W.E. Pansen

Marlowe - das Grauen


Скачать книгу

anders aus. Er überlegte, wo und wie der Kontakt am besten zu realisieren war.

      Die Türklingel schellte, - ein Überbleibsel der alten Schneiderei, die jetzt sein Büro war.

      Er ging nach vorn. Eine etwas übergewichtige Matrone, ca. 55 Jahre, mit verheulten Augen stand vor seinem Schreibtisch.

      Er wusste es, bevor sie den Mund aufmachte: Ein Hund.

      „Ich habe ihr Schild gesehen, - Ermittlungen aller Art, - naja“, sie schluchzte „und nun, wo doch mein Rolfi weg ist, - habe ich gedacht“ – Der Rest ging wieder in Schluchzern unter.

      „Was ist denn passiert, Frau?“

      „Korthals, Melanie Korthals“

      „Nun, Frau Korthals, - nehmen Sie doch Platz und erzählen Sie ganz in Ruhe, - möchten Sie vielleicht einen Tee, Kaffee habe ich leider nicht da?“.

      Nachdem Frau Korthals einen schönen Tee „Nur ein Stück Zucker bitte“ vor sich stehen hatte, erzählte sie ihr Leid. Sie hatte Rolfi, - selbstverständlich hatte sie ein Foto in ihrer Handtasche, vor dem ReWe „bei der FABRIK, wissen Sie“ angeleint und war reingegangen. „Ich wollte mir nur ein schönes Franzbrötchen holen und für Rolfi eine Dose PAL“. Als sie dann wieder herauskam, war Rolfi verschwunden.

      Sie hatte dann noch alle möglichen Passanten befragt und immer wieder „Rolfi, Rolfi“ gerufen, aber ihr Rolfi war nicht wiederaufgetaucht. Bei der Polizei hatten sie gesagt „Der wird schon wiederauftauchen, - kommen Sie Ende der Woche doch nochmal vorbei“.

      „Aha, - und dann?“

      „Dann kam der Anruf, gestern, - stellen Sie sich vor, - 500 Euro oder Sie sehen Ihre Töle nie wieder, mein Rolfi, - eine Töle, also sowas“. – Erneutes intensives Schluchzen.

      Das kam Marlowe bekannt vor. „Hören Sie, ich denke das können wir lösen“, - er hatte sich angewöhnt, den Eindruck zu erwecken, als hätte er diverse Mitarbeiter – „aber alles hat seinen Preis“.

      „Wieviel?“ – Schluchz, schluchz.

      „Mit 100 Euro müssen Sie wohl rechnen“.

      „Hier nehmen Sie, bringen Sie mir bloß meinen Rolfi zurück!“ – Sie legte zwei Fünfziger auf den Tisch, - erhob sich schluchzend. „Achso, - meine Telefonnummer“ – Sie legte einen Zettel auf den Tisch.

      „Frau Korthals, Sie hören in Kürze von uns“.

      Nachdem sie das Büro verlassen hatte, griff er zu dem alten Wählscheiben-Telefon.

      „Schnodder? – Pass mal auf, - schon wieder so eine Tölen-Geschichte, - kann das wieder Stumpen gewesen sein?“

      „Nee, Mann, Stumpen is dood, aber ich glaub Flux ist da jetzt dran, - außerdem schuldest du mir noch ne Kiste Maibock!“

      „Geht klar, - wo muss ich suchen?“

      „Bist du doof oder was, - Flux wohnt jetzt in Stumpen sein Wagen und die Garage hat er auch übernommen“

      „Wie sieht Flux denn aus?“

      „Mann, klein und bunt würd ich sagen“

      „Na super, - danke“

      „Da nich für“.

      Das war nicht schwer, das war nicht weit.

      Er trank seinen Tee aus, rülpste ausgiebig, - die Würstchen waren seit einer Woche abgelaufen gewesen - und machte sich, nachdem er seine „Ramones“-Lederjacke übergezogen hatte, auf den Weg.

      Er traf am Bauwagen auf drei Berliner Punks. „Flux gesehen?“

      „Wer will das wissen?“

      „Ich, du Blödeimer, - ich hab hier noch nen Zwanni für ihn“

      „Flux is zur Garage, wollte was nachsehn“

      „Ok, dann weiß ich Bescheid“. Sicherheitshalber ließ er ein paar Zigaretten da.

