Dächer der Lobans auf.
»He, Velo, kommt endlich, wir haben es eilig. Ich denke…«
Jerry Walker brach ab. In der Ferne hatte er drei Punkte gesehen, die sich rasendschnell näherten.
Wyatt Earp! schoß es ihm durchs Hirn.
In seiner Panik nahm er den Weißfuchs plötzlich herum und schwenkte nach Südwesten ab.
Velo riß den Colt hoch und jagte ihm einen Schuß hinterher.
Die Kugel stieß Walker den Hut vom Schädel.
Aber der Verbrecher jagte weiter und jetzt zeigte es sich, daß er das bessere Pferd hatte.
Norton hatte einen Fluch ausgestoßen, hielt an und wollte sich auf den Rappen setzen.
Der Hengst ließ ihn aufsitzen, und dann schleuderte er ihn mit einem gewaltigen Bocksprung ab und sprengte nach Osten davon.
Schon nach wenigen hundert Yards traf er auf den Schecken, der sich ihm sofort anschloß und in wildem Galopp neben ihm her ostwärts preschte.
*
Wyatt Earp deutete nach vorn.
»He, Doc, was kommt denn da?«
Der Gambler feixte. »Kenne ich meinen Migo nicht? Der weiß, wo er hingehört. So, Sheriff, jetzt haben Sie zwei Zügelpferde!«
Die beiden fingen ihre Tiere ein, schwangen sich in die Sättel.
Und dann bekam Joe Watson etwas zu sehen: Wyatt Earp drehte sofort nach Südwesten ab, während Doc Holliday noch ein Stück nach Westen jagte.
Watson blieb mechanisch im »Rennen«. Er wagte es einfach nicht, auszusteigen. Mit weitoffenen Augen beobachtete er, wie der Rappenreiter, hoch in die Bügel gestellt und nach vorn geneigt, davonschoß. Und wie der Scheckenreiter in gleicher Weise immer kleiner und kleiner wurde.
Aber sie hatten beide einen ellipsenförmigen Weg zu durchreiten, da sie offensichtlich den Fliehenden den Weg abzuschneiden trachten. Watson blieb auf der geraden Strecke und behielt sie so trotz seiner bedeutend geringeren Geschwindigkeit gut im Blickfeld.
Vorn hatte Jerry Walker jetzt die Savanne vor sich. Vierhundert Yards vor ihm lag der Westcreek.
Norton und Velo waren ihm auf den Fersen, vermochten aber diese Geschwindigkeit nicht zu halten.
Hütten tauchten am Ufer auf. Es waren die Notquartiere der Einwanderer, die aus dem Osten gekommen waren und dem Rancher, auf dessen Land die Jagd jetzt stattfand, schon vor einem Jahr versprochen hatten, ganz bestimmt bald weiterzuziehen.
Als Walker die erste Hütte erreicht hatte, sprang er vom Pferd und riß seinen Revolver hoch.
Norton und Velo kamen heran, rissen die Pferde hoch und sprangen ebenfalls aus den Sätteln.
Schüsse peitschten los. Ihr Echo brach sich über den Wassern des blauen Westcreek.
Die Männer hatten sich hinter Hüttenecken verschanzt.
Plötzlich brüllte Norton: »He, Webster, hör auf. Da hinten kommen deine Freunde!«
Walker starrte um die Ecke und sah Wyatt Earp vorn auf der Savanne heranpreschen. Und unten am Fluß jagte Doc Holliday über den weißen Ufersand heran.
Walker wurde fahl im Gesicht und ließ die Hand mit dem Colt sinken.
Velo sprang auf ihn zu.
»Mensch, vorwärts, die fangen wir ab! Los, Norton, auf die andere Seite! He, da unten kommt ja noch einer!«
Sheriff Watson kam ebenfalls näher.
Doc Holliday war schon vom Pferd gesprungen. Die Uferböschung verbarg ihn jetzt vor den Blicken der Tramps.
Wyatt Earp hatte einen Sprung aus dem Sattel des Rappen gemacht und lag in einer Bodensenke.
Jerry Walker hatte genau gesehen, daß er das Gewehr in der Linken hatte.
