Mario Ludwig

Das Familienleben der Tiere


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zusammenhängt, das im Körper für den Alkoholabbau verantwortlich ist. Dieses Enzym kommt beispielsweise bei oben erwähnten Staren in rund 14-fach höherer Konzentration vor als bei Menschen, das heißt, die Piepmätze können Alkohol wesentlich schneller abbauen als wir. Nach Ansicht der Wissenschaftler handelt es sich bei der guten Alkoholverträglichkeit mancher Tiere um eine Präadaption der Evolution, die es Tieren ermöglichen soll, alkoholhaltige Nahrung, wie zum Beispiel im Herbst vergorene Früchte, zu verzehren, ohne gleich die Kontrolle über ihre Körperfunktionen zu verlieren.

      Wenn es um den besten Vater im Tierreich geht, dann steht Campbells Zwerghamster im Ranking mit Sicherheit ganz weit oben. Von dem können sogar die allermeisten menschlichen Väter zumindest in Sachen Geburtshilfe noch eine Menge lernen. Die Männchen der kleinen Nager, die in den Steppen Russlands, der Mongolei und China zu Hause sind und sich dort von Kräutern und Grassamen, aber auch Insekten ernähren, stehen der Mutter ihrer Kinder schon beim Geburtsvorgang bei. Eine Hilfe, die sich jedoch nicht nur wie bei menschlichen Vätern auf mitfühlendes Pfötchenhalten bei den Strapazen der Geburt beschränkt. Nein, die Männer der rund neun Zentimeter großen Hamster leisten aktive Geburtshilfe und ziehen, ähnlich wie eine Hebamme, ihren Nachwuchs aus dem Geburtskanal des Weibchens. Danach befreien sie ihren Sprössling aus der Fruchtblase und belecken liebevoll die Nasenlöcher des Neugeborenen, um so für freie Atemwege zu sorgen. Nachdem der Geburtsvorgang unter tüchtiger Mitthilfe des Vaters erfolgreich absolviert worden ist, kommt es zu einem äußerst harmonischen, aber aus menschlicher Sicht doch gewöhnungsbedürftigen „Dinner for Two“. Herr und Frau Zwerghamster verspeisen in schönster Eintracht die Nachgeburt – sozusagen ein kulinarischer Abschluss der gemeinsamen Geburtsbemühungen.

      Kanadische Wissenschaftler von der Queen’s University in Ontario haben mittlerweile auch herausgefunden, dass der Grund für diese im Tierreich wahrscheinlich einzigartige Hebammentätigkeit der Zwerghamsterväter in ihren Hormonen steckt. Im Gegensatz zu anderen Hamsterarten zeigen die Männchen von Campbells Zwerghamster in den Tagen vor der Geburt erstaunlicherweise Hormonveränderungen, die denen der werdenden Mutter ähneln und damit ihr fürsorgliches Verhalten plausibel machen: Vor der Geburt steigt im werdenden Vater der Östrogen- und Cortisolspiegel an. Unmittelbar nach der Geburt wird reichlich Testosteron ausgeschüttet und dadurch der Schutzinstinkt des Vaters aktiviert. Übrigens: Die geradezu rührende Fürsorge der Zwerghamstermänner hört keineswegs mit der Geburt des Nachwuchses auf. Ganz im Gegenteil: Die Männchen der kleinen Nager konterkarieren regelrecht das Bild vom Vater im Tierreich, dem die Zukunft seiner Jungen ziemlich egal ist. Sie betätigen sich nicht nur, entsprechend dem menschlichen Klischee, als Heimwerker und übernehmen Reparaturarbeiten am Bau, sondern halten Mutter und Kinder im Nest warm und sind sogar pflichtbewusste Babysitter, wenn sich das Weibchen auf Nahrungssuche begibt.

