zurasen und konnte knapp ausweichen. Nur der Bruchteil eines Augenblicks verging, ehe Connally dem Vormann mit einem Kinnhaken antwortete, der diesen der Länge nach zu Boden streckte.
Hendricks funkelte ihn böse an, aber Connally würdigte ihn keines Blickes mehr, sondern ging an ihm vorbei, öffnete die Tür des Wohnhauses und trat ein, ohne anzuklopfen.
McLeish musterte ihn stirnrunzelnd.
„Ich weiß, dass Sie sich nicht besonders mit Hendricks verstehen“, meinte er, noch ehe Connally etwas sagen konnte. „Aber hier müssen alle zusammenarbeiten!
Kapiert?“
„Ich möchte, dass Sie mir meinen Lohn auszahlen!“
McLeish zog die Augenbrauen hoch.
„Was soll das heißen?“
„Das bedeutet, dass ich gehe!“
Der Rancher verzog das Gesicht und lachte dann heiser.
„Ist es Ihnen zu heiß hier geworden, Connally?“ Er schüttelte den Kopf. „Ich hätte nicht gedacht, dass ein paar brandschatzende Banditen Ihnen Angst machen würden …“
„Es ist wegen etwas anderem …“
„So? Da bin ich aber gespannt!“
„Ich habe heute mit einem Mann namens Jesse Nelson gesprochen. Der Name wird Ihnen doch etwas sagen, McLeish!“
Das Gesicht des Ranchers erstarrte zu einer eisigen Maske. Connally fuhr unterdessen unbeeindruckt fort: „Ich kann gut verstehen, dass Sie etwas gegen Schafzüchter haben, McLeish. Jeder Rindermann wird da ähnlich wie Sie denken. Aber ich lehne es ab, für einen Mörder zu arbeiten!
Und schon gar nicht möchte ich mich in derartige Fehden einlassen. Wenn dieser Nelson hier auftaucht, um sich an Ihnen zu rächen, wäre es mir unangenehm, auf Ihrer Seite zu stehen!“
McLeish zuckte mit den Schultern. „Sie müssen wissen, was Sie tun, Mann!“
„Das weiß ich auch!“
Der Rancher wandte sich um und holte eine stählerne Kassette aus der Schublade einer Kommode. Mit Hilfe eines Schlüssels, den er aus der Hosentasche hervorkramte, öffnete er die Kassette und zahlte Connally den Lohn, der diesem noch zustand.
Connally zählte nach und steckte das Geld ein. Dann wandte er sich wortlos zur Tür.
52
Eine ganze Weile hatte Jesse Nelson einfach nur die beiden Holzkreuze angestarrt. Bilder aus der Erinnerung an eine glücklichere Vergangenheit stiegen in ihm auf.
Er konnte sich nicht dagegen wehren, und er wollte es vielleicht auch gar nicht.
Aber das, was geschehen war, war nicht mehr rückgängig zu machen, so sehr er oder andere das auch wünschen mochten. Er betastete mit den Fingern den Ring und die Haarspange in seiner Jackentasche.
Als er endlich imstande war, seinen Blick aus dem Bann der Gräber zu lösen, wusste er nicht, wie viel Zeit vergangen war.
Gebeugt und in sich gekehrt nahm er die Zügel seines Pferdes, sandte noch einen letzten Blick zu den Trümmern seiner Farm und schwang sich dann in den Sattel.
Es drängte ihn, einfach loszureiten und McLeish auf seiner Ranch zu stellen.
Ich würde ihm sogar eine faire Chance lassen!, nahm er sich vor. Eine faire Chance! Das ist viel mehr, als Lynn und Alice bekommen haben!
Aber dann begann die Vernunft wieder mehr und mehr die Herrschaft in ihm auszuüben. Er wusste natürlich, dass er nicht einfach bei der McLeish-Ranch auftauchen und ihren Besitzer zum Duell fordern konnte.
