Walter Krüger

Rom kämpft um den Rhein


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hatte er noch nicht unterworfen. Am Ende des diesjährigen Feldzugs konnte er tatsächlich einen überragenden Sieg über die belgischen Stämme verzeichnen. Dennoch bewertete er das hart erkämpfte Friedensangebot der Nervier und den fragwürdigen Sieg über die Siedlung Binche als ein glückliches Unternehmen, durch das er „ganz Gallien zur Ruhe gebracht hatte“.

      Welche Ruhe er damit meinte, bleibt für immer sein Geheimnis. Jedenfalls herrschte in Westeuropa größere Unruhe seit der Ankunft Caesars. Schließlich war er es, der mit seinem ungerechtfertigten Anspruch, alle Stämme in den keltischen und belgischen Gebieten, ja sogar die Germanen, seien römische Untertanen, wenn er das befehle, der in der weiten Umgebung für Unruhe sorgte. Was ihn so stark machte, waren die Legionen. Die Stämme, bis auf die Haeduer und Remer, hatte er alle gegen sich. Dort, wohin er mit seinen Soldaten gelangte, setzte er römisches Recht und Gesetz durch, ohne die dortigen Bewohner zu fragen, ob sie dies wollten, und ohne Rücksicht auf deren Stammesgesetze und -recht. Zog er ab, erlosch das römische Recht.

      Fasst man das Jahr 57 v.Chr. zusammen, dann hatten die Römer unter den keltischen Stämmen (er spricht vom „eigentlichen“ Gallien) fast nur noch Verbündete. Von den belgischen Stämmen waren die an den keltischen Gebieten, d.h. die im Einzugsgebiet der Seine lebenden, ihrer Freiheit verlustig geworden und hatten ihre Unterwerfung besiegelt. Die Größten unter den Belgern kämpften, gaben auf, behielten aber ihre Gebiete und eine gewisse Unabhängigkeit. Dazu gehörten die Atrebaten, die Viromanduer und die Nervier. Die germanischen Stämme östlich davon, z.B. die Atuatuker und Eburonen, blieben noch frei. Daran änderte auch der Überfall auf Binche nichts.

      Caesar gewann in diesem Feldzug, der eine Mischung aus militärischem Drill und einem echten Angriff war, eine wichtige Erkenntnis: In seinem erfundenen „Gallien“, das bis zum Rhein reichen sollte, gab es zwei Stammesgruppen, die im Gegensatz zu den Kelten, die sich mit ihm notgedrungen arrangierten, Widerstand leisteten. Die einen waren die nördlichen Belger, germanischer Abstammung, die anderen die Stämme, die sich „gemeinschaftlich Germanen nannten“, links des Rheins.

      Im Herbst 57 v.Chr. zogen die Römer aus den Stammesgebieten, durch die das Heer geführt worden war, wieder ab. Standorte für die Winterlager wählte Caesar stattdessen bei den Karnuten, Anden, Turonern u.a. aus. Das waren keltische Stämme, die zwischen der Seine und Loire lebten, also lagerte er im Zentrum dieser Volksgruppe. Damit blieben die germanischen Gebiete nördlich der Oise (Isar) und der Somme (Samara) noch frei. Frei von römischer Besatzung, aber nicht von Verpflichtungen wie Getreidelieferungen, Tributen u.a.

      Dennoch darf man sich nicht davon täuschen lassen, dass die Römer abgezogen waren, weil sie ihren Anspruch auf dauerhafte Unterwerfung noch nicht durchsetzen konnten. Der Zug Caesars hatte eine enorme Auswirkung auf die Führung der Stämme und deren Stammesbevölkerung. Immer deutlicher wurde, dass der einzelne Stamm nicht mehr in der Lage war, sich gegen die römische Übermacht zu verteidigen. Selbst die Nervier erkannten das, obwohl sie beispielhaft kämpften. Alle waren sich einig in der Ansicht, dass die Römer wiederkehren würden. Aber nicht darüber, wie man darauf reagieren sollte. Freiheit war das höchste Gut, über das die Germanen verfügten. Es war für die meisten Stämme Ehrensache, sie mit allen Mitteln zu verteidigen. Doch gab es Unterschiede. Die Stämme, die den keltischen am nächsten lebten, die zum Teil sogar keltische Bewohner hatten, neigten Lebensweisen zu, die denen der südlichen Stämme ähnelten. Und die wiederum standen der römischen Zivilisation begehrlich nahe. Die römischen Gesandtschaften, die Reisenden, Kaufleute und Händler hatten auf so manchen Edlen in einem Sinne eingewirkt, dass es diesem schwerfiel, in den ankommenden römischen Truppen tatsächlich ernste Feinde zu erkennen. Man wiegte sie auch in dem Glauben, dass die Verbindung mit den Römern, ja sogar als künftige Untertanen, ihnen mehr Möglichkeiten bieten würde, als das der einzelne Stamm könne.

      Es blieb nicht aus, dass sich auch in den herrschenden Adelsfamilien der südlichen belgischen Stämme Mitglieder fanden, die aus einem Bündnis mit den Römern Vorteile in dem Sinne erzielen vermochten, selbst auf schnellstem Wege zu Führern ihrer Stämme aufsteigen zu können. Die Römer legten einen Spaltpilz bis in die Familien. Das Gleiche galt auch für keltische Adelsfamilien, wie wir es schon bei den Haeduern erlebt haben. Für längere Zeit war das der Hauptgrund für die nachgiebige Haltung dieser Stämme gegenüber den Römern. Ein gemeinsamer Aufschrei aller keltischen Stämme wäre doch schon in dem Augenblick zu erwarten gewesen, als Caesar die Grenze zu den Sequanern ohne Kriegserklärung überschritten und sich nicht wieder zurückbegeben hatte. Doch weder die Zwietracht unter den keltischen Stämmen konnte der römische Vorstoß aufheben, noch sie veranlassen, in den germanischen Nachbarn ihre natürlichen Verbündeten zu sehen. Im Gegenteil, Caesar, der damit gerechnet hatte, vertiefte die Kluft zwischen Kelten und Germanen noch, in dem er die einen über die anderen erhob, was Menschen stets schmeichelt. In diesem Falle erhob er die Kelten über die Germanen. In seinem sogenannten Germanenexkurs kann man das nachlesen.

      Nach dem römischen Feldzug durch das südliche Belgien, in dem jeder der angegriffenen Stämme bis auf die Moriner und Nervier unterworfen wurde, glaubte sich Caesar seinem Ziel, der neuen Provinz Gallia, sehr nahe. Von nun an verwendete er fast nur noch den Begriff Gallien. Darunter ordnete er alle Stämme, gleich, ob Kelten, Belger oder Germanen, als Gallier ein. Dies war die Bezeichnung für die Bewohner seiner künstlichen Provinz, eine Verwaltungsbezeichnung, keine ethnische. Unter diesen Bedingungen konnte Caesar über den Winter 57-56 v.Chr. seinen Aufgaben als Statthalter in Gallia cisalpina und Istrien nachgehen.

      Abb. 10

      Münzen aus Thuin

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