      Eine Brutstrategie, die im Tierreich wohl einmalig ist, finden wir bei den vielleicht beliebtesten Aquarienfischen der Welt, den Diskusfischen. Sowohl das Weibchen als auch das Männchen dieser ausgesprochen farbenprächtigen Fische, die im Stromsystem des Amazonas leben, haben nach erfolgreicher Paarung eine ziemlich ungewöhnliche Funktion: Sie dienen ihrem frisch geschlüpften Nachwuchs als eine Art lebende Futterstelle oder lebendes Kinderrestaurant. Die Diskusfische produzieren in speziellen Hautdrüsen einen nährstoffreichen Schleim, einen regelrechten Powermix, der den Jungfischen als Nahrung dient. Will heißen, sie stellen ihre Babynahrung einfach selbst her. Die hungrigen Sprösslinge des Paares müssen sich zur Nahrungsaufnahme also lediglich an die Bauchseite von Mama und Papa begeben und dort nur noch das Nährstoffsekret direkt aus der Haut knabbern. Die Fütterung des Nachwuchses folgt dabei stets dem gleichen Prozedere: Wurde ein Elternteil komplett „abgeweidet“, übergibt es die Jungfische an den Partner respektive die Partnerin und macht sich dann sofort daran, in einer Art Regenerationsphase neuen Nahrungsschleim zu produzieren. Die Übergabe der hungrigen Fischsprösslinge ist dabei regelrecht ritualisiert. Das abgeweidete Elternteil schüttelt die Jungfische durch heftige Körperbewegungen ab und das noch mit reichlich Schleim ausgestattete Elternteil winkt sie mit den Flossen herbei.

      Die Diskusfischeltern sorgen aber nicht nur für eine ausreichende Ernährung ihres Nachwuchses, sondern kümmern sich auch um die Gesundheit ihrer Kinder: Sie versorgen ihre Sprösslinge über die „Schleimmahlzeit“ mit großen Mengen lebensnotwendiger Mineralstoffe, wie etwa Kalium, Kalzium und Natrium. Und das nicht nur nebenbei, sondern ganz gezielt: In der freien Natur leben Diskusfische oft in sehr mineralstoffarmen Gewässern, müssen also mit ihrem Mineralhaushalt äußerst sparsam umgehen. Aus diesem Grund hat die Schleimschicht der Fische im Normalfall nur einen geringen Gehalt an Mineralstoffen. Produzieren die Diskusfische allerdings Schleim für den Nachwuchs, erhöhen sie den Mineralstoffgehalt um das Zehnfache. Dadurch ist eine ausreichende Mineralstoffzufuhr für die Jungtiere gesichert. Und als ob das alles noch nicht genug wäre, erhalten die Jungfische mit jeder Mahlzeit noch eine ordentliche Portion an Immunglobulinen – Eiweißen, die eine wichtige Rolle bei der Abwehr von Krankheitserregern im Blut spielen. Die Immunglobuline, die typischerweise eine Y-Form haben, halten Krankheitserreger wie eine Zange fest und lassen sie verklumpen, bis sie von sogenannten Killerzellen endgültig unschädlich gemacht werden. Die Jungfische sind dringend auf diese „Immunglobulingabe“ der Eltern angewiesen, da ihr eigenes Immunsystem zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollständig ausgebildet ist. Es handelt sich also um eine elterliche „Abwehrkräftespende“, wie sie – wenn auch in anderer Form – auch bei uns Menschen vorkommt. Auch wir nehmen als Säugling Immunglobuline mit der Muttermilch auf.

      Die ersten drei Tage ihres Lebens ernähren sich die Jungfische ausschließlich vom Nahrungsschleim ihrer Eltern. Aber etwa ab dem vierten Lebenstag beginnen die kleinen Fische damit, so allmählich auf „frei lebendes“ Futter umzusteigen und verputzen das eine oder andere kleine Krebschen. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass der Nachwuchs immer noch fast zwei Wochen lang auf den Schleim als Grundnahrungsmittel angewiesen ist. Aber irgendwann schließt auch ein „lebendiges Kinderrestaurant“ und ab der dritten Woche kann man einen regelrechten Abnabelungsprozess beobachten, der aktiv von den Eltern betrieben wird: Mutter und Vater Diskusfisch lassen die hungrigen Sprösslinge gerade noch mal eine Minute an ihrem Schleim knabbern, bevor sie den Nachwuchs ziemlich ungehalten durch kräftige Körperbewegungen abschütteln. Und ab der vierten Woche geht in Sachen Kinderrestaurant gar nichts mehr: Nähert sich ein hungriger Jungfisch, um eine leckere Schleimhautmahlzeit zu sich zu nehmen, suchen die Elternfische mit großer Konsequenz das Weite. Schließlich muss ihre Haut nun wieder über einen längeren Zeitraum regenerieren.

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