im Gesundheitswesen zusätzlich zu steigenden Kosten.
Abb. 1.1Entwicklung der Kostengewichte im SwissDRG-System am Beispiel einer Lungenentzündung mit Chronischer Nierenerkrankung im CKD-Stadium III und Akuter Respiratorischer Insuffizienz in der ABGA bei Aufnahme.
Die in Abbildung 1.2 gezeigte Schere von tendenziell sinkenden Erträgen und steigenden Kosten führt ab einem bestimmen Zeitpunkt unweigerlich zu einer ökonomischen Bedrohungslage für jede Klinik, zu finanziellen Schwierigkeiten bei notwendigen Investitionen und auch zu Unsicherheiten bei Mitarbeitern, Patienten und der Bevölkerung.
Es spielen jedoch nicht nur rein ökonomische Überlegungen eine Rolle. Bereits in der Einleitung haben wir unsere Grundhaltung formuliert:
Als im Gesundheitswesen und in der täglichen Patientenversorgung Tätige sollten wir den Anspruch haben und das Ziel verfolgen, zugunsten unserer Patienten eine qualitativ hochstehende Patientenversorgung zu akzeptablen Kosten anbieten zu können. Dieses Idealbild einer guten, zweckmässigen und bezahlbaren Medizin sollte uns antreiben.
Auch als Arbeitgeber hat eine Klinik eine grosse Verantwortung. Eine im schlimmsten Fall aufgrund einer finanziellen Schieflage von einer Schliessung betroffene Klinik stellt ein Bedrohungsszenario dar für Arbeitsplätze, Einkommen, Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten und jegliche berufliche Zukunft seiner Mitarbeiter.
Des Weiteren stellt eine Klinik, die eine kosteneffiziente und qualitativ hochstehende Medizin anbieten kann, einen gesamtgesellschaftlichen Nutzen dar: Es ist zweifelsohne für die Bevölkerung von grosser Bedeutung, wenn eine/ „ihre“ Klinik auch noch in 10 oder 20 Jahren die medizinische Versorgung für diese sicherstellen kann.
Abb. 1.2Wie dem interessierten Leser bekannt ist, sinken die Erträge im Gesundheitssystem durch diverse Einflussgrössen. Gleichzeitig steigende oder auch nur gleichbleibende Kosten führen ab einem bestimmten Zeitpunkt im Pauschalsystem dazu, dass die Erträge nicht mehr grösser sind als die Kosten, sondern umgekehrt. Also was tun?
Es ist somit unmissverständlich klar, dass eine Klinik – wie jedes Unternehmen auch – sich um ihre Performance, also um die Leistungsfähigkeit, Gedanken machen sollte. Es braucht grosse Anstrengungen, eine Vielzahl von Massnahmen, neue Ideen und Projekte, um den geschilderten Herausforderungen im Gesundheitssystem zu begegnen.
Wie wir in Kapitel 1.2 übersichtsartig beschreiben werden, sind Gedanken zur Performance-Steigerung nicht neu und in der Geschichte anhand von vielen Beispielen zu finden.
1.2 Der Begriff „Performance“ und ein Blick in die Geschichte
Der Begriff „Performance“ kommt aus dem Englischen und kann im Gesamtkontext dieses Buches wohl am besten übersetzt werden mit „Leistung“ (1), „Leistungsfähigkeit“ oder „Ausmass des Erfolges“ (2).
Das Prinzip, sich mit der Leistung, der Leistungsfähigkeit oder der Fertigungsqualität unter gemessenen Kosten einzelner, von Gruppen oder Organisationen zu beschäftigen und diese zu bewerten, ist nicht neu. In der Geschichte finden sich zahlreiche interessante Beispiele von Leistungsbewertungen und Personalbeurteilungen:
Gemäss Koontz (3) fanden bereits zurzeit der Wei-Dynastie (AD 221–265) im alten China Leistungsbewertungen statt, als der damalige Herrscher einen „imperialen Bewerter“ anstellte, der die Leistung einzelner Familienmitglieder beurteilte. In der Mitte des 16. Jahrhunderts etablierte der spanische Priester und Theologe Ignatius von Loyola (1491–1556) ein formales Bewertungssystem für die Mitglieder des Jesuiten-Ordens (4). In der Industrie findet man erste Aufzeichnungen über die Leistungsbewertung bei Robert Owen Anfang des 19. Jahrhunderts, der die Leistungsfähigkeit seiner Baumwollmühlen in Schottland beurteilte, indem er verschiedenartig gefärbte Körbe aufstellte, welche über dem Arbeitsplatz eines jeden Arbeiters zu sehen waren.
