Günter Dönges

Butler Parker Staffel 9 – Kriminalroman


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      Sie barst unter der Wucht eines dicken Steines und löste sich klirrend in ihre Bestandteile auf.

      Banding schnappte nach Luft und konnte nicht reagieren. Dann aber hechtete er hinter seinen Schreibtisch, zog seine Dienstwaffe und feuerte Schuß auf Schuß in die Dunkelheit.

      Dabei zog er sich den ehrlichen Unwillen einiger Anwohner zu. Er zertrümmerte nämlich mit einem Schuß eine Schlafzimmerscheibe, zerhämmerte mit einem zweiten Schuß die Wasserleitung einer Küche und sorgte so für eine nächtliche Überschwemmung und erreichte mit dem dritten Schuß, daß eine ängstliche Jungfer einen hysterischen Anfall erlitt.

      Der Rest der Schüsse aus der schweren Dienstwaffe landete erfreulicherweise ohne weitere Wirkung irgendwo in der Dunkelheit. Auf Grund dieser nächtlichen Schießerei wurde Lemmon Bay überraschend lebendig. Licht flammte in den Häusern und Wohnungen auf, Rufe wurden laut, und Menschen rotteten sich auf dem Marktplatz zusammen.

      Der Vorleser aus der Hotelbar befand sich mitsamt seinen Freunden unter ihnen und nutzte die Gelegenheit, seine Lesekenntnisse noch mal deutlich zu unterstreichen. Er verlas laut die Mitteilung auf dem Zettel.

      Worauf sich alle mehr oder weniger direkt zu Sheriff Banding umdrehten, der gerade aus dem Office kam.

      Die Bewohner von Lemmon Bay schienen in etwa begriffen zu haben. Ihre Blicke erreichten eine zusätzliche Wirkung, die wie ein Zeichen des Himmels auf sie wirkte.

      Banding, der eine Winchester in der Hand hielt, zuckte plötzlich zusammen und faßte blitzschnell nach seiner Nase.

      Dann erst stöhnte er auf und ging leicht in die Knie.

      Was mit einer Tonmurmel zusammenhing, die seine Nase haargenau getroffen hatte.

      Banding fühlte sich zu recht unter Beschuß genommen und wollte zurück in sein Büro flüchten.

      Eine zweite Tonmurmel hinderte ihn daran.

      Sie landete auf seinem Hinterkopf, worauf Banding das Gewehr weg – die Arme hoch in die Luft warf und dann zu Boden ging.

      Durch die Menge auf dem Marktplatz ging ein erstauntes Raunen.

      *

      »Sehr gut«, sagte Rander zufrieden und nickte seinem Butler zu, der die Gabelschleuder gerade wieder zusammensteckte, »bei dem Büchsenlicht war das eine reife Leistung!«

      »Ich bin glücklich, Sir, daß Sie mit mir zufrieden sind«, erwiderte Parker, »darf ich daran erinnern, daß jetzt Mister Malone auf dem Programm steht?«

      »Lassen wir ihn auf keinen Fall warten«, sagte Rander lächelnd. Er und sein Butler standen auf dem Dach einer nahen Scheune. Von dort aus hatte der Butler seine seltsamen Geschosse mittels der Gabelschleuder auf die Luftreise geschickt.«

      »Darf ich noch um etwas Geduld bitten, Sir?«

      »Sie warten noch auf Folders, nicht wahr?«

      »In der Tat, Sir! Für ihn habe ich mir eine kleine Überraschung ausgedacht. Er müßte jetzt, wo immer er auch bisher war, erscheinen, nachdem sein Vorgesetzter moralisch und physisch getroffen worden ist.«

      *

      Der wahre Boß von Lemmon Bay befand sich in seinem Haus und wanderte unruhig durch die große Halle.

      Schon seit Stunden wartete er auf die Rückkehr seiner beiden Leibwächter Crampel und Linton. Irgend etwas mußte passiert sein, das war ihm klar.

      »Kann ich dir irgendwie helfen Daddy?« fragte seine Tochter Judy von der Galerie herunter. Malone zuckte erschreckt zusammen, schaute nach oben und schüttelte den Kopf Es paßte ihm nicht, daß Judy nach unten kam, aber er ließ sich nichts anmerken.

      »Was ist denn?« fragte Judy, als sie vor ihrem Vater stand.

