Pete Hackett

Die Stunde der Apachen: 12 Romane einer großen Western-Saga


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die Stricke, mit denen ihre Arme an die Gatter gefesselt waren, hielten sie aufrecht. Die Apachen hatten ihnen die Kehlen durchgeschnitten.

      Im Hof lag eine tote Frau auf dem Gesicht. Ein Stück weiter ein Junge. Alle waren skalpiert. Ein Laut, der sich anhörte wie trockenes Schluchzen, entrang sich Whitlock. Vergessen war die eigene Not.

      Aschefetzen wirbelten. Das Feuer war längst erloschen. Kreuz und quer lagen verkohlte Balken und Bretter. Es war wohl tatsächlich so, dass die Apachen nur noch den niedrigsten Trieben gehorchten. Sie hatten die Weißen regelrecht abgeschlachtet. Etwas kroch in Whitlock hoch, breitete sich in ihm aus, legte sich wie ein eiserner Ring um seine Brust und ließ ihn hart und stoßweise atmen.

      Seine Pferde waren zum Fluss gelaufen und soffen. Schnell nahm die Dunkelheit zu. Auch Tyler Whitlock löschte seinen Durst und wusch sich Staub und Schweiß aus dem Gesicht. Dann füllte er seine Wasserflasche.

      Er blieb nicht an diesem Ort des Grauens. Um die Toten zu begraben hatte er kein Werkzeug. Da er annahm, dass der kleine Fluss irgendwo weiter nördlich in den Rio Grande mündete, folgte er ihm. Und immer wieder erstand das Bild der Ermordeten Farmer vor seinem geistigen Auge. Es hatte sich ihm unauslöschlich eingeprägt. Unmenschlicher Hass regierte im Land, ein Hass, der betroffen machte.

      Whitlock dachte daran, wie gut sich alles entwickelt hatte. Victorio und seine Mimbres waren bereit gewesen, im Reservat bei Tularosa sesshaft zu werden, das Land zu bebauen, in Frieden zu leben. Aber ein unerbittliches Schicksal wollte es anders. Hass und tödliche Leidenschaft eskalierten. Was hier zum Ausbruch gekommen war, war mit normalen Maßstäben nicht mehr zu messen. Das war kein Krieg mehr, in dem es darum ging, irgendein Recht zu verteidigen oder ein solches durchzusetzen. Das war nur noch ein gegenseitiges Abschlachten und Vernichten, bar jeder Menschlichkeit, nur noch einem kreatürlichen Instinkt gehorchend, der den Tod des Gegners zum Ziel hatte.

      Der Lieutenant versuchte, die Gedanken, die ihn beschäftigten, aus seinem Bewusstsein zu verbannen, diese Gedanken, an deren Ende etwas Dunkles, Unheilvolles stand. Wie sollte sich das alles noch entwickeln? Gab es eine Steigerung?

      Dem eisigen Wind seiner bohrenden und quälenden Gedanken ausgesetzt zog Tyler Whitlock dahin. Und erst gegen Mitternacht hielt er an. Er suchte sich einen Platz zum Kampieren. Als er in seine Decke gerollt am Boden lag, gelang es ihm, sein Denken in andere Bahnen zu lenken. Über ihm spannte sich der Sternenhimmel. Er dachte an Jane Randall. Ihr Bild schob sich aus den Nebeln der Vergangenheit in den Vordergrund. Sie lächelte. Ihre Zähne schimmerten weiß zwischen den vollen, roten Lippen, ihre Augen strahlten. Ein Gefühl beschlich den Mann, wie er es schon lange nicht mehr verspürt hatte. Der Gedanke an die Frau gab ihm neuen Mut. Er half ihm, wieder an die Zukunft zu glauben.

      Dann aber holte ihn die raue Wirklichkeit wieder ein. Narr!, durchfuhr es ihn. Mach dir keine Hoffnungen. Sie ist die Tochter des Colonels und für dich tabu. Es sind Träume, die niemals Wirklichkeit werden können. Also vergiss es. Du würdest nur eine herbe Enttäuschung erleben.

      Irgendwann übermannte ihn die Müdigkeit. Er schlief ein.

      *

      Das Fuhrwerk rumpelte und polterte. Es wurde von zwei Pferden gezogen. Auf dem Bock saß ein Mann. Immer wieder ließ er die Peitschenschnur in der Luft knallen.

      Es handelte sich um einen Gefängniswagen. Er erinnerte an einen Raubtierkäfig. Man nannte diese Fahrzeuge auch Tumblewed-Wagen, weil darin menschliches Unkraut befördert wurde. Zwei Seiten des Aufbaus waren geschlossen, eine Längsseite und die Rückwand jedoch bestanden aus soliden Eisenstäben, durch die man ins Innere des Wagens blicken konnte. An den geschlossenen Wänden waren Bänke befestigt, an den Bohlen waren rostige Ketten festgeschraubt, an deren Enden Handschellen hingen. Lester Wilburn und Glenn Farley wurden mit diesem Gefährt befördert. Sie waren angekettet. Neben dem Fuhrwerk ritt ein Mann. Er trug den Stern eines U.S. Deputy Marshals. Sein Auftrag war es, die beiden Banditen nach Albuquerque zu bringen. Dort sollten sie vor Gericht gestellt und abgeurteilt werden.

