gibt es keinen Puma.«

      »Das habe ich auch einmal geglaubt, einen Hengst verloren, meine Arbeit als Cowboy gekündigt und bin zur Eisenbahn gegangen. Ich hoffte auf ein friedvolles Leben. Der Boss hat uns nie mit Gewehren ausgerüstet. Ich hatte ein einfaches Schießeisen, das nichts taugte und einen Puma nicht verjagen konnte. Ein wertvoller Hengst, gejagt vom Puma, stürzte in die Schlucht und war tot. Die Söhne des Farmer hatten Gewehre bei sich. Sie hatten sich in Sicherheit gebracht. Mein Schicksal war ihnen egal. Zuerst wurde mein Pferd angegriffen. Es brach zusammen. Der Colt war bald leer. Das machte die Katze wirklich wild. Sie trieb den begleitenden Zuchthengst in den Abgrund bevor sie verschwand. Ich war derjenige, dem man die Schuld in die Schuhe schob. Lohn habe ich keinen bekommen. Ich musste froh darüber sein, mein eigenes Leben behalten zu haben.«

      »Wie gut können sie treffen?«

      »Ein wenig bin ich aus der Übung.«

      »Wollen sie es mit dem Gewehr versuchen?«

      »Wenn sie es mir mit dem Gewehr erlauben.«

      Jim war aufgestanden und holte das Gewehr aus seinem aus Leder gefertigten Behälter und übergab es Joseph. Jim deutete auf ein Gebüsch. Joseph sollte versuchen, den obersten Ast zu treffen versuchen. Das Gebüsch war etwa dreißig Meter entfernt. Joseph zielte aber auf einen Ast eines Baumes, der die dreifache Entfernung hatte. Getroffen brach er herunter.

      »Die Aufgabe haben sie nicht erfüllt, aber den Ast zu treffen, das habe ich nicht erwartet. Wie hätten sie bei einem heranstürmenden Puma reagiert?«

      »Herankommen lassen und ihn im Kopf zu treffen versucht.«

      »Ich weiß nicht, was ich von ihnen halten soll. Die Dachreparatur, die war ihre Visitenkarte.

      Die Papiere, die sie mit ihnen herumschleppen, die könnten ihr Todesurteil sein. Mit einem unbekannten Gewehr auf etwas in dieser Entfernung zu treffen, das ist sicherlich kein Zufall. Was haben sie vor ihrer Tätigkeit als Cowboy gemacht?«

      »Militär – Spezialeinheit als Scharfschütze.«

      »Warum haben sie den Dienst quittiert?«

      »Ich weigerte mich, auf unschuldige Leute zu schießen, denen man durch Betrug ihr eigenes Land sehr billig unter Zwang abgenommen hatte und die eher zu sterben bereit waren, als ihren Besitz zu verlassen. Ehrliche, teilweise schon alte Leute, Frauen und Kinder. Man hatte unter dem Vorwand eines Aufruhrs das Militär angefordert. «

      »Was ist dann passiert?«

      »Als ich begriffen hatte, worum es ging, gab ich meinem Pferd die Sporen und bin zu den armen Teufeln übergelaufen. Meine ehemaligen Kameraden haben den Feuerbefehl nicht befolgt. Sie kannten meine Treffsicherheit, in nur wenigen Sekunden mehrere Gegner zu eiminieren. Sie wollten nicht getötet werden. Auch der kommandierende Offizier verzichtete daraufhin, seine Waffe zu ziehen. Dieser Einsatz war schmählich, nicht nur für das Militär. Ein großes Fressen für die Presse. Mich wollten sie in den Arrest stecken. Der Gouverneur bekam Wind davon. Kein Arrest, aber auch keine Belobigung. Auf seine Befragung, ob ich wirklich geschossen hätte, habe ich damals geantwortet:

      Wer nie etwas wagt, wird nie etwas gewinnen. Vielleicht hätten auch sie den Hut nehmen müssen. Man muss sich vorstellen, das Militär wird eingesetzt, um ehrliche Leute von ihrem eigenen Land zu vertreiben, gegebenenfalls auch zu töten und das in der USA. Während die wahren Schuldigen in Saus und Braus weiterleben können. New York Times wird sicherlich tagelang ausverkauft sein. Geantwortet hat er mir nicht, aber den Rat erteilt, aus dem Militärdienst auszuscheiden und versuchen Frieden zu finden, was ich versucht habe.«

      »Wir werden zurückreiten.«

      Die Tage vergingen und Joseph verrichtete die ihm ursprünglich zugeteilte Arbeit. Jim ließ die Erzählung keine Ruhe. Er grübelte und grübelte. Joseph dagegen , lebte die Tage, als ob nichts gewesen wäre.

      Vielleicht ist er ein Agent der Versicherungsgesellschaft und ist bei uns untergekrochen. Es muss beim Gouverneur ein Akt unter Verschluss liegen. Jim konnte aber keine befriedigende Antwort finden.

      Eine Woche später teilte Jim Joseph den Auftrag, das Haupthaus gründlich zu reinigen. Vorher sollte er sich waschen und andere Kleidungsstücke anziehen.

      Die verschmutzten Sachen sollten beim Brunnen verbleiben. Für die Reinigung benötigte Joseph einen vollen Tag.

      Am Abend suchte er seine ehemaligen Sachen. Er konnte sie nicht finden und ging zu Jim.

      »Diese wurden gewaschen. In einigen Tagen werden sie diese wieder tragen können. Die Kleidung, die sie nun tragen, ist nicht für die Arbeit im Freien vorgesehen. Für heute ist Feierabend.«

      Nach dem Essen wollte sich Joseph die Füße vertreten. Er lenkte seine Schritte zu der weit entfernten Koppel. Diese war dreigeteilt.

      Seit seiner Anwesenheit auf der Farm war er nun zum ersten Mal in der Nähe dieser Koppel. In dem einen Abschnitt gab es einige Pferde. Darunter auch jenes, das er abarbeiten musste. Der mittlere Teil war der größte.