Eines der ersten Leistungsbewertungssysteme wurde entwickelt vom amerikanischen Ingenieur Frederick Taylor (1856–1915) und seinen Nachfolgern vor dem Ersten Weltkrieg. Walter Scott, der sich in seiner Arbeit sehr von Taylor beeinflussen lies, führte um 1917 erstmals Leistungsbewertungen der Arbeiter in der Industrie ein und erfand die „Man to Man Comparison Scale“ (5). Systematische Mitarbeiterbeurteilungen erhielten auch in der US-Armee in den 1920er-Jahren Einzug. Während in den 1960er- und 1970er-Jahren jährliche Leistungsbewertungen in vielen verschiedenen Unternehmen und Branchen eingeführt wurden, findet man den Begriff des aktiven „Performance Managements“ als solchen in der Literatur erstmals in den 1970er-Jahren. Jedoch erst in der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre wurde „Performance Management“ als eigenständiger Prozess etabliert, wenngleich er in unterschiedlichen Branchen sehr unterschiedlich gehandhabt und interpretiert wurde.
Auch wenn man den Eindruck gewinnen mag, dass Performance Management im Gesundheitswesen ein relativ neues Phänomen ist, so sollte man wissen, dass bereits im Jahre 1754 das Pennsylvania Hospital Outcome-Daten von Patienten sammelte, sortiert nach diagnostischen Gruppen. Ernest A. Codman, ein amerikanischer Chirurg am Massachusetts General Hospital, setzte sich bereits ab ca. 1900 für ein generalisiertes Performance Assessment ein (6).
Zu den wirklichen Anfängen des Performance Managements im Gesundheitswesen kann das Jahr 1953 gezählt werden, als das US-amerikanische Joint Commission on Accreditation of Hospitals (JCAH), eine Nachfolgeorganisation des American College of Surgery (ACS), Akkreditierungen für Kliniken und damit verbundene Standards anbot. Im Jahre 1973 verabschiedete der US-amerikanische Kongress unter Präsident Nixon den sogenannten HMO-Act (7), welcher nicht nur die Entstehung von profit-orientierten Health Maintenaince Organizations (HMOs) unterstützte, sondern auch einen Prozess für eine landesweite Akkreditierung etablierte. Genau dieser Prozess kann als eines der ersten externen Performance-Messungssysteme angesehen werden, da die einzelnen HMOs verschiedene Kriterien medizinischer Standards, das Vorhandensein eines Qualitätsmanagements, den Nachweis finanzieller Stabilität u.a. erfüllen mussten.
Zu Beginn der 1990er-Jahre wurde eine Reihe von Konzepten und Tools des Qualitätsmanagements und der Qualitätssteigerung aus der Industrie in den Gesundheitssektor übertragen. Pioniere dieser Arbeit waren u.a. Joseph Juran und J. Edwards Deming, die den Nachweis einer erfolgreichen Anwendung industrieller Prozesse in den Gesundheitssektor erbrachten, um unter anderem Kosten zu reduzieren. Es folgten verschiedene Anstrengungen, um die Qualität im Gesundheitswesen anhand von Prozessen und des Outcome zu messen. So z.B. zählt das Joint Commission on Accreditation of Healthcare Organizations (JCAHO) zu nicht gewinnorientierten Organisationen, welche zahlreiche verschiedene medizinische Einrichtungen nach Outcome-Daten und anderen Leistungskennzahlen bewertet und Akkreditierungen vergibt.
Auch wenn man aus den vorangegangenen Schilderungen entnehmen kann, dass es durchaus auch im internationalen Gesundheitswesen eine jahrzehntelange Geschichte von Performance-Management-Bemühungen gab, so bleibt doch festzuhalten, dass die klassische Industrie dem Gesundheitswesen in der Entwicklung, Implementierung und Anwendung von Leistungskennzahlen und dazugehörigen Systemen weit voraus war, es heute immer noch ist und sich seit jeher in einem sehr dynamischen Umfeld bewegt. So war Kelly Services, ein mit Hauptsitz im US-Bundesstaat Michigan ansässiger, international vertretener Personaldienstleister, das erste grosse Unternehmen, welches im Jahre 2011 die klassischen, turnusweise wiederkehrenden Leistungsbeurteilungen von Mitarbeitern und Teams wieder abschaffte und stattdessen überging zu häufigeren, jedoch informelleren Feedbacks. Adobe als allseits bekanntes Softwareunternehmen folgte ein Jahr später und verzichtet seit 2012 auf jährliche sogenannte „Performance Reviews“ (8).
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