Birgit Beutel

Krebs für Anfänger


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zu medizinischen Therapien ist die Entscheidung für das Krankenhaus oder die Praxis, in der du die Therapie durchführen lässt. Schaue dir die Einrichtungen vorher an, lasse dir die entsprechenden Abteilungen oder Stationen zeigen und spüre in dich hinein, wo du dich gut aufgehoben fühlst. Wo bist du Mensch und nicht nur eine Nummer? Wie ist das Drumherum? Wie sympathisch ist dir das medizinische Personal und wie engagiert erlebst du sie? Sehen die Ärztinnen und Ärzte dich als Mensch hinter der Diagnose und haben auch ein persönliches Wort im Angebot? Suche dir diejenigen aus, zu denen du Vertrauen hast, die deine Wünsche und Entscheidungen respektieren.

      Die nächste Frage ist: Wie kannst du die Behandlung, die unter Umständen länger dauert, in dein Leben integrieren? Dinge, die am Anfang noch nebensächlich erscheinen, können irgendwann zur Belastung werden. Wenn z. B. das Krankenhaus sehr weit entfernt ist, musst du lange Wegstrecken zurücklegen, die anstrengend werden können. Zudem sind kurzfristige Termine weniger spontan möglich. Es gilt abzuwägen, ob die große, anonyme Spezialklinik in der Ferne oder die kleine, persönliche Klinik mit kompetentem Fachpersonal in der Nähe für dich das Beste ist. Für mich war die Entscheidung gegen das spezialisierte Zentrum die richtige. Meine Wahl fiel auf das kleinere Krankenhaus, wo für mich die „Chemie“ zu den Ärztinnen und Ärzten stimmte und ich die gleiche Therapie erhielt. Allerdings in schönerer Umgebung mit weniger Hektik und Menschen, die sich zwischen den Therapien an meinen Namen erinnern konnten.

       Wie erlange ich selbst Expertise über meine Erkrankung?

      Das Allerwichtigste ist zunächst, dass du lernst, deine Krankheit zu verstehen. Deine erste Anlaufstelle sind die Ärztinnen und Ärzte, die dich behandeln. Lasse dir deine Befunde und auch mögliche Therapieoptionen genau erklären. In Deutschland gibt es verbindliche Leitlinien zu jeder Erkrankung, die regelmäßig angepasst und aktualisiert werden. Da die Kliniken unterschiedliche Schwerpunkte haben, kann es durchaus auch unterschiedliche Empfehlungen geben. Daher ist die Zweitmeinung wichtig.

      Darüber hinaus gibt es mittlerweile einige Kliniken die „Integrative Onkologie“ anbieten. In der Integrativen Onkologie werden konventionelle Verfahren mit Naturheilkunde kombiniert (Komplementäre Medizin). Berühmt dafür sind die Mayo-Klinik oder das Memorial Sloan-Kettering Cancer Center in den USA. In Deutschland gibt es seit 2010 an den Evang. Kliniken Essen-Mitte eine Abteilung für Integrative Medizin, in der auch das „Essener Modell“ zum Einsatz kommt2. Auch andere Kliniken in Deutschland bieten inzwischen Integrative Onkologie an.

       Lerne deine Laborwerte zu verstehen!

      Welcher Wert sagt was aus, wann ist er gut, wann schlecht? Welche Werte müssen während deiner Therapie laufend kontrolliert werden? Wie werden sie bewertet? Welche Zusammenhänge sind wichtig?

      Ein Beispiel aus eigener Erfahrung: Während der Chemotherapie wird regelmäßig u.a. die Anzahl der Leukozyten (weiße Blutkörperchen) bestimmt. Diese sind für deine Immunabwehr verantwortlich. Wenn sie zu niedrig sind, wird die Chemotherapie verschoben. Lasse dir erklären, was die Werte bedeuten und schreibe sie dir in deinem Tagebuch auf. Du bekommst wahrscheinlich den Rat, während der Chemotherapie größere Menschenmengen zu meiden, um dich keinem Risiko auszusetzen. Das ist wichtig und richtig. Allerdings schwanken die Werte und in „guten Zeiten“ könntest du sehr wohl mal zu den Nachbarn, zum Geburtstagskaffee oder zum Abendessen bei Freunden gehen. Wenn du jedoch deine Werte nicht kennst, da sie nach der hausärztlichen Untersuchung direkt in die Klinik geschickt werden, hast du keine Möglichkeit zu entscheiden, wie dein Status im Moment ist und was für dich gut ist oder auch nicht. Das hatte bei meinen uninformierten Mitpatientinnen und - patienten die Konsequenz, dass sie wochenlang nicht aus dem Haus gingen. Und dann hast du nämlich ein neues Problem: Du fühlst dich ausgeschlossen und einsam.

      Um dich nicht unnötig zu belasten und gut informiert zu sein, lasse dir alle Laborparameter erklären und bitte um Kopien für deinen Therapieordner, auf den ich gleich noch eingehen werde.

       Wie informiere ich mich über das ärztliche Beratungsgespräch hinaus?