      Ein kaltes Auge ruhte über Kimme und Korn einer Winchester auf der Brust des Gesetzeshüters. Dann peitschte der Schuss. Der Deputy Marshal zuckte zusammen, seine Lippen sprangen auseinander, aber der Schrei, der sich in ihm hochkämpfte, erstarb in der Kehle. Er sank zusammen und stürzte vom Pferd.

      Der Mann auf dem Wagenbock stemmte sich gegen die Zügel. Das Gespann stand, er griff nach dem Gewehr. Da peitschte es erneut. Er bäumte sich auf und stürzte kopfüber vom Bock.

      Die Echos verhallten. Die Pferde, die den Wagen zogen, standen ruhig, spielten mit den Ohren und schnaubten mit geblähten Nüstern. Dann erklang pochender Hufschlag. Ein Reiter kam zwischen den Hügeln hervor. Er führte zwei gesattelte Pferde an der Longe. Bei dem rollenden Gefängnis zerrte er die Tiere in den Stand.

      Es war Scott Wilburn. Er grinste. »Ihr habt wohl gedacht, ich hätte euch vergessen, wie?«

      Er schwang sich aus dem Sattel und beugte sich über den Deputy Marshal, der auf dem Gesicht lag und sich nicht rührte. In der Westentasche wurde er fündig. Er holte den Schüssel für die Gittertür des Fuhrwerks heraus und auch den Schlüssel für die Handschellen.

      »Ist auch Zeit geworden, Bruder«, knurrte Lester Wilburn, als ihn Scott Wilburn von den Handschellen befreite. »Dachte wirklich, du hättest das Weite gesucht.«

      Dann waren die beiden Banditen frei. Sie sprangen aus dem Wagen und stiegen auf die Pferde. An den Sattelknäufen hingen Revolvergurte mit schweren Sechsschüssern in den Holstern und Patronen in den Schlaufen. In den Scabbards steckten Winchestergewehre. Lester Wilburn und Glenn Farley legten sich die Patronengurte um und schnallten sie zu. »Wohin Bruder?«, fragte Lester Wilburn. »Du hast doch sicher einen Plan.«

      »Nach Süden. Im Grenzgebiet um El Paso soll sich Tyler Whitlock herumtreiben.«

      »Du hast die verrückte Idee, ihn zur Hölle zu schicken, noch immer nicht sausen lassen?«

      »Es geht nicht nur um Whitlock. Auf Victorio sind 3.000 Dollar Belohnung ausgesetzt. Außerdem wimmelt es dort unten von Rothäuten, für deren Skalps die Armee Prämien bezahlt. Ich denke, im Süden ist unser Platz.«

      »Dann lass uns reiten«, knurrte Glenn Farley. »Es ist sicher nur eine Frage der Zeit, bis man entdeckt, dass wir geflohen sind. Und man wird Suchtrupps ausschicken, die das Land nach uns durchkämmen. Lasst uns also so schnell wie möglich so viele Meilen wie möglich zwischen sie und uns bringen.«

      Sie gaben ihren Pferden die Sporen und stoben davon.

      *

      Nach drei Tagen erreichte Tyler Whitlock El Paso. Er begab sich nach Fort Bliss in der Nähe der Stadt. Der Kommandant kannte ihn bereits. Colonel Miles forderte den Lieutenant auf, Platz zu nehmen. Dann sagte er: »Sie sehen ja ziemlich fertig aus, Lieutenant. Wo sind Ihre Leute? In welcher Mission waren Sie unterwegs?«

      »Ich bin alleine, Sir«, kam es staubheiser von Whitlock. »Meine Mission lautete, Victorio zu finden und ihn zu bewegen, sich zu ergeben und ins Reservat zurückzukehren. Leider war sie nicht von Erfolg gekrönt. Und nun dürfte es nach allem, was in der Zwischenzeit vorgefallen ist, keine Möglichkeit einer friedlichen Beilegung des Krieges mehr geben.«

      »Die Apachen haben in Texas, New Mexiko und Mexiko eine Spur des Todes gezogen. Einer unserer Patrouillen ist es gelungen, nach einem Gefecht vier Krieger festzunehmen. Sie werden morgen früh öffentlich gehängt.«

      Whitlock stieß die verbrauchte Atemluft scharf durch die Nase aus. »Das ist dem Frieden sicher nicht zuträglich, Sir.«

      »Es ist die Sprache, die diese Barbaren verstehen. Es ist unumstößlich. Sie wurden zum Tode verurteilt und die Hinrichtung ist für morgen früh festgesetzt.«

      Whitlock presste die Lippen zusammen.

      »Wer ist auf die Idee gekommen,