      »Nichts. Leg dich wieder hin!«

      »Du machst dir Sorgen, nicht wahr?«

      »Unsinn, Kind!«

      »Du hast deinen Meister gefunden, gib es doch schon zu, Daddy!«

      »Wie, bitte?«

      »Du hast deinen Meister gefunden«, wiederholte Judy Malone eindringlich, »du weißt es längst, aber du willst es nicht wahrhaben.«

      »Wovon redest du eigentlich?«

      »Von Rander und Parker«, sagte Judy, »glaubst du, ich hätte nicht mitbekommen, was in Lemmon Bay passiert ist? Die Spatzen pfeifen es von den Dächern.«

      »Was denn, zum Beispiel?«

      »Daß deine Tage gezählt sind, nämlich als Boß von Lemmon Bay. Du hast dein Spiel restlos überzogen, Daddy, weil du den Hals nicht voll genug bekommen konntest!«

      »Wie redest du denn mit mir? Scher dich hinauf in dein Zimmer!«

      »Wahrheiten und Tatsachen hast du nie ertragen, wenn sie gegen dich sprachen«, erwiderte Judy Malone, ohne sich beirren oder beeindrucken zu lassen, »gesteh dir endlich ein, daß du verlierst! Und ich, deine Tochter, freue mich darüber.«

      »Du weißt ja nicht, was du sagst, Judy. Für wen tue ich denn das alles?

      »Bestimmt nicht für mich«, widersprach Judy sofort und energisch, »komm mir bloß nicht mit dieser billigen Standardausrede, Daddy! Für dich allein hast du das alles getan. Diese Pressionen auf Grundstücksbesitzer. Dieses Kaufen von Banding und jetzt diese Anstrengungen, um Rander und Parker auszuschalten.«

      »Ich habe nichts Ungesetzliches getan.«

      »Direkt beweisbar vielleicht nicht, aber moralisch«, sagte Judy verächtlich, »ich werde dir etwas sagen, und davon wirst du mich nicht abbringen. Ich werde gehen! Endgültig! Ich halte es hier nicht mehr aus. Du kennst nur die Gewalt. Ich hasse sie, und ich hasse damit auch dich!«

      Sie drehte sich um und ging zurück zur Treppe, die hinauf zur Galerie führte. An der unteren Stufe blieb sie stehen und schüttelte den Kopf, als Malone ihr hastig folgte.

      »Denk doch nur an Neal Jenkins«, sagte sie müde, fast abgespannt, »wer hat den Jungen damals angefahren? ich weiß es genau. Und ich freue mich, daß ich Neals Vater schon seit Monaten Geld zustecken kann. Wenigstens eine Art Ausgleich.«

      »Du glaubst doch nicht, daß ich …?«

      »Du hast Neal angefahren und dir ein Alibi durch Banding verschafft! Ich weiß es genau!«

      »Es war der Sheriff!« brüllte Malone wütend und aufgebracht, »er war besoffen. Und gedeckt habe ich ihn. Das ist die Wahrheit! Ich hatte mit dem Unfall nichts zu tun.«

      »Aber du hast auch nie etwas getan, damit dem Jungen geholfen wurde. Bei deinem Geld! Geh zum Teufel damit, Vater! Ich hab’s endgültig satt.«

      *

      Malone mixte sich mit zitternden Händen einen Drink.

      Die kurze, aber heftige Aussprache mit seiner Tochter hatte ihn bis ins Mark getroffen. Sie hatte ihm da ein paar Wahrheiten an den Kopf geworfen, mit denen er nicht so schnell fertig wurde. Nicht, daß diese Wahrheiten ihn umgestimmt hätten, so etwas kommt nur in Romanen vor. Es ärgerte ihn nur, daß sie ihn derart ungeschminkt sah und beurteilte.

      Malone wollte gerade trinken, als die Hölle losbrach.

      Ein ohrenbetäubender Krach und Lärm herrschte. Eine Fensterscheibe nach der anderen zerbrach und barst klirrend in Stücke. Dies alles geschah mit solch einer Schnelligkeit, daß er Einzelgeräusche überhaupt nicht registrierte. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis die Frontseite des Hauses ohne Scheiben war.

      Malone riß einen Revolver aus der Lade seines Sekretärs, der in der Halle stand, und wollte wütend hinausrennen, doch da lösten sich bereits die Scheiben auf der linken Seite des Hauses.

      Anschließend klirrten die Scheiben der Hausrückseite in Stücke, und dann folgte als krönender und logischer Abschluß die Restseite des Hauses.

      Malone rannte hinaus