Er harrte einige Augenblicke lang aus, öffnete die Fahrertür und zog sich hinter das Lenkrad des Maverick.
Bykow blickte auf den Asphalt und bemerkte, dass er eine Blutspur hinter sich hergezogen hatte.
Er griff zu seinem Handy, schaltete es ein und wählte zitternd eine Nummer.
„Gallesco? Hier ist Bykow! Sie müssen mir helfen! Ich brauche einen Arzt, der keine Fragen stellt und ich... denke, dass...“ Er stöhnte auf. „...Sie kriegen das hin!“
„Sagen Sie mir, wo Sie sind“, forderte die Stimme auf der anderen Seite der Verbindung. „Dann kann ich jemanden zu Ihnen schicken, der sich um Sie kümmert!“
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Bykow erwachte aus einem fiebrigen Dämmerschlaf. Er hatte keine Ahnung wie viel Zeit vergangen war. Jedenfalls schreckte er hoch und griff nach seiner Waffe. Der Schmerz pulsierte ausgehend von seiner Verwundung durch den gesamten Oberkörper.
Bykow hatte sich die Wunde provisorisch verbunden und dazu den Inhalt des Verbandskissens geplündert. Er war auf Grund seiner Verletzung nicht besonders geschickt dabei gewesen. Verbandzeug und Heftpflaster lagen überall im Wagen verstreut herum.
Ein Wagen war auf das Gelände der Super Cargo GmbH gefahren.
Es handelte sich um einen Toyota.
Er hielt an und jemand stieg aus.
Der Mann in Leder!, durchfuhr es Bykow. Die Erinnerung daran, wie dieser Killer in St. Petersburg zugeschlagen hatte, stand ihm noch lebhaft vor Augen. Er überprüfte die Ladung seiner Waffe.
Dann ist es also Gallesco, der hinter allem steckt!, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Gallesco räumt alle aus dem Weg, von denen er glaubt, dass sie ihn in den Strudel des Eremitage-Skandals mit hineinreißen könnten! Und wenn alles vorbei ist, will er das Geschäft allein machen... Dieser Bastard!
Der Mann in Leder zog eine Waffe mit Schalldämpfer.
Bykow drehte unterdessen den Zündschlüssel des Maverick herum und startete den Wagen.
Er trat auf Gaspedal und raste auf den Mann in Leder zu. Dieser feuerte seine Waffe auf ihn. Die Schüsse ließen die Frontscheibe des Maverick zerspringen. Bykow duckte sich.
Er ließ den Maverick einfach vorwärts rasen.
In letzter Sekunde musste der Mann in Leder zur Seite springen. Er rollte sich federnd auf dem Boden ab und riss erneut seine Waffe empor.
Der Maverick knallte frontal gegen das Wellblechtor einer Lagerhalle und kam zum Stehen.
In diesem Augenblick waren aus der Ferne Polizeisirenen zu hören.
Der Mann in Leder rappelte sich auf. Die Fahrertür des Maverick öffnete sich einen Spalt. Bykow feuerte in Richtung des Killers, konnte aber nicht richtig zielen. Er drückte immer wieder ab. Der Killer rettete sich hinter einen der beiden Mercedes-Transporter, die der Super Cargo GmbH gehörten.
Der Geschosshagel verebbte.
Erst jetzt bemerkte der Killer, dass er doch etwas abbekommen hatte. Eine Kugel hatte ihn am Unterarm erwischt. Die Wunde blutete stark.
„Verdammt!“, knurrte er und biss die Zähne zusammen.
Der erste Einsatzwagen der Polizei erreichte in diesem Moment das Gelände. Ein zweiter folgte. Die Beamten sprangen heraus und zogen ihre Waffen.
Wo kommen die denn so plötzlich her?, durchfuhr es den Killer. Aber er hatte keine Zeit, darüber länger nachzudenken. Mit der Linken holte er eine Tränengasgranate aus der Jackentasche.
Er holte aus, tauchte kurz aus seiner Deckung hervor und schleuderte sie in Richtung der Einsatzkräfte.