Das wäre blanker Selbstmord gewesen.
Ich kann in die Stadt reiten und geduldig darauf warten, dass er aus seinem Loch herauskommt!, überlegte er. Er kann sich nicht ewig auf seiner Ranch verkriechen!
Aber es widerstrebte Nelson in seinem Innersten, noch länger zu warten. Er war ungeduldig. Diese Angelegenheit schrie förmlich nach Vergeltung, und es erschien ihm geradezu unerträglich, seine Rache noch weiter aufschieben zu müssen.
Ich werde die Nacht abwarten!, entschloss er sich dann.
Am Abend würden die Cowboys der McLeish-Mannschaft zum Großteil in die Stadt reiten, um sich in den Saloons zu betrinken.
Dann würde er leichteres Spiel haben.
Nelson trieb sein Pferd in Richtung Stadt.
Er schaute sich nicht mehr um.
53
Es war bereits Nachmittag, als Jesse Nelson nach New Kildare zurückkehrte. Er lenkte sein Pferd in Richtung von Sonny Brownlows Hotel, machte es dort fest und entschloss sich dann, nebenan in den Saloon auf einen Drink zu gehen.
Zu seiner Verwunderung sah er Jim Connally an der Theke vor einem Glas Whisky sitzen.
„Hallo, Jesse! Tja, so schnell sieht man sich wieder …“
Nelson blieb zurückhaltend. Er begrüßte Connally mit einem flüchtigen Nicken, stellte sich dann neben ihn an die Theke und bestellte bei dem schmächtigen Barkeeper einen Drink.
„Wie geht’s deinem Boss, Jim?“, fragte er schließlich mit sarkastischem Unterton.
Connally winkte ab.
„Er ist nicht mehr mein Boss. Ich habe gekündigt.“
„Weswegen?“
„Wegen der Geschichte, die du mir erzählt hast. Für solche Leute arbeite ich nicht.“
Nelsons Züge entspannten sich ein wenig.
„Mir scheint, du bist ein Mann mit Charakter, Jim!“
„Worauf du dich verlassen kannst!“
„Und was hast du jetzt vor?“
Connally leerte sein Glas und bedeutete dem Barkeeper, dass er ihm nachfüllen sollte. Dann zuckte er mit den Schultern.
„Ich werde wohl wieder auf die Reise gehen. Aber heute ist es schon zu spät, um noch aufzubrechen.“ Er grinste. „Ich habe keine Lust, wieder irgendwo in der Wildnis zu kampieren. Kennst du ein preiswertes Hotel hier in der Stadt?“
Nelson nickte und machte eine unbestimmte Bewegung mit der rechten Hand.
„Gleich nebenan bei Sonny Brownlow. Dort wohne ich auch!“
54
Henry Duggan sah durch das Fenster des Sheriffbüros, wie McLeish mit einem guten Dutzend seiner Männer die Straße entlanggeritten kam.
Er konnte das Gesicht des Ranchers nur für einen kurzen Augenblick sehen, aber der grimmige Ausdruck in dessen Zügen entging ihm nicht.
Duggan griff hastig nach seinem Hut und ging nach draußen.
„Tag, Mr. McLeish!“, rief er über die Straße. Er war etwas außer Atem, sein Kopf war rot angelaufen.
McLeish zügelte sein Pferd, und die Männer folgten dem Beispiel des Ranchers. Er schob sich den Hut in den Nacken. Seine blauen Augen blitzten gefährlich.
„Tag, Sheriff!“, brummte er.
Duggan nickte ihm freundlich zu.
„Na, auch mal wieder in der Stadt? Ist ńe ganze Weile her, seit ich Sie zum letzten Mal gesehen habe …“
„Sie wissen, dass Jesse Nelson in New Kildare ist?“, erkundigte sich McLeish, ohne auf Duggan weiter einzugehen.
Der Sheriff nickte.
„Ja, das weiß ich …“