Jens Oberheide

Schröders Geist und Mozarts Noten


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etwas länger.

      Wolfgang Amadeus Mozart: Kindheit auf Tournee

      Am 27. Januar 1756, abends um acht Uhr wurde in Salzburg in der Getreidegasse 9 ein Knabe geboren. Sein Vater war der fürstbischöfliche Kammermusikus Leopold Mozart (1719–1787), seine Mutter Anna Maria Mozart, geb. Pertl (1720–1778). Der Knabe war das siebte Kind seiner Eltern, aber erst das zweite, das überlebte. Sie tauften ihn am Vormittag nach seiner Geburt im Dom von Salzburg auf die Namen Joannes Chrysostomus Wolfgangus Theophilus. Sein Rufname war Wolfgang, Wolferl oder auch Woferl. Er selbst nannte sich später meist Wolfgang Amadé Mozart. So signierte er auch. Erst die Nachwelt hat das zu Amadeus latinisiert.

       Der junge Mozart entsteigt einer Kutsche, zeitgen. Stich

      Schon als Kleinkinder erhielten Mozart und seine fünf Jahre ältere Schwester (»Nannerl«) vom Vater Musikunterricht. Mozart lernte Klavier, Violine und Komposition als er vier war. 1761, da war er fünf Jahre alt, entstanden die ersten Werke des Wunderkindes, vom Vater »Wolfgangerl Compositiones« genannt. 1762 trat der Sechsjährige erstmals öffentlich auf und ging mit Vater und Schwester auf Tournee.

      Leopold Mozart präsentierte dem staunend lauschenden Adel (und zahlenden Anderen) seine Wunderkinder. Der junge Wolfgang »führte nicht allein die Konzerte der berühmtesten Meister von Europa mit solcher Kunst aus, dass man darüber erstaunte, sondern er komponierte auch selbst« (aus einem zeitgenössischen Zeitungsbericht). Vater Leopold hatte darüber hinaus nahezu zirzensische »Nummern« einstudiert, in denen der Siebenjährige brillierte: »Man legte ihm Stücke vor ohne Bass, dass er denselben darunter schriebe …

      Arien, die man ihm vorsang, accompagnierte er nach Gehör …« Schließlich verdeckte man die Klaviertasten mit einem Tuch, »ohne dass dieses ihn hinderte, mit gleicher Richtung und Geschwindigkeit zu spielen.« (Zeitungsberichte)

      Der große Erfolg führte zu einer dreieinhalbjährigen (!) Konzertreise durch die deutschen Lande und Westeuropa. 1764 traf der junge Mozart in London den Sohn des großen Johann Sebastian Bach, Johann Christian Bach (1735–1782), Musiklehrer der englischen Königin (und Freimaurer seit 1762). Bach und der damals achtjährige Mozart musizierten vierhändig (eine sympathische Legende behauptet, sie hätten das vierhändige Klavierspiel »erfunden«).

       Mozart musiziert mit Schwester Maria Anna und Vater Leopold, 1764

      Mozart hat viel von J. Ch. Bach gelernt, wie auch vom Bach-Vater, den er zeitlebens verehrt hat. »Er ist der Vater; wir sind die Bub‘n. Wer von uns 'was rechts kann, hat es von ihm gelernt.« Trotz des großen Altersunterschiedes blieben Johann Christian Bach und Mozart freundschaftlich und musikalisch viele Jahre miteinander verbunden. »Ich liebe ihn von ganzem Herzen – und habe Hochachtung vor ihm«, schrieb Mozart einmal über J. Ch. Bach.

      Als die Mozarts 1766 nach Salzburg zurückkehrten, war Wolfgang Amadé zehn Jahre alt. Da hatte er schon europaweit bei Hofe und auf »Akademien« musiziert und auch in Städten wie Paris, London, Genf, Brüssel, München, Frankfurt und vielen weiteren wahre Triumphe gefeiert.

      Mit acht Jahren hatte er seine erste Sinfonie komponiert, mit zwölf die erste Oper und eine Messe, die er selbst dirigierte. Als er dreizehn war, berief man ihn zum Dritten Konzertmeister der Salzburger Hofkapelle.

      Ausgedehnte Italienreisen waren strapaziös, aber auch ungemein erfolgreich und dauerten über mehrere Jahre. In Bologna studierte er Kontrapunkt und wurde in die dortige »Accademia Filarmonica« aufgenommen. Papst Clemens XIV. ernannte ihn 1770 zum »Ritter vom Goldenen Sporn«. Da war Mozart sechzehn.