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Am späten Nachmittag waren wir noch einmal im Labor von Dr. Claus.
Es gab Neuigkeiten.
„Die Analyse der Bleiisotope liegt jetzt vor“, eröffnete uns Dr. Claus. „Der Mann, dessen Identität wir herauszufinden versuchen, stammt aus Russland oder dem Baltikum und hat dort auch so gut wie sein ganzes Leben verbracht. Außerdem muss er längere Zeit in Vietnam gewesen sein, wenigstens zwei Jahre.“
„Das ist alles?“, fragte ich.
„Bislang ja. Die Schlüsse daraus müssen Sie schon selbst ziehen. Aber um wen es sich auch immer handeln mag – es war ganz bestimmt sein erster Besuch hier in Deutschland!“
„Fragt sich nur, wem der Schuh passt“, meinte Rudi.
„Die Zahnbehandlungen werden wir so schnell nicht rekonstruieren können. Aber das wenige, dass sich finden ließ, deutet auf Behandlungen nach Standards, die in Osteuropa üblich sind“, fuhr Dr. Claus fort.
Wir gingen anschließend zurück zum Porsche, aktivierten den Bildschirm und fuhren den Computer hoch.
„Die Sache ist doch ganz einfach“, sagte Rudi. „Wir haben ein paar Merkmale und suchen jetzt eine passende Person dazu.“
„Wir kennen jemanden, der in Russland den größten Teil des Lebens verbracht hat, aber zwischendurch auch zwei Jahre in Vietnam war!“, sagte ich.
Rudi sah mich verwirrt an.
„So?“
„Ich spreche von Marenkov!“
„Das ist ein Scherz oder Harry?“
„Ich habe nur laut gedacht und mich daran erinnert, dass Marenkov seinen Aufenthalt in Vietnam erwähnte. Das ist alles.“
„So als müsste er beweisen, dass er seinen eigenen Lebenslauf kennt?“
„Ja.“
Rudi zuckte mit den Schultern. „Rein statistisch gesehen sind so viele Gemeinsamkeiten zwischen unserem russischen Kollegen und der Leiche von der Müllhalde...
„...Wertstoffsammelzentrum!“
„...gegen jede Wahrscheinlichkeit, Harry!“
„Es sei denn, man geht davon aus, dass wir es nicht mit dem echten Marenkov zu tun haben!“, erwiderte ich.
Wir hatten keine Gelegenheit, diesen Gedanken weiter zu verfolgen.
Rudis Handy klingelte. Er nahm das Gespräch entgegen und sagte schließlich: „In Ordnung, Kriminaldirektor Bock. Wir sind schon so gut wie dort.“
„Was ist los?“, fragte ich.
„Das Prepaid Handy wurde aktiviert – und zwar in einem Gewerbegebiet, direkt am Kanal. Die Firma heißt Super Cargo GmbH. Zwei der drei Besitzer haben einschlägige Verbindungen zur Kunstmafia.“
„Dann nichts wie los, Rudi!“
43
Wir setzten das Blaulicht auf das Dach des Porsches. Von den Labors der Ermittlungsgruppe Erkennungsdienst aus war es nicht weit bis zu unserem Zielort.
Unterwegs nahmen wir noch einem Kontakt mit dem Präsidium auf und erfuhren, dass auch die lokalen Polizeidienststellen alarmiert worden waren.
Als wir das Firmengelände der Super Cargo GmbH erreichten, war dort bereits eine wilde Schießerei im Gang. Polizeieinsatzkräfte verschanzten sich hinter ihren Wagen. Schwaden von Tränengas zogen ihnen entgegen, denn es wehte ein leichter, aber ungünstiger Wind, der ihnen das Reizgas direkt entgegen trieb.
Einen der Kollegen hörte man in ein Funkgerät noch weitere Verstärkung rufen.
Offenbar hatten die Kollegen den nötigen Personalaufwand für diesen Einsatz völlig unterschätzt.
Ich stoppte den Porsche. Die Reifen quietschten dabei.
In geduckter Haltung