setzte sich wieder. In seinem Gesicht arbeitete es. „Ich habe von den Morden in den Nachrichten gehört“, sagte er schließlich mit sachlichem Tonfall. „Man spricht von Jack the Ripper II.“
„Sehr richtig“, erwiderte Burke, dann fragte er Cohan nach seinem Alibi für die Tage, an denen die Frauen verschwunden waren. Cohan hatte keines. „Ich gebe mich kaum mit jemand ab. Meine Frau hat mich verlassen ...“
„Warum hat Sie Ihre Frau verlassen?“, klinkte sich Ron Harris ein.
Cohan zögerte etwas und es mutete an, als musste er sich die Antwort erst im Kopf zurechtlegen, doch dann sagte er: „Wir haben uns auseinandergelebt und hatten uns nichts mehr zu sagen.“
„Wo wohnt Ihre Frau jetzt?“
Cohan zögerte ein wenig. „Ich weiß es nicht.“
„Müssen Sie nicht an sie Unterhalt bezahlen?“
„Doch. Das Geld geht auf ein Konto bei der Citi Bank.“
Owen Burke fragte ihn, ob er ein Auto besaß, und als er bejahte, erklärte er ihm, dass sie seinen Wagen für einige Tage konfiszieren mussten, damit er von der SRD unter die Lupe genommen werden konnte.
„Ich brauche den Wagen für den Weg zur Arbeit“, stieß Cohan hervor.
„Es verkehrt sicher ein öffentliches Verkehrsmittel zwischen Staten Island und New Jersey“, entgegnete Burke. „Außerdem nehmen wir Ihnen den Wagen nicht weg. Sie bekommen ihn auf der Stelle zurück, wenn sich keine Spuren von den Frauen finden.“
„Welche Spuren?“
„Haare, Hautschuppen, vielleicht auch Speichel ...“
„Ah, für eine DNA-Analyse. Ich verstehe. Kann ich mich weigern, Ihnen das Auto zu überlassen?“
Owen Burke wies auch ihn darauf hin, dass er mit Sicherheit eine richterliche Anordnung für eine Beschlagnahme erhalten würde.
Cohan zuckte ergeben mit den Schultern. „Na schön, G-men. Sehen Sie zu, dass ich mein Auto bald zurückbekomme. Ich brauche es.“
„Was für einen Wagen fahren Sie denn?“
„Einen Ford. Ein älteres Fabrikat.“
„Welche Farbe hat der Wagen?“
„Silbermetallic.“
„Sie arbeiten in einer Pestizidefabrik. Werden Sie regelmäßig auf Ihren Gesundheitszustand durchgecheckt?“
„Ja.“ Cohan zögerte ein wenig, dann erklärte er: „Mir fehlt nichts. Noch nicht. Welche Langzeitschäden sich infolge des Umgangs mit den Giftstoffen ergeben, ist allerdings nicht abzusehen.“ Nach diesen Worten grinste er starr, man könnte fast sagen betreten.
Schließlich hatten die beiden Agents keine Fragen mehr, Burke kassierte den Autoschlüssel von Cohan und die Zulassungspapiere, fragte ihn, wo er den Wagen geparkt hatte und wie das Kennzeichen lautete, dann durfte der Mann gehen.
„Möglicherweise handelt es sich gar nicht um Ritualmorde“, meinte Ron. „Wenn es auf den ersten Blick vielleicht auch so aussieht. Kann es nicht sein, dass der Mörder vom Hass auf Prostituierte geleitet wird.“
An diesen Aspekt hatte Owen Burke auch schon gedacht, ihn aber noch keiner intensiveren Beurteilung unterzogen, denn es sprach einiges dagegen. „In Baltimore, Cincinnati und Indianapolis geschehen Morde nach demselben Strickmuster. Am 23. August müsste sich der Täter gleichzeitig an zwei verschiedenen Orten aufgehalten haben. Das spricht gegen diese Theorie.“
„Ein Nachahmer“, mutmaßte Ron Harris. „Der Personenkreis der Opfer lässt diesen Schluss zu. Dadurch, dass der Killer den Frauen die Herzen aus dem Leib schneidet, will er vielleicht eine falsche Spur legen.“
Owen Burke konnte sich dem Gedankengang seines Kollegen nicht völlig verschließen.