»He!« Velo stieß ihn an. »Nur nicht in die Hosen machen, Webster. Die Hunde machen wir kalt. Ich habe schon ganz andere Boys ausgepustet!«
»Walker!« kam da die dröhnende Stimme des Marshals über den Hang.
Der Ranchersohn blickte über den Fluß und senkte den Kopf.
Derb stieß Velo ihn an.
»He, Mensch, denk an das Gold. Du bist ja ein elender Angsthase. Sollst mal sehen, wie Jube und ich die Jungs mit Kugeln jetzt auseinandersägen!«
Pientsch! Die Kugel kam von der Uferböschung und riß Cass Velo den Hut vom Schädel.
»Hölle! Mensch, dich zerhacke ich!«
»Nichts wirst du!« brüllte Walker plötzlich los. »Es ist aus! Velo! Aus, Norton!«
»Er ist übergeschnappt!«
Norton rief hinter seinemVersteck hervor: »Mann, binde die Hosen zu, diese Burschen zerfetzen wir leicht. Da hat es schon schwerere Sachen gegeben. Ist nur Augenblickssache. Denk an das Gold…«
Da trat Jerry Walker zum Schrekken seiner Kumpane hinter der Dekkung hervor.
»Yeah, Jube, ich habe Gold. Oben in meiner Ranch. In der Ranch meines Vaters. Ich will dir alles geben, wenn du die beiden Männer da aufhalten kannst.« Und mit weithin schallender Stimme rief er: »Aber vorher will ich dir sagen, mit wem du dich da einläßt. Es sind Wyatt Earp und Doc Holliday!«
Sheriff Watson hatte sein Pferd angehalten.
»Wyatt Earp und Doc…« Die Stimme versagte ihm.
Norton war der Unterkiefer heruntergefallen, und plötzlich bekam er einen harten Stoß in die Rippen. Als er sich umblickte, sah er in die eisblauen, harten Augen des Gamblers.
»Nimm die Hände hoch, Langer!«
Und drüben war der Missourier längst aus seiner Mulde verschwunden. Er war im Halbkreis hinter die Deckung Walkers und Velos gerobbt.
»Hands up!«
Velo warf sich herum und schoß.
Aber die Kugel des Marshals riß ihn um. Oben rechts in der Brust getroffen, lag er am Boden, nicht lebensgefährlich verletzt, aber total kampfunfähig.
Norton wurde von dem Georgier entwaffnet.
Und Jerry Walker warf seinen Revolver dem Marshal vor die Füße.
Wyatt sah sich nach Watson um. »Hallo, Sheriff, Sie könnten die drei nach Hickory ins Jail bringen.«
Jim Thorpe war ein herkulisch gebauter Bursche mit hartem, ledernem Gesicht und hellen Falkenaugen. Er trug die Tracht eines Cowboys, hatte an jeder Hüftseite einen achtunddreißiger Revolver hängen und ritt einen jener tiefbraunen Sierragäule, die in der südöstlichen Ecke Arizonas zu Hause waren.
Thorpe stammte aus Nogales. Der Vater hatte dort einen Drugstore betrieben. Die Mutter war seit fünf Jahren tot. Das Gelbe Fieber hatte sie dahingerafft.
Jim war als Fünfzehnjähriger von daheim ausgerissen. Der Vater hatte weder eine Möglichkeit gehabt, ihn festzuhalten, noch ihn suchen zu lassen. Well, der Sheriff war ein paar Tage in der Umgebung auf Suche gewesen, aber er wußte wie jeder andere in der Stadt, daß Jim Thorpe weggeritten war.
Er blieb tatsächlich verschwunden.
Bis man eines Tages – nach sieben Jahren – von einem Bandenüberfall auf die Bank von Stafford hörte, bei dem einer der Täter als der dreiundzwanzigjährige Jim Thorpe bezeichnet wurde. Es war nur eine Vermutung des Sheriffs von Stafford, aber eine fürchterliche Vermutung, die schnell die Runde machte.
Das war der Tag, an dem sich der alte Thorpe erhängte.
Sein Sohn, der Bandit, erfuhr nichts davon. Ein Mann, der sich das Leben nahm, war uninteressant.
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