der Kommissar nach.
„Nein, hab ich nicht!“, schrie der Mann jetzt beinahe, was den Beamten doch etwas verdächtig vorkam. Beide schienen jedoch diese Befragung nicht weiterführen zu wollen, denn Joska sagte in ruhigem Tonfall:
„Das war´s fürs Erste, Herr Bockmeyer. Halten Sie sich aber bitte weiterhin zu unserer Verfügung. Sie finden alleine hinaus?“
„Ja. Guten Tag die Herren!“, sagte Harald Bockmeyer erleichtert und rauschte hinaus.
„Der Typ hat was zu verbergen, da bin ich ganz sicher. Aber was und wie kriegen wir das raus?“, fragte Joska und sah seinen Kollegen herausfordernd an. „Wen außer den Familienmitgliedern könnten wir noch befragen? Edith Bockmeyer hat ja anscheinend sehr zurückgezogen gelebt, hatte keinerlei Kontakt zu irgendwem - außer zu ihrem Arzt, aber der konnte uns ja auch nichts weiter sagen. Es ist zum Verrücktwerden!“
„Und selbst wenn das Labor herausfinden sollte, dass in einer der Flaschen das Gift drin war, hilft uns das auch nicht viel weiter. Außer sie finden noch andere Fingerabdrücke auf den Flaschen als die der alten Bockmeyer, aber daran glaub ich nicht“, seufzte auch Sascha und beide verfielen in grüblerisches Schweigen. Da hinein platzte ausgerechnet ihre Chefin.
„Was ist denn mit euch los? Ihr seht ziemlich niedergeschlagen aus! Der Fall aus Ottenbach?“, fragte sie und setzte sich zu ihnen.
„Jap!“, sagte Joska und setzte seine Vorgesetzte schnell in Kenntnis der momentanen Lage. „Alle Familienmitglieder haben wir befragt und keiner will es gewesen sein und keiner weiß was. Wenn auf den Flaschen keine weiteren Fingerabdrücke drauf sind, weiß ich gerade auch nicht, wie wir da weiterkommen sollen!“, bekannte Joska und seufzte vernehmlich.
„Dann wartet doch erstmal dieses Ergebnis ab. Vielleicht ergibt sich daraus dann eine erste Spur. Falls nicht, solltet ihr mal in der Vergangenheit von Edith Bockmeyer nachforschen. Vielleicht findet ihr da ein Motiv für den Mord. Bevor wir nicht alles versucht haben, lege ich den Fall nicht als Selbstmord zu den Akten!“, bestimmte die Chefin und ließ ihre beiden jungen Kollegen wieder alleine.
„Nachforschungen in die Vergangenheit - das ist doch dein Metier, Sascha“, sagte Joska hoffnungsvoll, denn dazu hatte er überhaupt keine Lust. „Ich höre mich in der Gegenwart bei den Ottenbachern noch ein bisschen um. Mit irgendjemandem muss die Frau doch Kontakt gehabt haben!“
„Guter Plan, ich klemm mich gleich dahinter. Du fährst auch gleich nach Ottenbach?“
„Nein, ich gehe erst nochmal meine Fortbildungsunterlagen durch. Zur Mittagspause fahre ich dann nach Hause zu Noras Familie zum Essen und danach versuche ich was rauszufinden“, entschied Joska und ging nicht ganz so schwungvoll wie sonst in sein Büro. Eigentlich hatte er heute keinen Elan mehr zum Lernen, aber er musste! Die Prüfungen standen bald an und wegen des neuen Falls würde er noch weniger Zeit zum Büffeln haben. Seufzend setzte er sich an seinen Schreibtisch, jedoch nicht ohne sich vorher bei Lola einen Kaffee bestellt zu haben.
7
Die sechsundzwanzigjährige Messermacherin Nora Angerer hatte sich sehr gefreut, als ihre Mutter verkündet hatte, dass ihr Freund Joska heute mit ihnen zu Mittag essen würde. Delfina Angerer kochte jeden Mittag für die ganze Familie und so saßen sie nun zu sechst in der großen Küche des alten Wohnhauses von Noras Großeltern, in dem sich auch die Messerwerkstatt befand. Nach deren Tod war nun nur noch die Werkstatt in dem Einfamilienhaus, wohnen wollte darin momentan noch niemand. Nora und ihr zwei Jahre jüngerer Bruder Felix und seine kleine Tochter wohnten lieber noch bei ihren Eltern auf dem Hof, denn keiner von beiden hatte Lust, in dem Haus zu wohnen, in dem sich auch die Firma befand. Wer da wohnte, hatte auch die meiste Arbeit mit allem, da waren sie sich einig. Es war dann bestimmt schwer, Arbeit und Privates zu trennen. Man hatte aus Sicherheitsgründen eine stabile Tresortüre in einen der Kellerräume eingebaut, wo die wertvollsten Materialien und Messer gelagert wurden. Als das Haus noch bewohnt und ein Hund da war, hatten sich die Angerers noch sicher gefühlt. Aber jetzt stand das Haus nach Feierabend, nachts und an den Wochenenden leer und deshalb hatte man auch noch eine Alarmanlage installieren müssen. Leider hatte es in der letzten Zeit immer mal wieder Einbrüche im beschaulichen Ottenbach gegeben - die angebliche „Heile Welt“ bekam auch hier erste Risse.