      Nutze die Erfahrungen anderer, denn du bist nicht allein! Es gibt vielleicht auch in deinem Umfeld Menschen, die in einer vergleichbaren Situation waren. Und gerade diese Menschen wissen am besten, wie du dich jetzt fühlst. Es ist ungemein hilfreich, sich mit ehemaligen Betroffenen oder bereits in der Therapie befindlichen Menschen auszutauschen. Einerseits, weil es die Hoffnung stärkt, dass alles, was auf dich zukommt, zu schaffen ist und andererseits erschließen dir diese Erfahrungen eine andere Sichtweise, nämlich die der behandelten Person. In menschlichen und verständlichen Worten ganz nahe an der Lebensrealität. Das ist genau das, was so manche ärztlichen Aussagen vermissen lassen.

      Ebenso hilfreich ist der Kontakt zu professionellen Organisationen. Vielleicht gibt es eine Selbsthilfegruppe in deiner Stadt oder eine psychosoziale Krebsberatungsstelle, die kostenfreie Beratungen anbieten. Alle über die ärztlichen Empfehlungen hinausgehenden Informationen helfen dir, deinen vor dir liegenden Therapieweg besser zu verstehen und damit deine eigenen, wohl überlegten Entscheidungen zu treffen.

      Informationsquellen im Internet gibt es viele, nicht jede ist nützlich. Bei „Dr. Google“ ist die Gefahr groß, sich im Web zu verirren und auf Seiten zu gelangen, die eher kontraproduktiv sind, Horrorszenarien in deinem Kopf entzünden und möglicherweise sogar falsche Informationen liefern. Besser ist es, auf wissenschaftlich fundierte Seiten zu gehen und sich dort Informationen einzuholen, wie z. B. beim Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums3 oder bei der Deutschen Krebsgesellschaft4. Im Anhang findest du einige Links dazu.

      Eine Alternative für diejenigen, die der Komplementärmedizin gegenüber offen sind, ist die Deutsche Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr (GfBK)5. Sie ist die zentrale Anlaufstelle für Erkrankte, Angehörige und Behandlende, um sich unabhängig und gründlich über die Möglichkeiten und Grenzen von Schul- und Komplementärmedizin zu informieren. Für spezielle medizinische Fragen gibt es einen kostenfreien ärztlichen Beratungsdienst, der sowohl vor Ort als auch bundesweit telefonisch unterstützt. Die GfBK versteht sich als Wegbereiter für eine moderne Krebsmedizin, in der biologische Maßnahmen schulmedizinische Verfahren sinnvoll ergänzen. Diese Gesellschaft veranstaltet alle zwei Jahre einen Kongress, den ich für sehr inspirierend und informativ halte. Ich selbst habe ihn während meiner Therapie besucht und war sehr beeindruckt von den vielen Möglichkeiten der fachlichen, ärztlichen und nichtärztlichen Beratungen und den wirklich spannenden, auch für Laien durchaus verständlichen Vorträgen und Workshops.

      Diejenigen, für die es während des Schocks der Diagnose nicht möglich ist, die nötigen Informationen einzuholen, möchte ich ermutigen, Unterstützung zu suchen. Traut euch zu fragen! Es ist kein Zeichen von Schwäche oder Inkompetenz, eine vertraute Person mit der Recherche zu beauftragen, sondern nur der erste Schritt in die Selbstfürsorge. Zu erkennen, was gerade geht und was nicht, ist ein wichtiger Baustein auf deinem Genesungsweg.

      Wenn du dich ausreichend informiert hast, dann starte deinen Therapieweg und vertraue deinem Entschluss.

       Wie schaffe ich es den Überblick zu behalten?

      Alles aufschreiben! Lege dir ein Therapietagebuch und einen Therapieordner an. Im Therapieordner sammelst du alle Befunde und Kopien davon, CDs von Untersuchungen, Korrespondenzen mit der Krankenkasse usw. Ein Tipp vorweg: Bitte das medizinische Personal um Kopien deiner Befunde oder die Übermittlung der Befunde per E-Mail. Du brauchst immer mal wieder Kopien zum Versenden.

      Dein Therapietagebuch ist mehr als der Ordner im Schrank zuhause. Es ist ein „Arbeitsheft“, in dem du alle deine Fragen aufschreibst (und dann auch die Antworten), deine wichtigen und aktuellen Laborbefunde notierst und das du immer bei dir trägst. So kannst du Gedanken und Fragen sichern, die du sonst möglicherweise bis zum nächsten Beratungstermin vergessen hättest. Du kannst damit auch nachverfolgen, wann du wo warst und mit wem du was besprochen hast. Obwohl ich mich als sehr strukturierte und ordentliche Frau bezeichnen würde, habe ich irgendwann nicht mehr gewusst, wann genau ich wo war und was ich von wem gehört hatte. Erst viel später kam ich auf die Idee, ein Therapietagebuch zu führen. Bis dahin nutzte ich ein Sammelsurium an Zetteln, Handynotizen, Fotos etc. Die Befunde