Ron Harris fuhr fort: „Es handelt sich jedes Mal um Prostituierte. Und zwar nur um Frauen, die auf den Straßenstrich gehen. Würde es sich um Ritualmorde handeln, wäre es den Tätern egal, woher ihre Opfer kommen. So aber steckt System dahinter. Bei dem Täter handelt es sich möglicherweise um einen Psychopaten, der vom Hass auf die Huren vom Straßenstrich geleitet wird. Vielleicht ein Kindheitserlebnis, ein Trauma, eine Neurose.“
„Das erweitert unseren Täterkreis immens“, knurrte Burke ohne die Spur von Begeisterung. „Es gibt auch keinen Hebel, wo wir ansetzen könnten. – Was hältst du von Cohan?“
„Sieht krank aus, der Mann. Im Übrigen ist er schlecht einzustufen. Wir sollten vielleicht mal mit seiner Gattin ein paar Worte wechseln.“
„Dazu müssen wir ihre Anschrift herausfinden. Ich bin überzeugt davon, dass Cohan sie kannte, sie uns aber verschwieg.“
„Warum sollte er?“
„Ist nur 'ne Vermutung“, sagte Burke und beendet das Thema. „Vielleicht verrät man uns bei der Citi Bank ihre Anschrift.“
Ron wiegte skeptisch den Kopf. „Wir werden eine richterliche Anordnung erwirken müssen.“
„Dann erwirken wir sie eben“, stieß Burke entschlossen hervor.
4
Es hatte tatsächlich eines richterlichen Beschlusses bedurft, damit die Agents von der Citi Bank die erforderlichen Auskünfte bezüglich der Gattin Wesley Cohans erhielten. Obwohl sie ihren Vorgesetzten eingeschaltet hatten, dauerte es einen vollen Tag, bis sie den Beschluss in Händen hielten. Sie fuhren damit zur Citi Bank. Der zuständige Sachbearbeiter nannte ihnen nach Vorlage des Beschlusses die Adresse. Mrs Cohan wohnte in Brooklyn, 427 Strauß Street. Die Agents bekamen auch die Telefonnummer der Frau. Ehe sie nach Brooklyn fuhren, rief Ron sie an, um festzustellen, ob sie überhaupt zu Hause war.
Sie nahm ab und nannte ihren Namen.
„Special Agent Harris, FBI New York“, stellte sich Ron vor. „Wir hätten Sie gerne mal gesprochen, Mrs Cohan.“
„Das FBI will mich sprechen?“, fragte sie nahezu entsetzt.
„Ja. Es ist wegen Ihres Mannes. Wir haben ihn betreffend ein paar Fragen.“
„Dieses verdammte Schwein! Ist er straffällig geworden? Sperrt ihn ein, bis er schwarz wird!“
Das war eine Reaktion, die Ron Harris nicht erwartet hatte, und so wirkte er geradezu betroffen. „Nein“, erwiderte er. „Es handelt sich um einige Routinefragen, seine Vergangenheit betreffend. Wann können wir Sie sprechen?“
„Ich bin zu Hause. Arbeitsunfähig. Das habe ich diesem elenden Hurenbock zu verdanken.“
„Wir sind in einer Stunde bei Ihnen“, erklärte Ron und unterbrach die Verbindung. Da er den Lautsprecher aktiviert hatte, hatte Owen Burke alles hören können, was Mrs Cohan von sich gegeben hatte. Er sagte:
„Besonders gut ist sie ja nicht auf ihren Mann zu sprechen. Schwein, Hurenbock, das sind nicht gerade Kosenamen, mit denen sie ihn tituliert.“
„Fahren wir zu ihr“, knurrte Ron, „und hören wir uns an, was sie zu sagen hat.“
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