„Da es sich im Dorf ja wahrscheinlich eh schon rumgesprochen hat, dass die Edith Bockmeyer gestorben ist, kann ich mit euch ja drüber reden“, fing Joska nach dem Essen an. „Ach ja, Delfina - dein Essen war wieder wunderbar, wie immer! Danke, dass ich so kurzfristig noch was abgekriegt hab!“, fügte er noch schnell hinzu, da er wusste, wie sehr sich seine Schwiegermutter in spe über ein Kompliment freute. Der inzwischen Dreißigjährige staunte immer wieder über die aus Portugal stammende Delfina. Mit ihren vierundfünfzig Jahren, ihren pechschwarzen langen, gewellten Haaren und ihren weiblichen Kurven war sie auch heute noch sehr attraktiv. Besonders auffallend waren ihre stahlblauen Augen mit den dichten Wimpern, ihr herzförmiger Mund und die leicht aufstrebende kleine Nase. Die letzten beiden Eigenschaften hatte sie an ihre Tochter weitergegeben, auch die Dichte der Haare, jedoch nicht ihre Farbe - Nora hatte lange, feuerrote Locken, wunderschöne, moosgrüne Augen und jede Menge Sommersprossen, die Joska besonders an ihr liebte.
„Danke dir, Joska! Ich freue mich doch immer, wenn du mal ein bisschen Zeit für uns hast! Wir wohnen zwar im selben Haus, aber wir sehen uns viel zu selten und wenn, dann nur kurz“, seufzte die rassige Mittfünfzigerin, die ihre portugiesischen Wurzeln nicht verleugnen konnte. Familie war für sie das Wichtigste und sie hielt mit ihrer mütterlichen Art alles zusammen.
„Das stimmt wohl, aber was will man machen?“, entgegnete Joska und schaute dennoch schuldbewusst drein. Nora ging darauf jedoch nicht ein, sie interessierte natürlich etwas ganz anderes.
„Warum ist der Fall Bockmeyer auf eurem Tisch gelandet?“
„Ach Noralein ...“, fing ihr Freund aufseufzend an, doch seine Freundin beantwortete sich ihre Frage gleich selbst:
„Das darfst du mir aus ermittlungstechnischen Gründen nicht sagen, ja ... ja ... ich weiß! Tut mir leid, dass ich überhaupt gefragt hab“, schnappte sie und war nicht sauer auf Joska, sondern auf sich selbst. Nach inzwischen vier Kriminalfällen, in die sie jedesMal irgendwie verwickelt gewesen war, sollte sie doch wissen, wie der Hase lief. Ihr Mundwerk war halt wie so oft mal wieder schneller gewesen als ihr Verstand. „Du weißt doch, wie das läuft Nora. Allerdings ist es im Fall Bockmeyer noch nicht erwiesen, ob es Mord oder Selbstmord war und genau das müssen wir jetzt herausfinden. Dafür werde ich mich hier im Ort umhören und da kann ich ja auch gleich mit euch anfangen, wenn ihr kurz Zeit dafür hättet?“, meinte Joska und schaute die Messermacher nacheinander an: Noras Vater, den Firmenchef Jakob Angerer, der inzwischen eigentlich schon in Rente gehen könnte, sein zehn Jahre jüngerer Bruder Tobias und Noras Bruder Felix, der mit seinen vierundzwanzig Jahren bereits Vater war. Seine kleine Tochter Malina war gerade in der Obhut seiner Freundin, die momentan Semesterferien hatte.
„Du kannst uns gerne während der Arbeit befragen, Joska. Wir müssen für die nächste Messe noch einiges fertigmachen und sollten gleich wieder an die Arbeit“, bestimmte das Familienoberhaupt und ohne zu murren begaben sich alle wieder in die Werkstatt, deren Räume direkt neben dem Wohnbereich waren. Die familiäre Atmosphäre gefiel den Kunden immer sehr gut, wurden die Gespräche und die Präsentationen der Messer doch im gemütlichen Wohnzimmer abgehalten.
„Also, dann legen wir mal mit der Befragung los!“, verkündete der junge Kommissar und setzte sich auf einen kleinen Hocker neben Noras Arbeitsplatz. „Kanntet ihr die Edith Bockmeyer?“
„Nein“, kam es einstimmig, was Joska sofort entmutigte. Dennoch fragte er weiter:
„Und den Rest der Bockmeyers?“
„Wer ist das denn alles? Ich kenne nur den Harald und den Hugo“, sagte Nora und nun keimte doch Hoffnung in ihrem Freund auf. Joska wollte natürlich nicht, dass seine Freundin schon wieder in einen seiner Fälle verwickelt wurde. Aber wenn sie Informationen darüber hatte, musste er sie sich zumindest anhören.
„Fangen wir mit Harald an. Den kennst du also