      Das Garagentor stand offen.

      „Guter Hund, hier kommt dein Happi-Happi“

      „Und hier gibt’s was auf die Fresse!“ – Sven hatte sich so hingestellt, dass eine ausreichend große Lücke blieb. Flux war sofort wieselflink an ihm vorbeigeschossen und verschwunden.

      In der Garage saß Rolfi und leckte begeistert den Napf aus. Sven warf einen Blick auf die Dose: „Old Commercial Room Labskaus, 550g“, - offensichtlich geklaut, vermutlich bei dem gleichen ReWe. Er kannte das Produkt, hatte es immer schon für überteuert und qualitativ mittelmäßig gehalten. Na, egal, - Rolfi hatte es geschmeckt.

      Also, - auf zu Frau Korthals.

      Korthals, Korthals?

      Der Wanst! – Natürlich! – Der Wanst hieß auch Korthals. Weiß Gott kein gängiger Name in Hamburg.

      Sein Tablet war zuhause, sein Computer im Büro. Na super. Smartphones lehnte er ab, - konnte man schlecht was drauf lesen. Dabei hatte er nur das Handy. Er rief seinen Freund Olympiakos an.

      „Hör mal, ich hab nur kurz Zeit, - weißt du was über einen Blankeneser Kaufmann namens Korthals?“

      Olympiakos gähnte laut und ausgiebig. „Mann, weißt du wie spät es ist?“

      „Ja, 11: 15“.

      „Ja, in deiner Welt, - ich hatte Nachtschicht“

      „Also, was is nun?“

      „Ja doch, - Korthals ist so ein richtiges Arschloch, - hat Beteiligungen an allem Möglichen, auch ein tolles Restaurant mit nordischer Küche, - lebt getrennt von seiner Frau und residiert irgendwo in Blankenese“

      „Ja und, - irgendwas kriminelles?“

      „Weiß man nicht, - der ist schlau, - man munkelt er hätte mit Schwarzgeld zu tun, - hat auf jeden Fall reichlich Schotter und eine ganz junge spanische Freundin“

      „Sicher spanisch?“

      “Könnte auch italienisch sein, - auf jeden Fall Südeuropa, - das sieht man“

      „Wieso, kennst du sie?“

      „Nicht direkt, - aber es scheint, dass er sie bei Stavros, - dem Griechen mit der syrisch-italienischen Küche, - kennengelernt hat, - sie war Model, - also in Echt, - Mode-Model“.

      „Danke, schlaf weiter“.

      Sein nächster Stopp war der ReWe. Er kaufte zwei Franzbrötchen und zwei Dosen PAL.

      Frau Korthals hatte sich plötzlich von einer Klientin in eine interessante Quelle verwandelt.

      Rolfi blickte ihn treuherzig an.

       Kapitel 2

       Bei Sergeij I

      „Ah, Sven, nur herein, - heut ist Hausfrauen-Tag!“ – Sergeij lachte sein übliches heiseres Sergeij-Lachen und strahlte ihn mit lustig funkelnden Augen an. Wie immer standen ein wunderbarer Rotwein und ein Stolichnaya-Vodka bereit. Sergeij stellte Gläser auf den Tisch und bot Sven eine von seinen russischen Zigaretten an. Er mochte diese Besuche und sein breites, fröhliches Gesicht war wie immer völlig entspannt, wenn sie sich unterhielten.

      „Trinkst du, - guckst du zu. Heute ist dicke Hausfrau dran, - kriegt Besuch von Handwerker, - beide geil undsoweiter. Handwerker ist diese Mal kräftiger Ukrainer, leider schlechte Deutsch, - aber muss nicht viel reden!“ – Sergeij lachte erneut sein heiseres Sergeij-Lachen und schenkte beiden ein.

      Durch das Fenster des Regieraums hatte man einen guten Blick auf das Szenario. Sergeij gab sich immer viel Mühe mit der Gestaltung, er beschäftigte mehrere Handwerker und war Stammkunde bei Stilbruch.

      Die hatten eigentlich immer die benötigten Gebrauchtmöbel, die für die verschiedenen Szenarien gebraucht wurden. Manches wurde auch extra anfertigt, - zwei Bühnenbildner