      Kleine Randnotiz: Im selben Jahr bestellte die Münchener Loge »Zur Behutsamkeit« beim sechzehnjährigen Mozart einen »Lobgesang auf die feierliche Johannisloge«. Diese Komposition – eine »Auftragsarbeit« gegen Bezahlung – war möglicherweise Mozarts erste Verbindung zu freimaurerischen Inhalten. Er vertonte einen Text des Altenburger Freimaurers Ludwig Lenz »O heiliges Band der Freundschaft treuer Brüder« (KV 148).

      Welch eine Kindheit! Er hat sie überwiegend auf Reisen und in Konzertsälen verbracht, viel bewundert und bestaunt, aber auch wie eine Zirkusnummer vorgeführt und als »Wunderkind« vermarktet.

       Johann Amadeus Mozart im Alter von 6 Jahren, Ölgemälde, verm. von Pietro Antonio Lorenzoni, 1763

      Mozart und Schröder als Teenager: Kinder, Künstler, Karrieren

      »So zog dann die Familie Mozart durch die Lande … wie eine Seiltänzerfamilie, ehrbarer zwar und solide, in einer eigenen Moral ihrer Aufgabe verhaftet, dennoch: Fahrendes Volk, angewiesen auf Glück und Gunst, auf Witterung und Gesundheit, abhängig vom Wohlwollen der Großen, deren Privileg es war, Schicksale zu bestimmen oder zumindest zu beeinflussen.«

       (Wolfgang Hildesheimer: „Mozart“, Frankfurt 1977)

      »Zu diesen in früher Jugend vom Schicksal hart angefassten und stark gezausten (Menschen) gehörte auch Schröder. Ein Fahrender ist er gewesen, vom Tage seiner Geburt an …«

       (Berthold Litzmann: „Der große Schröder“, Berlin u. Leipzig 1904)

      »Wenn Hunger und Elend Menschen bilden können, so muss ich vollkommen geworden sein.«

       (Friedrich Ludwig Schröder)

      Wie die Streiflichter durch die Kindertage der beiden Protagonisten zeigen, waren sie im »Teenager-Alter« schon fertige Künstler. Man könnte sagen: Ja, das Wunderkind Mozart! Oder: Schröder blieb ja nichts anderes übrig als die Bühne. Man darf aber nicht vergessen, dass Genie und Fleiß zusammengehören. Und meist muss noch eine Portion Ehrgeiz hinzukommen. Nichts geschieht von selbst. Auch eine geniale Veranlagung muss erst einmal entwickelt werden. Bei Mozart tat das der ehrgeizige Vater ziemlich uneigennützig (er war selbst ein hervorragender Musiker). Er war davon überzeugt, wie er einmal an seinen Sohn schrieb, »dass ich in meinem Leben mehr für dein Glück und Vergnügen, als für das meinige besorgt war …« Bei Schröder taten das die Lebensumstände auf der Wanderbühne, ein gestrenger Stiefvater und eine liebevolle Mutter, die alles daran gesetzt hat, ihren Sohn weg vom Rebellen und hin zum ernst zu nehmenden Schauspieler zu erziehen.

      Man darf sich die jungen Schröder und Mozart tagsüber in der Kutsche und im Wohnwagen und abends auf der Bühne oder im Konzertsaal vorstellen. So sind beide kreuz und quer durch Europa getingelt.

      Dieses unstete Leben ließ bei den reisenden Künstlerkindern wenig Platz zum elementaren Lernen. Das musste gleichsam nebenbei passieren. Leopold Mozart gab sich größte pädagogische Mühe (nicht nur in musischer Hinsicht). Sophie Charlotte Ackermann hat immerhin versucht, ihren Sohn zwischendurch auch mal an Schulen unterzubringen. Der »Rest« ergab sich durchs Leben selbst, durch Einflüsse von außen, durch Selbststudium, diszipliniertes Auswendiglernen und Interpretieren. Natürlich musste man dafür lesen und schreiben (und begreifen!) können. Allgemeinbildung fand für die Jungen (manchmal) am Rande statt. Durch europaweite Auftritte konnten Mozart und Schröder schließlich recht gut Englisch, Französisch und Italienisch reden und schreiben. Beide hatten auch Grundkenntnisse in Latein. Auf diese Weise hatten sie mehr Wissen und schulische Bildung als die meisten ihrer Altersgenossen.

      Und die Defizite versäumter Kindheit?

      Wir dürfen Mozart abnehmen, dass er (subjektiv) nicht wirklich unter dem Verzicht auf »Kindheit« gelitten hat. Er hat sich auch niemals über sein Schicksal beklagt. Die Musik war seine Welt, in ihr ging er ganz auf. Sie war sein Leben.

      Und Schröder? Außer dem Theaterleben